Mehr als eine Stunde debattierte der Bundestag am Mittwochnachmittag über Agrarpolitik. Die als Aktuelle Stunde von der CDU/CSU-Fraktion beantragte Debatte über agrarpolitische Gegensteuerungsmaßnahmen auf die Lage seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine ging schnell über in eine agrarpolitische Grundsatzdebatte.
„Ihre Position wird sich nicht halten lassen“. Steffen Bilger, CDU/CSU
Die CDU/CSU wollte ihre seit Wochen vorgebrachte Forderung, auf die geplanten 4% Stilllegung mit der Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) ab 2023 zu verzichten, auf offener Bühne erneut lancieren. „Ein Weiter-so ist zynisch, ist unethisch, ist in meinen Augen ausgeschlossen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Steffen Bilger. Die Zeit erfordere ein Hinterfragen der bisherigen Politik, so Bilger weiter. Dem grünen Agrarminister Cem Özdemir prophezeite Bilger: „Ihre Position wird sich nicht halten lassen“.
Özdemir selbst verteidigte seinen Kurs, verwies auf die finanzielle Hilfe für die Ukraine und das Welternährungsprogramm und seine Zusammenarbeit mit den G7, deren Agrarminister am Wochenende in Stuttgart unter seinem Vorsitz zusammen kommen. Im Gepäck hatte er zur Debatte seine Entscheidung mitgebracht, sich für ein Aufschieben der Fruchtfolge Pflicht auf 2024 in Brüssel einzusetzen, damit 2022 Stoppelweizen angebaut werden kann. Er entscheide von Fall zu Fall, umschrieb Özdemir seine Strategie. „Wir schauen uns jeden einzelnen Punkt an und wägen Kosten und Nutzen ab“, so Özdemir. Umwelt und Böden zahlten bei der Fruchtfolgeverschiebung einen Preis, der es aber in der Abwägung wert sei, sagte der Agrarminister.
"Wir wägen Kosten und Nutzen ab". Cem Özdemir, Grüne
Die Verantwortung für die GAP-Reform ab 2023 wies Özdemir der CDU/CSU zu, unter Leitung von deren Agrarministerin Julia Klöckner diese ausgehandelt worden sei. „Wenig leisten, viel reden. Wir machen es jetzt umgekehrt. Die Landwirtinnen und Landwirte in diesem Land verdienen Besseres - vor allem verdienen sie Ernsthaftigkeit”, griff Özdemir die jetzige Opposition an.
Die SPD stellte sich in der Debatte mehrmals offen hinter Özdemir. Die Fraktion unterstütze die Initiative den Fruchtwechsel zu verschieben. Das bringe mehr als Brachen zu nutzen, weil mit Stoppelweizenanbau auf guten Standorten mehr Weizenertrag zu erwarten sei, sagte die SPD-Abgeordnete aus der Börde in Sachsen-Anhalt Franziska Kersten. „Wir brauchen resiliente Ökosysteme, das geht nur mit Biodiversität, hier kommen die Stilllegungsflächen ins Spiel“, so Kersten. Die 4% seien bereits „ein extrem heruntergeschraubter Kompromiss“.
„Wir unterstützen den Landwirtschaftsminister bei allem, was Produktivität erhöht“. Carina Konrad, FDP
In den Beiträgen der FDP musste man die Gemeinsamkeiten mit Grünen und SPD suchen. „Wir unterstützen den Landwirtschaftsminister bei allem, was Produktivität erhöht“, sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad. Die letzte Bundesregierung habe ein schweres Erbe hinterlegt mit der GAP, so Konrad weiter. „Da wird belohnt, wer stilllegt, wer nichts tut, wer extensiviert. Diese Politik ist den aktuellen Herausforderungen nicht angemessen“, setzte Konrad einen Punkt, der entgegengesetzt zu Özdemirs Kurs liegt. Sie kritisierte die Debatte "Tank gegen Teller", die ebenso von Özdemir offensiv geführt wird und sprach lang ausholend über die Potenziale von neuen Züchtungstechniken, denen Grüne und SPD bekanntlich skeptisch gegenüberstehen.
Die gesamte Bundestagsdebatte zum Nachhören: