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Rücklagen besser als Gewinnglättung

Risikoausgleichsrücklage oder Gewinnglättung: Welches Instrument besser zur Risikoabsicherung geeignet ist, erläutern die Agrarökonomen Prof. Norbert Hirschauer und Prof. Oliver Mußhoff. Durch die Dürre haben in diesem Jahr viele Landwirte mit drastischen Ertragseinbußen zu kämpfen.

Lesezeit: 10 Minuten

Risikoausgleichsrücklage oder Gewinnglättung: Welches Instrument besser zur Risikoabsicherung geeignet ist, erläutern die Agrarökonomen Prof. Norbert Hirschauer und Prof. Oliver Mußhoff.


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Durch die Dürre haben in diesem Jahr viele Landwirte mit drastischen Ertragseinbußen zu kämpfen. Bund und Länder reagierten zwar mit Hilfsmaßnahmen, dennoch ebbt die Diskussion über agrarpolitische Maßnahmen zur Risikoabsicherung in der Landwirtschaft nicht ab. Im Gespräch sind insbesondere steuerliche Erleichterungen sowie die Subventionierung von Versicherungsprämien.


Im ersten Teil unserer Serie geht es um Maßnahmen, die steuerliche Erleichterungen versprechen. Dazu analysieren die Agrarökonomen Prof. Norbert Hirschauer, von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und Prof. Oliver Mußhoff von der Georg-August-Universität Göttingen, die Stärken und Schwächen der steuerlichen Gewinnglättung und vergleichen diese mit einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage.


GEWINNGLÄTTUNG


Bereits Ende 2016 hat der Gesetzgeber die sogenannte Gewinnglättung beschlossen (§ 32 c EStG). Demnach soll der Fiskus die Einkommensteuer in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben nicht auf der Grundlage des aktuellen Steuerjahrs bemessen. Vielmehr soll er einen geglätteten dreijährigen Durchschnittsgewinn heranziehen. Die Folge: Die Steuerzahlung fällt gleichmäßiger aus und Landwirte sparen Steuern. Beispiel: Landwirt Schulze hat 2016 einen Gewinn von 60 000 € erzielt, im Jahr 2017 waren es 30 000 €. 2018 hatte er dann eine schwarze Null. In der Summe sind das 90 000 € bzw. im Durchschnitt 30 000 € Gewinn pro Jahr. Dieser Durchschnittsgewinn ist dann die Grundlage für die Steuerberechnung im Jahr 2018 (weitere Infos finden Sie in top agrar 3/2017, Seite 38).


Die Finanzämter dürfen die Gewinnglättung noch nicht anwenden, da die EU-Kommission die Regelung noch beihilferechtlich prüft. Der Fiskus berechnet die Steuer daher noch vorläufig, ohne den Gewinn zu glätten – allerdings unter Vorbehalt der Nachprüfung.


Ziel doppelt verfehlt:


Der Bayerische Oberste Rechnungshof hat vor Kurzem für 2 575 tatsächlich veranlagte Steuerfälle untersucht, wie sich die noch gar nicht umgesetzte Gewinnglättung auswirken würde. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Regelung hätte nur einen geringen Einfluss auf die Steuerbelastung der untersuchten landwirtschaftlichen Betriebe. Im Betrachtungszeitraum 2014 bis 2016 käme es bei 48 % der untersuchten Fälle zu einem Glättungsbetrag von 0 €. In 2,6 % der Fälle würden die Landwirte von einer Glättung über 500 € profitieren. Nur bei 0,3 % beträgt die Glättung über 5 000 €. Im Durchschnitt läge die Steuerersparnis bei lediglich 74 €.


Problematisch ist, dass die Gewinnglättung aus Sicht des Risikomanagements geradezu kontraproduktiv ist. Durch die Glättung entsteht in den schlechten (unterdurchschnittlichen) Jahren eine erhöhte Steuerlast in Höhe der durchschnittlichen Steuerzahlung. Dadurch reduziert sich der für Entnahmen, Schuldentilgung und Investitionen zur Verfügung stehende Cashflow nach Steuern gerade in erfolgsschwachen Jahren zusätzlich.


Darüber hinaus verursacht die Gewinnglättung einen hohen bürokratischen Aufwand bei den Finanzämtern. Dies liegt daran, dass die IT-Struktur der Steuerverwaltung den Systembruch gegenüber der sonst grundsätzlich jährlichen Einkommensteuerveranlagung nicht automatisiert bewältigen kann. Angesichts der geringen Wirkung und der hohen Kosten ruft der Bayerische Oberste Rechnungshof die Bayerische Staatsregierung auf, eine Bundesratsinitiative für die Überarbeitung bzw. Abschaffung der noch gar nicht umgesetzten Gewinnglättung zu prüfen.


RISIKOAUSGLEICHSRÜCKLAGE


Die aktuell von vielen Seiten geforderte Risikoausgleichsrücklage soll Landwirten ermöglichen, in erfolgsstarken Jahren Liquiditätsreserven aus unversteuerten Gewinnen auf einem separaten Konto anzulegen. Diese Reserven könnten sie dann in erfolgsschwachen Jahren gewinnwirksam auflösen. Durch die Rücklage wären die Landwirte in der Lage, ihre Gewinn- und Cashflow-schwankungen zu reduzieren.

Beispiel: 2016 verzeichnet Landwirt Maier einen Gewinn von 65 000 €. Im Jahr 2017 beträgt der Gewinn 52 000 € und 2018 sind es nur 39 000 €. Maier hat in den letzten drei Jahren demnach einen durchschnittlichen Gewinn von 52 000 € erzielt. Hätte Maier im Jahr 2015 einen Teil seines Gewinnes, beispielsweise 13 000 €, als Reserve in eine Rücklage einbezahlt, könnte er diese Rücklage im Jahr 2018 gewinn- und liquiditätswirksam wieder auflösen. Sein Gewinn würde dadurch im Jahr 2018 nicht 39 000 €, sondern 52 000 € betragen (siehe Übersicht).


Eine steuerliche Risikoausgleichsrücklage hat einen großen Vorteil im Vergleich zur steuerlichen Gewinnglättung: Es geht nicht nur um eine Steuerersparnis, die sich der Landwirt zudem mit einer erhöhten Steuerlast im erfolgsschwachen Jahr erkaufen muss. Vielmehr sichert der Landwirt effektiv und eigenverantwortlich sein Risiko ab, da er mithilfe der Rücklage Liquiditätsreserven für schlechte Jahre bildet.


Probleme lösen:


Es ist fraglich, wie wirksam die Ausgleichsrücklage ist. Eine ähnliche Regelung gibt es seit 1969 im Forstbereich. Allerdings nehmen Forstwirte diese kaum in Anspruch. Auch bei den Landwirten ist zu befürchten, dass der steuerliche Anreiz nicht ausreicht, sie dazu zu bewegen, nennenswert Liquidität in der Rücklage zu „parken“.


Die fehlende Bildung einer Liquiditätsreserve ist auch der zentrale Schwachpunkt des Vorschlags des Deutschen Bauernverbandes (DBV), der bereits seit 2008 eine „Risikoausgleichsrücklage“ fordert. Es scheint dem Bauernverband nicht darum zu gehen, das Risiko durch Rücklagenbildung abzusichern. Er möchte die Risikoausgleichsrücklage nicht als zweckgebundene Liquiditätsreserve, sondern vielmehr als rein steuerliches Instrument ausgestalten.


Das würde Folgendes bedeuten: Ein Landwirt hat ein gutes Jahr und erzielt beispielsweise ein zu versteuerndes Einkommen von 100 000 €. Er kann diesen Gewinn rein buchungstechnisch um beispielsweise 30 000 € mindern und dies als Risikoausgleichsrücklage ausweisen. Er könnte die unversteuerten 30 000 € aber frei verwenden, beispielsweise um Land zu kaufen. Gerade erfolgreiche Landwirte und juristische Personen würden diese buchungstechnische „Rücklage“ wegen der Steuerersparnis bis zur maximal zulässigen Höhe bilden, diese aber nie mehr auflösen, wenn sie nicht dazu verpflichtet sind.


Eine derartige Rücklage hätte nichts mit Risikovorsorge zu tun, sondern wäre nur eine versteckte Subvention in Form eines Steuererlasses, die Fragen der Steuergerechtigkeit aufwirft.

Mittlerweile findet die Ausgleichsrücklage zunehmend Unterstützer: FDP und Linke sprechen sich klar für die Rücklage aus. CDU, CSU und SPD stehen ihr nicht mehr so kritisch gegenüber. Die Brandenburgische Landesregierung verabschiedete Ende August gar eine Bundesratsinitiative, die am 21. September im Plenum des Bundesrates in Berlin verhandelt werden soll.


 


Voraussetzungen schaffen:


Um die steuerliche Risikoausgleichsrücklage zu einem effektiven Instrument der betrieblichen Risikovorsorge zu machen, müssen folgende zentrale Voraussetzungen erfüllt werden:

Bildung der Reserve: Der Gesetzgeber muss gewährleisten, dass die Betriebe tatsächlich Reserven bilden. Eine Möglichkeit: Überschreitet der Landwirt ein definiertes Einkommensniveau (beispielsweise das Durchschnittseinkommen der letzten 3 oder 5 Jahre) sollte er einen festen Anteil der Direktzahlungen (z. B. 25 %) oder den über dem definierten Niveau liegenden Einkommensbetrag bindend in die Rücklage einzahlen.


Auflösung der Reserve: Es darf kein „totes Kapital“ entstehen. Die Landwirte müssen im Notfall tatsächlich auf die Reserve zugreifen können. Eine Möglichkeit wäre, ihnen den Zugriff zu erlauben, sobald ihr Einkommen unterhalb von 80 % des Durchschnittseinkommens (Zieleinkommen) liegt.

Sanktionen: Lösen Landwirte die Reserve unzulässigerweise auf, muss der Gesetzgeber Sanktionen verhängen. Denkbar wäre eine Strafsteuer (z. B. 20 %) bezogen auf den unzulässig entnommenen Betrag. Wenn sich zeitlich verzögert – nach endgültiger Feststellung des Einkommens – herausstellt, dass die Entnahme unzulässig war, sollte die Sanktion durch eine einfache Rückzahlung in die Rücklage abgewendet werden können.


Reserve mit staatlichen Krisenhilfen verknüpfen: Zahlen Bund oder Länder in außergewöhnlichen Krisenjahren zusätzlich Ad-hoc-Hilfen, sollten diese mit der eigenverantwortlichen Reservenbildung verknüpft werden. Eine Möglichkeit: Der Bund könnte Ad-hoc-Hilfen als Überbrückungsdarlehen gewähren. Diese könnte er auf die Höhe begrenzen, die dem Landwirt nach Auflösung der eigenen Reserven zur Erreichung des definierten Zieleinkommens fehlt. Bildet der Landwirt in späteren Jahren erneut eine Rücklage, sollte er dieses Darlehen zuerst zurückzahlen.


Offene Fragen klären:


Auch wenn diese grundsätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, muss die Politik noch zahlreiche Detailfragen beantworten:

  • Was gilt bei der Rücklagenbildung und -auflösung als Grundlage? Das Einkommen des landwirtschaftlichen Betriebes oder das des landwirtschaftlichen Haushalts? Denn es kann vorkommen, dass die landwirtschaftlichen Einkünfte zwar in einem Jahr schlecht ausfallen, erzielt der Betrieb jedoch ergänzend gute gewerbliche Einkünfte, z. B. aus einer Photovoltaikanlage, läge gar keine krisenhafte Situation vor.
  • Mit welcher Größe wird das Einkommen gemessen? Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: den zu versteuernden Gewinn, den Cashflow oder die Bruttowertschöpfung. Je nach Auswahl ergeben sich unterschiedliche Verpflichtungen und Möglichkeiten für den Landwirt, die Rücklage zu bilden bzw. aufzulösen.
  • Was gilt für Landwirte, die ihre Gewinne nach Durchschnittssätzen ermitteln?
  • In welcher Höhe dürften Landwirte die Rücklage maximal bilden? Sind hierfür durchschnittliche regionale Erfolgspotenziale wie z. B. Standarddeckungsbeiträge heranzuziehen?
  • Soll es für Landwirte möglich sein, freiwillig und schnell eine Rücklage zu bilden, die über die Einlage von 25 % der Direktzahlungen hinausgeht? Sollte der Bund dies gegebenenfalls zusätzlich fördern?
  • Mit welcher „zeitlichen Ansage“ sollte der Gesetzgeber die Regelung einführen, um zu vermeiden, dass ihre Einführung selbst zu einem gefährlichen Politikänderungsrisiko wird?
Folgen abschätzen:


Bevor der Gesetzgeber aber eine – wie auch immer konkretisierte – Ausgleichsrücklage einführt, muss eine solide Politikfolgenabschätzung erfolgen. Dabei geht es erstens um die tatsächlich zu erwartende Risikoreduzierung in der Landwirtschaft. Eine Einschätzung wäre mithilfe der Testbetriebsdaten möglich. Zweitens müsste die Politik die Kosten schätzen, die sich durch das verlorene Steueraufkommen und den bürokratischen Aufwand in den Finanzverwaltungen ergeben, wenn der Gesetzgeber die Rücklage tatsächlich einführt und umsetzt. Außerdem müsste er fundiert begründen, warum für die Landwirtschaft eine Sonderregelung gelten soll. Warum sollte dies nicht auch in anderen Branchen wie z. B. dem verarbeitenden Gewerbe, dem Tourismus oder der Bauwirtschaft möglich sein?


Nur wenn der erwartete Nutzen der Maßnahme deutlich höher ist als die Kosten, sollte die Politik die Risikoausgleichsrücklage einführen. Im Sinne des allseits geforderten Bürokratieabbaus sollte der Gesetzgeber aber, wenn er eine neue Regel beschließt, eine bestehende Regelung abschaffen. Dafür böte sich z. B. die bereits vom Bayerischen Obersten Rechnungshof kritisierte Gewinnglättung an.


UPDATE: Am 21.09.2018 forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, die gesetzlichen Vorraussetzungen für eine Risikoausgleichsrücklage zuschaffen.


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INTERVIEW mit Bernhard Krüsken, Generalsekretär Deutscher Bauernverband:

 

Welche Ziele verfolgt der DBV mit der Ausgleichsrücklage?

Krüsken: Die einzelbetriebliche Risikovorsorge ist das Ziel. Der Ansatzpunkt ist eine steuerliche Regelung. Unser Vorschlag zielt darauf ab, die Betriebe besser in die Lage zu versetzen, sich für Krisen aller Art besser aufzustellen. Das gilt für Markt- und Preiskrisen als auch für Situationen wie im Dürresommer 2018.


Was spricht aus Ihrer Sicht gegen eine zweckgebundene Liquiditätsreserve?

Krüsken: Eine bilanzielle Rücklage erfüllt den gleichen Zweck. Auch für deren Bildung und Dauer lassen sich Regeln definieren. Verbleibt die Rücklage in der betrieblichen Bilanz, stärkt sie auch dessen Substanz und Kreditfähigkeit. Ein separates „Sperrkonto“ für die Rücklage wäre sehr bürokratisch. Außerdem wäre die Verfügungsgewalt des Betriebes über betriebseigene Mittel eingeschränkt. Das sehen wir kritisch.


Die Agrarökonomen sind der Meinung, dass es konkrete Vorgaben geben muss, damit die Rücklage zu einem effektiven Instrument wird. Wie stehen Sie dazu?

Krüsken: Bei Investitionsrücklagen bestehen beispielsweise für deren Bildung und Handhabung auch Regeln, die über das Steuerrecht ohne besondere zusätzliche Sanktionen effektiv umgesetzt werden. Unser Modell stellt sicher, dass dem Fiskus kein Steuersubstrat verloren geht. Schließlich löst der Landwirt die Rücklage irgendwann wieder gewinnwirksam auf. Nach den bisherigen Erfahrungen mit der Dauer von Hoch- und Tiefpreisphasen sollen Landwirte eine Rücklage aber für mindestens sechs Jahre anlegen können. Die Rücklage reduziert auch die Notwendigkeit staatlicher Krisenhilfen.


Welche weiteren Instrumente halten Sie im Hinblick auf die Risikoabsicherung für notwendig?

Krüsken: Versicherungen können ein Teil der Lösung sein. Bevor staatliche Bezuschussungen diskutiert werden, muss geklärt sein, ob z. B. Dürreversicherungen versicherungstechnisch darstellbar und für den Landwirt sinnvoll kalkulierbar sind. Eine pauschale Bezuschussung von Prämien macht sicher keinen Sinn. Aber eine reduzierte Versicherungssteuer würde helfen, diese Produktkategorie zu entwickeln.

 

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