topplus Green-Deal soll weichen

Rukwied fordert auf dem Bauerntag mehr Unternehmerfreiheit

Auf dem Bauerntag gibt sich Bauernpräsident Rukwied kämpferisch und fordert politische Veränderungen für die Landwirte. Der Green Deal soll zugunsten unternehmerischer Freiheit weichen.

Lesezeit: 6 Minuten

In einem Jahr kann sich viel ändern. Im Juni 2024 hieß der deutsche Kanzler noch Scholz, der US-Präsident Biden und auf dem Bauerntag in Cottbus war es drückend heiß. Ein Jahr später ist das Wetter beim Bauerntag 2025 in Berlin angenehmer, die weltweite Lage hat sich seitdem aber eher weiter erhitzt: Der Ukraine-Krieg hält an, im Nahen Osten sieht es auch nach dem kurzen Schlag Israels und der USA gegen das Mullah-Regime im Iran leider nicht nach Entspannung aus.

Die Europäische Union setzt unterdessen neue Prioritäten in Richtung Verteidigungsfähigkeit und in Deutschland wurden die politischen Karten neu gemischt. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Landwirtschaft, bietet aber auch die Chance für einen (agrar)politischen Neubeginn. Den fordert auch der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, von der noch jungen Bundesregierung ein.

"Mehr Politikwechsel wagen"

„Mehr Politikwechsel wagen“ lautet jedenfalls das Motto des Bauerntags 2025. Nach Rukwieds Verständnis muss Deutschland wieder in seine ursprüngliche europäische Führungsrolle hineinwachsen. Das braucht ihm zufolge neue Impulse, Entlastungen bei Steuern, Energie und die Möglichkeit, dass seitens der Wirtschaft wieder investiert wird.

Aktuell laufen in Brüssel die Verhandlungen zum Mittelfristigen Finanzrahmen (MFR), mit dem im Prinzip das Gesamtbudget der EU festgelegt. Angesichts der internationalen militärischen Bedrohungen wachen auch die Begehrlichkeiten, was die verfügbaren Gelder angeht. Das betrifft auch den EU-Agrarhaushalt. Rukwied will hier Kürzungen keinesfalls akzeptieren. Er gibt zu bedenken, dass Versorgungssicherheit genauso wichtig sei wie Verteidigungsfähigkeit. Deshalb sei ein starkes und sogar höheres Agrarbudget gerechtfertigt.

Von den Fesseln des Green Deal befreien

„Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ein Kernelement der EU, 70 % der Union sind ländlicher Raum. Das darf man nicht gefährden“, so der Bauernpräsident. Aus diesem Grund sei die GAP in ihrer grundsätzlichen Form auch zu erhalten. Andere Ideen wie „Single Fund“ und die damit verbundene Renationalisierung der Agrarpolitik lehne man deshalb ab. „Das wären am Ende 26 verschiedene Agrarpolitiken“, warnt Rukwied.

Auch die politische Ausrichtung der EU bedarf nach seiner Einschätzung einer Korrektur. Green Deal und Farm to Fork sind laut Rukwied nicht mehr zeitgemäß. Er fordert: „Europa muss sich von den Fesseln des Green Deals und Farm to Fort endlich befreien und wieder auf Wettbewerbsgleichheit setzen.“

Bodenschutzrichtlinie streichen

Der Bauernpräsident meint damit nicht den Ausstieg aus Klima- und Naturschutz. Im Gegenteil: „Da wollen wir noch besser werden, weiter nach vorne gehen. Aber kooperativ und nicht per Ordre de Mufti.“ Gestrichen gehöre auch die Bodenschutzrichtlinie, denn damit wolle man den Bauern vorschreiben, wann sie aussäen und ernten können. An dem Punkt ist für den Bauernpräsidenten Schluss: „Ich kenne jeden Bodenunterschied auf unseren Flächen - Das weiß keiner in Brüssel so gut wie ich.“

Wir setzen auch weiterhin auf unternehmerische Freiheit.
Joachim Rukwied, Bauernpräsident

Wenig Sympathie hat Rukwied weiterhin für Forderung nach einer nationalen Umsetzung der Artikel 148 und 163 der Gemeinsamen Marktordnung (GM). Er weist darauf hin, dass französische Milcherzeuger auf dieser Grundlage geringere Erzeugerpreise erzielen als ihre deutschen Kollegen. „Hochgerechnet bedeutet das je nach Jahr zwischen 750 und 900 Mio. €, die unsere Milcherzeuger aufgrund unternehmerischen Handels und Freiheiten mehr in der Tasche haben. Und das darf nicht gefährdet werden“, stellt Rukwied klar. Deshalb brauche es eine Opt-out-Lösung, denn „wir setzen auch weiterhin auf unternehmerische Freiheit“.

Brauchen Aufbruchssignale in der Tierhaltung

Die deutsche Politik sieht er sowohl in Berlin, als auch in Brüssel mehr denn je gefordert. Für Deutschland müsse innerhalb der EU gelten: Kein „German Vote“ oder Enthaltung mehr! „Mehr Politikwechsel“ sei auch für die deutsche Tierhaltung nötig. Schließlich habe die deutsche Schweinehaltung seit 2012 rund zwei Millionen Plätze abgebaut, während der Bestand in Spanien mindestens so stark angestiegen sei - „ohne unsere Tierschutz- und Naturschutzstandards“.

1,5 Milliarden "frisches Geld" pro Jahr

In Deutschland werde in der Tierhaltung nicht gebaut, moniert Rukwied. Das müsse jetzt beendet werden. Es brauche Aufbruchsignale in Form eines „Investitionsprogramms Tierhaltung“, beginnend mit der Schweinehaltung. Konkret fordert Rukwied ab 2026 1,5 Mrd. € pro Jahr frisches Geld als Investitionszuschuss für investitionswillige Landwirtschaft. Dazu gehöre die verbindliche Zusage von 20 Jahren Planungssicherheit, „denn es geht hier um Millionenbeträge und das eigene Eigentum als Sicherheit“.

„Wenn die Tierhaltung Bestand haben soll, dann brauchen wir zukunftsfähige Schlachtstätten“, fügte Rukwied hinzu. Wenn es Investoren gibt, sei es egal, wer das ist. "Wenn sie investieren wollen, dann muss man sie verdammt nochmal lassen", so der Präsident und dann müsse sich ein Herr Mundt zurückhalten. Damit meint Rukwied den Präsidenten des Bundeskartellamtes.

Der Verbandspräsident ist in puncto Nutztierhaltung skeptisch, ob das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz optimal auf die Bedürfnisse des deutschen Nutztiersektors umgearbeitet werden kann. Seine Meinung: „Das ist ein derartiger Murks. In die Tonne. Weißes Blatt nehmen, neu anfangen und 2027 neu beginnen.“

15 Euro Mindestlohn nicht umsetzbar

Erneut forderte Rukwied auch eine Sonderregelung beim Mindestlohn für saisonale Arbeit. "Die Frage ist nicht, warum wir gegen einen höheren Mindestlohn sind. Gegenfrage: Wollen Sie weiter deutsches Obst und Gemüse und deutschen Wein haben? Dann müssen Sie einer Sonderregelung zustimmen. Sonst wandert die Produktion ab. Wer den Mindestlohn anhebt, setzt den Schlüssel zum schließen der Hoftore an", sagte Rukwied.

Ein Ende des deutschen Sonderwegs wünscht sich der DBV-Präsident zudem bei der Zulassung neuer Pflanzenschutzwirkstoffe. Er verweist hierzu auf die ungezügelte Ausbreitung der Glasflügelschilfzikade und hat auch ein persönliches Beispiel parat: Bei ihm habe die Zuckerrüber im Vorjahr 90 t/ha versprochen, im August sei aber wegen des Schädlings das Blatt verschwunden und am Ende seien nur rund 60 t/ha vom Acker gekommen. Das tue Landwirten in der Seele weh.

"Warum müssen wir das ertragen", fragt Rukwied. Das liege auch daran, dass Wirkstoffe, die weltweit verwendet werden, in Deutschland nicht eingesetzt werden dürfen. Das müsse sich ändern. Der Bauernpräsident plädiert hier für ein neues Zulassungsverfahren, das sich an der Zulassungspraxis in der Humanmedizin orientiert. Dort gibt es nur eine EU-Zulassungsstelle. "Höchste Zeit, dass wir das in der Landwirtschaft auch kriegen", meint Rukwied. Zudem müsse die Einverständniserklärung des UBA ad acta gelegt werden.

"Hände weg von unserem Eigentum!"

Und noch eine Botschaft Rukwieds an die Politik: "Hände weg von unserem Eigentum!" er meint damit das Naturflächenbedarfsgesetz, das für ihn eher ein "Naturflächenbeschaffungsgesetz" ist. Das nämlich stecke dahinter und das müsse verhindert werden, so Rukwied auch in Richtung von Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer. Von dem verlangt er "Handeln statt Reden", auch beim Bürokratieabbau. "Wir bieten dabei die Hand an. Wir haben die Expertise und wollen unser Land, unsere Landwirtschaft nach vorne bringen", betonte der Verbandspräsident.

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