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Rukwied: "Wir brauchen frisches Geld für die Landwirtschaft"

Nach den Bauernprotesten sieht DBV-Präsident Rukwied die Politik am Zug. Im top agrar Interview fordert er von denen, die den Protest nach vorne brachten, sich stärker im Bauernverband zu engagieren.

Lesezeit: 8 Minuten

top agrar: Herr Rukwied, erst kamen die grünen Kreuze, dann legten zehntausende Schlepper den Verkehr in zahlreichen Großstädten lahm. Zeigen ein paar Social-Media-Landwirte dem Deutschen Bauernverband derzeit, wie moderner Protest geht?

Rukwied: Die Aktionen waren in jedem Fall ein Erfolg. Die Bauern haben in Richtung Gesellschaft und Politik ein deutliches Signal gesetzt. Wir stehen über unsere Landesbauernverbände im Austausch mit den Initiatoren und werden das auch weiterhin so tun.

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Den beeindruckenden Demobildern folgte Streit innerhalb der Organisatoren, aber auch Kritik am Bauernverband. Gibt es Anlass zur Sorge, dass sich die Bauern in unterschiedliche Lager zerstreiten?

Rukwied: In den 25 Jahren in denen ich mich nun im Bauernverband engagiere gab es immer wieder kontroverse Diskussionen über den richtigen Weg. Auch in der Vergangenheit hatten wir nie das einheitliche Bild, sondern immer auch divergierende und heterogene Interessen. Entscheidend ist, dass wir am Ende den Bauernfamilien eine Perspektive bieten können. Und das geht nur miteinander.

Sie haben sich im Vorfeld mit den Protesten solidarisch erklärt, sofern diese friedlich bleiben. Haben Sie Grund zu der Annahme, dass sich das friedliche Bild bei zukünftigen Demos ändern könnte?

Rukwied: Das war ein wichtiger Appell und diesen halten wir aufrecht. Nur so können wir die Sympathie für die Bauernfamilien in der Gesellschaft erhalten.

Die Verjüngung muss von unten kommen. - Rukwied

Auf den Demo-Schleppern saßen auffällig viele junge Menschen am Steuer, die es längst nicht zu jedem Kreisverbandstag treibt. Was lernen Sie für die Arbeit in ihren Gremien aus den aktuellen Bewegungen? Ist die Zeit reif für eine Verjüngungskur?

Rukwied: Das Thema haben wir seit Jahren auf der Agenda, in den Landesbauernverbänden, in den Kreisverbänden und auch in Berlin. Wir können dabei Impulse geben und tun dies auch, aber die Verjüngung muss von unten kommen.

Die Demos waren Impulse von der Basis, also von unten. Was nehmen Sie davon mit?

Rukwied: Ich würde mir wünschen, dass sich diese jungen Menschen auch innerhalb des Verbandes stärker engagieren und Verantwortung übernehmen. Auf vielen Demoschleppern saßen Landwirte, die auch Mitglieder des Bauernverbandes sind.

Wie geht es jetzt weiter? Und wie lässt sich der Schwung für die politische Debatte nutzen?

Rukwied: Ministerin Klöckner hat weitere Gespräche angekündigt. Anfang Dezember lädt die Kanzlerin zu einem Landwirtschaftsgipfel ein. Jetzt ist die Politik am Zug und muss liefern.

Der runde Tisch darf aber nicht damit enden, dass man sich nur ausgetauscht hat. - Rukwied

Was erwarten Sie vom Landwirtschaftsgipfel mit der Bundeskanzlerin?

Rukwied: Frau Merkel zeigt, dass sie die Signale verstanden hat. Und das ist ein gutes Zeichen. Der runde Tisch darf aber nicht damit enden, dass man sich nur ausgetauscht hat. Ich erwarte, dass die Politik Handlungsperspektiven aufzeigt.

Erwarten Sie Zugeständnisse beim Agrarpaket? Nehmen wir das Insektenschutzprogramm.

Rukwied: Mit den Vorschlägen zum Aktionsplan Insektenschutz würden wir de facto den Weg des kooperativen Naturschutzes verlassen. Das ist eindeutig eine Sackgasse. Naturschutz geht nur mit uns Bauern.

Welche konkreten Änderungen am Insektenschutzprogramm fordern Sie?

Rukwied: Wir haben da eine klare Position. Wir müssen den ganzen Aktionsplan neu aufsetzen. Wir brauchen keine neuen Verbote, sondern die richtigen Anreize.

Für zusätzliche Maßnahmen müssen wir über frisches Geld nachdenken. - Rukwied

Woher soll das Geld für zusätzliche Umweltleistungen kommen?

Rukwied: Natur- und Artenschutz sind gesamtgesellschaftliche Herausforderungen. Für zusätzliche Maßnahmen müssen wir deshalb über frisches Geld nachdenken. In den nächsten Jahren soll es fünf Milliarden Euro Investitionshilfen für die Umstellung auf Elektroautos geben. Warum soll es solche Anschubhilfen nicht auch für die Landwirte geben?

Woher soll in der Tierhaltung das Geld für den Umbau kommen? Eine Quersubventionierung über eine höhere Mehrwertsteuer lehnen Sie als Verband ab. Wie kann es dann gehen, wenn sich doch immer wieder zeigt, dass es an der nötigen Zahlungsbereitschaft der Verbraucher fehlt?

Rukwied: Wir stehen dazu im Austausch mit Jochen Borchert, der derzeit Vorschläge für die angekündigte Nutztierstrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums entwickelt. Wir sind grundsätzlich offen für den Umbau der Tierhaltung. Aber auch hier braucht es frisches Geld, Planungssicherheit und eine dauerhafte wirtschaftliche Perspektive für die Tierhalter.

Wie geht es bei der Düngeverordnung und den Diskussionen um das Mercosur-Abkommen weiter?

Rukwied: Die derzeit diskutierten Verschärfungen der Düngeverordnung dienen weder dem Wasserschutz noch der Landwirtschaft. Eine politische Entwicklung, die Probleme zu lösen, erkenne ich derzeit allerdings nicht. Beim Thema Mercosur setzen wir derzeit auch auf Frankreich, um noch Verbesserungen für die europäischen Betriebe zu erzielen. Denken wir doch nur an den bei uns diskutierten Pflanzenschutz: Wirkstoffe, die bei uns seit Jahren oder sogar Jahrzehnten verboten sind, werden in Teilen Südamerikas weiterhin eingesetzt. Die damit erzeugten Produkte kämen auf unseren Markt. Das geht gar nicht! Das gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Betriebe.

Wir zeigen uns beweglich bei der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Weiterentwicklung der zweiten Säule. - Rukwied

Forderungen sind das Eine. Was bietet der Bauernverband eigentlich an?

Rukwied: Wir brauchen uns mit unseren Angeboten an Politik und Gesellschaft nicht verstecken. Nehmen wir den Klimaschutz. Wir bieten sehr konkrete Lösungsansätze mit denen die Landwirtschaft zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen beitragen kann. Wir haben eine gemeinsame Ackerbaustrategie mit konkreten Maßnahmen entwickelt und eine Biodiversitätsstrategie erarbeitet. Wir wollen den kooperativen Naturschutz weiter ausbauen. Wir zeigen uns beweglich bei der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Weiterentwicklung der zweiten Säule. Deshalb ist das, was gerade politisch passiert, so gefährlich. Der jetzige Ansatz, wieder verstärkt über Verbote zu regulieren, könnte uns in der Branche um Jahre zurückwerfen.

Wenn das Ziel einer nachhaltigeren Landwirtschaft so klar umrissen ist. Welche Rahmenbedingungen braucht es auf dem Weg dorthin?

Rukwied: Wir Bauern brauchen einen verlässlichen Rahmen, der auch langfristige Investitionen ermöglicht. Dazu gehören ein stabiles Agrarbudget mit einer starken ersten und einer weiterentwickelten zweiten Säule, frisches Geld für zusätzliche Umwelt- und Tierwohlmaßnahmen ­und die nötige Rechtssicherheit für Umbaumaßnahmen. Stichwort: Baugenehmigung. Auch das Konsumverhalten der Verbraucher muss sich ändern. Es nützt wenig, wenn beim Volksentscheid in Bayern 18 % der Bürger ihr Kreuz machen und der Bioanteil gleichzeitig bei 6 % liegt. Das passt nicht zusammen.

Wie konnte es eigentlich passieren, dass nicht einmal das Landwirtschaftsministerium vor Veröffentlichung des Insektenschutzprogrammes mit Ihnen gesprochen hat?

Rukwied: Wir haben unseren Irritationen über das Vorgehen des BMEL sehr deutlich gemacht und dem ist nichts hinzuzuführen. So ein Paket kann man nicht einfach im stillen Kämmerlein entwickeln, noch dazu unter so starkem Einfluss des Umweltministeriums. Es hat unseres Wissens keine Gespräche mit Agrariern der CDU/CSU-Fraktion als auch mit uns gegeben. Das ist sicherlich kein zielführender Ansatz.

Wir sprechen mit allen Parteien. - Rukwied

Ist Frau Klöckner noch eine verlässliche Ansprechpartnerin?

Rukwied: Sie bleibt neben dem Parlament und den Fraktionen natürlich eine erste Ansprechpartnerin für uns.

Funktioniert die Achse Bauernverband und CDU noch? Oder wird die Zeit reif für neue Bündnisse?

Rukwied: Wir hatten einen offenen und guten Meinungsaustausch mit dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus zu den aktuellen Entwicklungen. Darüber hinaus gilt: Wir sind politisch neutral. Und wir sprechen mit allen Parteien.

Sie sagen, Sie sprechen mit allen. Frau Schulze ist dem Dialog mit Ihrem Haus zuletzt ferngeblieben. Woran liegt es?

Rukwied: Das ist eine gute Frage. Wir erwarten als Repräsentanten einer großen Berufsgruppe, dass sie sich mit uns an einen Tisch setzt, wenn Gesprächsbedarf besteht. Wir haben keinerlei Verständnis dafür, dass sie diesem Gesprächswunsch bis heute nicht nachgekommen ist.

Gerade wegen der schlechten Stimmung, zum Schluss nochmal eine andere Blickrichtung: Was macht Ihnen Mut, dass wir auch in Zukunft erfolgreiche Betriebe in der Landwirtschaft haben?

Rukwied: Wir haben einen bestens ausgebildeten Nachwuchs. Ich kenne viele junge Betriebsleiter, die mit Elan und konkreten Vorstellungen ihre Betriebe erfolgreich weiterentwickeln. Wir haben einen kaufkräftigen Markt mit 500 Mio. Menschen vor der Haustür. Wir produzieren Erzeugnisse zu höchsten Standards auf Spitzenniveau. Wir haben einen schlagkräftigen vor- und nachgelagerten Bereich. Die Infrastruktur passt. Neue Technologien wie GPS werden uns helfen, den wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Das alles macht mir Mut. Aber wir müssen für die Betriebe auch einen Rahmen einfordern, der ihnen die nötige Verlässlichkeit bietet.

Das Interview führte top agrar Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann

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