Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Kitzrettung Regierungswechsel Grasernte

topplus Interview

Warum Sachsens Agrarminister Georg-Ludwig von Breitenbuch auf Veränderung setzt

Sachsens Landwirtschaftsminister von Breitenbuch fordert einen Politikwechsel für Landwirtschaft und ländliche Räume. Wirtschaftliche Fragen müssten in den Vordergrund rücken.

Lesezeit: 10 Minuten

Der sächsische Landwirtschaftsminister Georg-Ludwig von Breitenbuch über seine Erfahrungen im Regierungsamt, seine Erwartungen an Schwarz-Rot und den Neuanfang in Sachsen.

Die Menschen brauchen Vertrauen in Politik

Herr von Breitenbuch, Sie sind gebürtiger Wessi, Alteigentümer und Landwirt - und seit Dezember 2024 sächsischer Agrarminister. Zeigt das, 35 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Schlachten der Vergangenheit geschlagen? 
Georg-Ludwig von Breitenbuch: Es hat sich eben viel verändert seit 1990. Ich hätte es damals für undenkbar gehalten, dass ich mal Landwirtschaftsminister in Sachsen werde. Dass es jetzt so gekommen ist, hat viel mit Akzeptanz zu tun, die ich mir erarbeitet habe. Das hat seine Zeit gebraucht. Jetzt bin ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort und kann einiges einbringen.

Ein zugereister Bauer gewinnt seit 15 Jahren seinen ländlichen Wahlkreis. Wie geht das?

Von Breitenbuch: Indem ich mich nicht verstelle. Meine Herkunft aus dem Westen hat von Anfang an keine große Rolle gespielt, weil meine Familie 1945 ihre ostdeutsche Heimat verlassen musste, in der sie seit dem Mittelalter ansässig war. Wir waren weg und sind zu unseren Wurzeln zurückgekehrt. Die Leute haben gesehen, dass wir aus dem Nichts einen Betrieb aufgebaut haben. Wir haben uns als Familie gesellschaftlich eingebracht. Wir haben Vertrauen aufbauen können und Anerkennung gefunden. Es hat menschlich gut geklappt.

Georg-Ludwig von Breitenbuch ist seit Dezember 2024 Minister für Landwirtschaft und Umwelt in der schwarz-roten Minderheitsregierung von Sachsen. Der 53-jährige CDU-Politiker ist in Göttingen geboren. Nach Landwirtschaftslehre und Volkswirtschaftsstudium hat von Breitenbuch Ende der neunziger Jahre einen ehemals im Familienbesitz befindlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in Kohren-Salis bei Leipzig übernommen. Dort lebt er mit seiner Frau und sechs Kindern. Dem sächsischen Landtag gehört er seit 2009 an. Seinen Wahlkreis hat von Breitenbuch stets direkt gewonnen.

Bei der Bundestagswahl hat die AfD nicht nur in Sachsen, sondern in ganz Ostdeutschland auf dem Land am besten abgeschnitten. Welche Erklärung haben Sie?

Von Breitenbuch: Es gab und gibt eine große Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen der letzten Jahre. Die Leute haben das Gefühl, es muss sich jetzt wirklich was ändern. Das gilt auch für die Bauern, wie die Proteste im vergangenen Winter gezeigt haben. Den Leuten ist nicht egal, was Politik mit ihnen macht und wie sie mit ihnen umgeht. Die Menschen brauchen wieder Vertrauen in Politik. Ich hoffe sehr, dass ich als Minister einen Beitrag leisten kann.

Sie haben den Koalitionsvertrag in Berlin als Beleg dafür gewertet, dass Union und SPD die Zeichen der Zeit erkannt, haben. Was meinen Sie?

Von Breitenbuch: Die Betriebe brauchen eine Perspektive. Die nächste Generation muss erkennen, es lohnt sich, in der Landwirtschaft zu arbeiten, und wir wollen in die Zukunft investieren.

Die nächste Generation muss erkennen, es lohnt sich, in der Landwirtschaft zu arbeiten, und wir wollen in die Zukunft investieren.
Georg-Ludwig von Breitenbuch

Auf vielen Höfen ist das in den letzten Jahren verloren gegangen. Es ist ein Gefühl entstanden, manches, was wir produzieren, ist politisch nicht mehr gewollt. Das betritt vor allem die Schweinehaltung, aber nicht nur. Nach meinem Eindruck ist dieses Unbehagen in den Koalitionsparteien angekommen. Die Vorzeichen ändern sich. Wirtschaftliche Fragen spielen wieder eine größere Rolle. Und dafür müssen eben einige Probleme gelöst werden, etwa die wettbewerbsschädliche Verteuerung des Agrardiesels. Das ist nur eines von vielen Beispielen und verdeutlicht die Grundaussage, wieder mehr politisches und wirtschaftliches Vertrauen auf den Höfen zu erarbeiten. Davon unbenommen ist die Bereitschaft der Landwirte, ihren Beitrag zum Klimaschutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt zu leisten.

Landwirte sind Unternehmer. Erwarten sie zu viel von Politik?

Von Breitenbuch: Nein. Politik muss zeigen, dass eine heimische Erzeugung von Lebensmitteln gewollt ist, egal ob ökologisch oder konventionell. Das ist in den letzten zehn Jahren nicht mehr erkennbar gewesen. Stattdessen wurde vermittelt, wir können hierzulande auf Produktion verzichten, immer extensiver wirtschaften. Wir brauchen aber hocheffiziente Betriebe, die ihr Fach verstehen, die effizient mit den Ressourcen umgehen und kostenbewusst arbeiten.

Pragmatismus prägt den Agrarteil des Koalitionsvertrages. Wo erkennen Sie die langen Linien?

Von Breitenbuch: Bei der Tierhaltung gibt es Ansätze, den Betrieben langfristige Orientierung zu geben, wie es die Borchert-Kommission vorgemacht hat. Das ist auch für die Unternehmen in Ostdeutschland wichtig. Ansonsten werden insbesondere große Betriebe ihre Tiere abschaffen und sich auf Marktfruchtanbau konzentrieren. Die Versuchung ist groß zu sagen, wir lassen es sein mit der Tierhaltung. Deswegen ist eine Kernaussage im Koalitionsvertrag für mich, dass man der Tierproduktion eine Zukunft geben will.

Die Borchert-Kommission hat gezeigt, wie das gehen könnte. Können Sie nachvollziehen, dass weder die Borchert-Kommission noch die Zukunftskommission Landwirtschaft im Koalitionsvertrag auftauchen?

Von Breitenbuch: Nein. Beides wäre hilfreich gewesen, und ich hätte es gern gesehen.

Die Düngepolitik ist seit vielen Jahren Stückwerk, ineffizient, kaum nachvollziehbar, nicht zielführend. Reicht es, die Stoffstrombilanz zu streichen und die Düngeregeln in den Roten Gebieten zu lockern, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen?

Von Breitenbuch: Ich halte die Einteilung in Rote Gebiete und unbelastete Gebiete für nicht zielführend. Stattdessen bräuchten wir wie früher eine Düngestrategie über die Gesamtfläche, in der es den Betrieben überlassen bleibt, wie sie die Zielwerte beim Nitrat erreichen. Jetzt haben wir die Dauerdiskussion, warum der eine Betrieb in einem Roten Gebiet liegt, der Nachbarbetrieb jedoch nicht und für beide unterschiedliche Regeln gelten.

Wir bewegen uns nicht im rechtsfreien Raum. Die EU-Kommission hat bekanntlich mehr als ein Auge auf das, was Bund und Länder so treiben im Düngerecht…

Von Breitenbuch: Das ist unstrittig, ändert aber nichts an meinem grundsätzlichen Unbehagen. Kurzfristig brauchen wir Akzeptanz für die Roten Gebiete.

Kurzfristig brauchen wir Akzeptanz für die Roten Gebiete.
Georg-Ludwig von Breitenbuch

Wir versuchen das, indem wir das Messstellennetz ausweiten und verbessern. Ich bin aber nicht so vermessen zu sagen, damit machen wir uns unabhängig vom Zufall, ob ein Acker in einem nitratbelasteten Gebiet liegt oder nicht.

Gehen verursachergerechte Düngeregeln, ohne das einzelbetriebliche Daten zur Zu- und Abfuhr von Nährstoffen vorliegen?

Von Breitenbuch: Darüber und wie wir das handhaben können, wird mit der EU-Kommission zu sprechen sein. Die Novelle des Düngegesetzes wird eines der ersten Vorhaben sein, denen sich die neue Bundesregierung widmen muss. Wir brauchen zügig eine Lösung, die in Brüssel Akzeptanz findet und für die Betriebe verlässlich und vollziehbar ist.

Weniger Bürokratie ist eine Forderung, auf die sich Politik und Wirtschaft immer schnell einigen. Warum sollte diesmal gelingen, was bisher allenfalls ansatzweise geglückt ist?

Von Breitenbuch: Der Handlungsdruck war noch nie so groß und das auf allen Ebenen – EU, Bund, Land. Vonseiten der Wirtschaft, die in Vorschriften und Dokumentationspflichten erstickt. Aber auch vonseiten der Verwaltung, die längst an die Grenzen dessen kommt, was zu bewältigen ist. Hinzu kommen die Einsparzwänge der öffentlichen Hand, sodass uns gar nichts anderes übrig bleibt, als zu verschlanken und zu vereinfachen. Das sind konstruktive Vorzeichen für einen Wandel in Fragen der Bürokratie.

Was wollen Sie konkret erreichen?

Von Breitenbuch: Wir schauen uns alles an, hier im Ministerium und in den nachgeordneten Behörden. Ich bin frisch im Amt, ein lernender Minister und gehe unverstellt, aber ehrgeizig an die Themen. Ich bin dazu auch im Austausch mit meinen Länderkollegen, wir sind auf der Bundesebene und in Brüssel unterwegs. Auf allen Ebenen muss es einfacher werden- mir hilft dabei mein Blick aus der landwirtschaftlichen Praxis.

Die nächste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik steht an. Verteilungsfragen könnten in den Vordergrund rücken, wenn das Agrarbudget kleiner ausfällt als erwartet. Sind Sie darauf vorbereitet?

Von Breitenbuch: Wir ostdeutschen Agrarminister haben in Brüssel eindringlich vor Strukturbrüchen in unserer Landwirtschaft gewarnt, sollte es Einschnitte bei den Direktzahlungen geben, die einseitig zulasten unserer Betriebe gehen. Stichworte sind hier Kappung und Degression. Nach meinem Eindruck sind unsere Argumente auf fruchtbaren Boden gefallen. Wir werben für eine strikte Aufgabenteilung zwischen Erster und Zweiter Säule, mit einer soliden Basisprämie in der einen und einer attraktiven Agrarumweltförderung in der anderen.

Warum halten CDU und CSU an einer Einkommensgrundstützung über die Basisprämie fest, wohlwissend, dass sie größtenteils an die Verpächter durchgereicht wird und die Einkommenswirkung kaum noch gegeben ist?

Von Breitenbuch: Eine Flucht aus der Basisprämie würde zusätzliche Unsicherheit in die Betriebe bringen und das Gegenteil von dem bewirken, was wir in der gegenwärtigen Situation brauchen.

Eine Flucht aus der Basisprämie würde zusätzliche Unsicherheit in die Betriebe bringen und das Gegenteil von dem bewirken, was wir in der gegenwärtigen Situation brauchen.
Georg-Ludwig von Breitenbuch

Wir signalisieren damit, dass uns die Ernährungssicherheit in Deutschland und Europa wichtig ist. Und wir kompensieren mit der Basisprämie pauschal Aufwendungen für höhere Auflagen, die die hiesigen Betriebe erfüllen müssen. Bei alldem dürfen wir nicht vergessen, dass sich trotz steigendem Pachtanteil nach wie vor ein erheblicher Teil der bewirtschafteten Flächen im Eigentum der Landwirte befindet.

Eine vollständige Umschichtung der Direktzahlungen in eine betriebswirtschaftlich attraktive Förderung von Umwelt und Klimaleistungen, wie unlängst von DLG-Präsident Hubertus Paetow gefordert, wäre im Interesse der Betriebe und würde einer Groß-Klein-Diskussion entgegenwirken. Warum sperren Sie sich?

Von Breitenbuch: Kurzfristig ist es wichtig, Vertrauen in die Agrarpolitik wiederherzustellen. Dass es im Zeitablauf Änderungen geben muss und wird, steht außer Frage. Wir müssen aber die Schrittfolge einhalten. Vorstellbar für mich ist, die Basisprämie in der übernächsten Förderperiode zu diskutieren, vorausgesetzt wir schaffen Rahmenbedingungen zur Vermeidung der erwähnten Strukturbrüche.

Sie haben lange einen Familienbetrieb geführt, den jetzt Ihre Frau übernommen hat. Der überwiegende Teil der Flächen in Ostdeutschland wird nach wie vor von Agrargenossenschaften und Kapitalgesellschaften bewirtschaftet. Bleibt das so?

Von Breitenbuch: Das kann ich schlecht prognostizieren. Fest steht aber, die Agrarstruktur bleibt in Bewegung. Wir sehen Betriebe, die vom Nebenerwerb in den Haupterwerb wachsen, weil der Nachfolger Pachtflächen dazu bekommt. Es gibt sehr große, erfolgreiche Betriebe, die den Generationswechsel gut hinbekommen, andere jedoch nicht. Insgesamt läuft der Strukturwandel stabil, aber gedämpfter ab als im Westen.

Charakteristisch für die ostdeutschen Betriebe ist der hohe Anteil von Fremdarbeitskräften. Wird das immer mehr zum Engpass für die betriebliche Entwicklung?

Von Breitenbuch: Ja! Die Betriebe müssen um geeignete Mitarbeiter kämpfen. Sie stehen im Wettbewerb mit zahlreichen nichtlandwirtschaftlichen Unternehmen, die ebenfalls auf der Suche sind. Eine Folge dieses Wettbewerbs ist, dass sich die Löhne erhöht haben. Im Ackerbau können wir einigermaßen Schritt halten, auch weil sich die Arbeitsbedingungen weiter verbessert haben und die Arbeit moderner und anspruchsvoller, aber damit für viele trotz der Arbeitsspitzen im Sommer attraktiv geworden ist. In der Tierproduktion ist es schwieriger.

Ist die Mindestlohndebatte für die meisten Betriebe überhaupt relevant?

Von Breitenbuch: Ja. Wir befürchten, dass mit den angestrebten 15 Euro politisch eine Spirale in Gang gesetzt wird, die letztendlich die Betriebe überfordern wird.

Wir befürchten, dass mit den angestrebten 15 Euro politisch eine Spirale in Gang gesetzt wird, die letztendlich die Betriebe überfordern wird.
Georg-Ludwig von Breitenbuch

Eine Folge wäre, dass noch mehr Betriebe, als ohnehin zu erwarten ist, aus der Tierhaltung aussteigen und manche ganz aufhören. Mit 15 Euro am unteren Ende würde das gesamte Lohngefüge nach oben gehen. Das gebietet dann die Gerechtigkeit. Die Anpassung muss aber mit Maß erfolgen und mit der Produktivitätsentwicklung in den Betrieben Schritt halten.

Das zentrale Förderinstrument für die ländlichen Räume ist die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur. Laut Koalitionsvertrag soll die GAK finanziell gestärkt werden. Was ist größer, Ihr lachendes Auge, weil es mehr Geld gibt, oder das weinende Auge, weil Ihnen Kofinanzierungsmittel fehlen?

Von Breitenbuch: Schon im vorliegenden Haushaltsentwurf sind wir gezwungen, zu sparen, sodass wir nicht mehr überall kofinanzieren, wie wir es in der Vergangenheit getan haben. Wir müssen abwarten, ob, in welcher Höhe und mit welchen Prämissen die GAK-Mittel erhöht werden und werden dann entscheiden.

Wie tief werden die Einschnitte im Doppelhaushalt 2025/26 Ihres Ressorts?

Von Breitenbuch: Der Regierungsentwurf sieht Ausgaben von rund 1,4 Mrd. Euro vor. Das sind für den Bereich Umwelt und Landwirtschaft über 330 Mio. Euro weniger als im vorigen Haushalt. Bei der Investitionsförderung wird es keine Abstriche geben. Im Rahmen der Absatzförderung konzentrieren wir uns auf regionale Messen. Auf die Grüne Woche werden wir 2026 schweren Herzens verzichten.

Das geplante 500 Mrd. Euro-Infrastrukturpaket des Bundes regt sicher auch in Sachsen die Fantasie an. Was stellen Sie sich vor, damit erstens ländliche Räume angemessen berücksichtigt und zweitens die neuen Länder hinreichend beteiligt werden?

Von Breitenbuch: Für mein Ressort steht das Thema Trinkwasserversorgung im Vordergrund. Wir haben erheblichen Bedarf bei der Renovierung unserer Talsperren, um ein wichtiges Beispiel der Kritischen Infrastruktur und Daseinsvorsorge zu nennen. Ob Mittel aus dem Sondervermögen in den Umbau der Tierhaltung fließen werden, wird man sehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie über dieses Thema? Was beschäftigt Sie aktuell? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Gedanken, Fragen und Anmerkungen.

Wir behalten uns vor, Beiträge und Einsendungen gekürzt zu veröffentlichen.

Mehr zu dem Thema

top + Ihre Herausforderungen - unsere Antworten

Wir liefern Ihnen das Fachwissen, das Sie für Ihre Energieprojekte brauchen.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.