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Gastkommentar

Schulze: „Gemeinsam die Agrarreform in Deutschland voranbringen“

Umweltministerin Svenja Schulze will den Spielraum, den Deutschland bei der Umsetzung der EU-Agrarreform hat, größtmöglich ausnutzen. Dafür soll das Budget für Umweltleistungen sukzessive steigen.

Lesezeit: 6 Minuten

"Hauptsache lecker und billig, gerne auch mal gesund – lange ging es vielen Deutschen beim Essen vor allem darum. Heute sind die Erwartungen andere: Bei der Erzeugung unserer Lebensmittel sollen Tier und Umwelt möglichst wenig Schaden nehmen. Insektensterben, Nitrat im Grundwasser, Pestizidbelastung, Klimawandel, Tierwohl – die Probleme machen immer mehr Menschen Sorgen. Die Herausforderungen werden drängender: Mit dem Klimawandel haben Landwirt*innen schon jetzt zu kämpfen. Zunehmende Trockenheit, Hitze und Starkregen kosten Erträge und Einkommen. Der Verlust an Artenvielfalt gefährdet die Stabilität unserer Ökosysteme und die Leistung von Bestäubern.

Die europäische Agrarförderung macht es den Landwirt*innen nicht leicht.

Die Landwirtschaft hat das erkannt. Viele Bäuerinnen und Bauern sind zu Veränderungen bereit und suchen Möglichkeiten, naturverträglicher und trotzdem kostendeckend zu wirtschaften. Doch die europäische Agrarförderung macht ihnen das nicht leicht. Viele Landwirt*innen befürchten finanzielle Verluste, wenn sie umwelt-, tier- und naturverträglicher wirtschaften. Und das ist einer Situation, in der eh schon viele Höfe mit dem Rücken zur Wand stehen. Daher ist es jetzt höchste Zeit für eine echte Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Mit Signalwirkung auch für die Zeit nach 2027.

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Die Verhandlungen auf EU-Ebene sind noch nicht abgeschlossen. Aber die bisherigen Ergebnisse im Agrarrat und im EU-Parlament bleiben noch hinter den Erfordernissen zurück. Zurecht sagt der Vizepräsident der EU-Kommission, dass bei der Reform der GAP deutlich mehr getan werden muss, um mit den Zielen des European Green Deal im Einklang zu sein. Auch Kommissionspräsidentin von der Leyen sagt, dass bei der Neuausrichtung der Agrarpolitik noch viel Luft nach oben sei.

Die GAP-Reform gibt den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung viel Spielraum. Diesen gilt es sinnvoll zu nutzen.

Brüssel bestimmt jedoch nicht allein, wofür wir in Deutschland die über sechs Milliarden Euro Steuergelder jährlich aus dem EU-Agrarhaushalt einsetzen: Ganz maßgeblich haben wir das selbst in der Hand. Denn die GAP-Reform gibt den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung viel Spielraum. Diesen gilt es sinnvoll zu nutzen.

Bisher gibt es dafür noch kein schlüssiges Gesamtkonzept. Diese Lücke will das BMU auf dem Agrarkongress am 13. Januar 2021 schließen. Ich möchte dort Vorschläge vorstellen und diese mit Landwirt*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen diskutieren. Dabei habe ich folgende Erwartungen an den deutschen „GAP-Strategieplan“:

1. Gesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft honorieren

Ausreichende und gesunde Ernährung, Klimaschutz, Artenschutz, Tierwohl und faire Arbeitsbedingungen – all das muss die Agrarförderung stärken. Zuverlässig und verbindlich. Den nationalen GAP-Strategieplan sollten wir gezielt nutzen, um Landwirt*innen für ihre Leistungen für das Gemeinwohl zu entlohnen.

2. Die neuen Öko-Regelungen ambitioniert umsetzen

Die neuen Öko-Regelungen in der ersten Säule der GAP sind für die Neuausrichtung der Agrarpolitik entscheidend, da mit Ihnen erhebliche Mittel bereitgestellt und die Honorierung von Umwelt-, Natur- und Klimaschutzleistungen initiiert werden könnte. Doch das ist kein Selbstläufer. Entscheidend ist, wie sie ausgestaltet werden. Aus dem bisherigen „Greening“ haben wir gelernt: Es dürfen nicht wieder nur Maßnahmen zum Zuge kommen, die zwar einfach umzusetzen und zu verwalten sind, aber wenig bringen. Das Gesamtkonzept muss stimmen.

Mit den Öko-Regelungen sollten nur Maßnahmen gefördert werden, die sowohl effizient als auch langfristig wirksam sind und die unterschiedliche Standortbedingungen berücksichtigen. Daher muss auch die Höhe der Prämie je nach Standort unterschiedlich ausfallen. Ein regelmäßiges Nachsteuern muss möglich sein, um Umweltziele sicher zu erreichen.

Aus meiner Sicht ist es zentral, dass wir Anreize schaffen für Flächen mit hohem Artenschutzwert, für deutlich weniger Pestizid- und Düngemitteleinsatz, vielfältige Fruchtfolgen und eine flächengebundene Weidehaltung. Öko-Regelungen dürfen außerdem keine neuen Probleme schaffen, z.B. indem sie zur Aufgabe hochwertiger Vertragsnaturschutzflächen führen.

3. Klimaschutz ernst nehmen

Das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 ist nur gemeinsam mit der Landwirtschaft erreichbar. Die GAP-Zahlungen sollen einen maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das haben die Staats- und Regierungschefs so festgelegt. Damit das nicht nur auf dem Papier erfolgt, muss der Erhalt von Direktzahlungen an grundlegende Klimaschutzauflagen geknüpft werden. Dazu gehören zum Beispiel der schonende Umgang mit Moorböden, der Erhalt von Dauergrünland und der Humusaufbau im Ackerbau. Daneben muss es erhebliche zusätzliche Mittel für freiwillige Klimaschutz-Maßnahmen geben, wie die Erweiterung des Dauergrünlands und die Wiedervernässung von Mooren.

4. Zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für die Artenvielfalt

Vögel und Insekten brauchen ganzjährig artenreiche, vielfältige Lebensräume. Daher sollten wir auf 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche geeignete Lebensbedingungen schaffen für Biene, Schmetterling, Kiebitz, Rebhuhn, Feldhamster & Co. Das können Brachen sein, aber auch Blühflächen, Hecken und Raine. Und natürlich soll auf diesen Flächen auch noch Platz für eine besonders verträgliche Landwirtschaft sein: Getreideanbau in weiter Reihe oder mit Brache-Fenstern, artenreiches Grünland und extensiver Ackerbau.

5. Der Landwirtschaft Planungssicherheit geben

Der notwendige Wandel muss sich auch in Zahlen widerspiegeln. In Brüssel wird noch gerungen um den Mindestanteil für die neuen Öko-Regelungen. Ich finde, 30 Prozent der Direktzahlungen kann nur ein Anfang sein. Wenn wir gute Öko-Regelungen hinbekommen, sollten wir den Anteil in den Folgejahren schrittweise steigern. Sonst müssen wir noch mehr Gelder in die 2. Säule der GAP umschichten als wir ohnehin für die vorgegebenen Umweltziele brauchen, beispielsweise um den Vertragsnaturschutz bedarfsgerecht auszubauen. Daneben braucht der Ökologische Landbau ausreichende Mittel, um die Ausbauziele zu erreichen.

Das ist insgesamt ein ehrgeiziges Programm. Aber es ist notwendig, denn der Handlungsdruck steigt. Je länger wir zögern, desto tiefergreifende Veränderungen sind notwendig. Auch weil uns bei einem „Weiter so“ zunehmend nationale Gestaltungsspielräume durch Gerichtsurteile genommen werden könnten – wie das beim Düngerecht der Fall war.

Ich lade Sie ein, einen gemeinsamen Aufbruch zu wagen.

Die veränderten gesellschaftlichen Erwartungen aktiv aufzugreifen, bietet hingegen Marktvorteile und Planungssicherheit. Es liegt daher auch im Interesse der Landwirt*innen, die Möglichkeiten der GAP-Reform auf nationaler Ebene auszuschöpfen. So kann der GAP-Strategieplan ein Teil des Gesellschaftsvertrages mit der Landwirtschaft werden, für den die Zukunftskommission Landwirtschaft eingerichtet wurde und den das BMU seit Jahren fordert. Gemeinsames Handeln ist gefragt. Ich lade Sie herzlich ein, auf dem BMU-Agrarkongress am 13. Januar 2021 einen gemeinsamen Aufbruch zu wagen."

Gastkommentare geben nicht in allen Fällen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie, wenn wir den Inhalt für diskussionswürdig halten.

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