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Schwarzer Peter Spiel auf dem Rücken der Landwirte

Das Ping Pong Spiel um eine Verlängerung der Zulassung oder eines Totalverbotes von Glyphosat ab Ende 2017 geht in die nächste Runde. Am heutigen Donnerstag wird der PAFF-Ausschuß wegen der Untätigkeit der EU-Mitgliedstaaten zum wiederholten Male die Waffen strecken.

Lesezeit: 4 Minuten

Das Ping Pong Spiel um eine Verlängerung der Zulassung oder eines Totalverbotes von Glyphosat ab Ende 2017 geht in die nächste Runde. Am heutigen Donnerstag wird der PAFF-Ausschuß (Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed) wegen der Untätigkeit der EU-Mitgliedstaaten zum wiederholten Male die Waffen strecken. Ein abschließendes Votum ist - nach Einschätzung eines ranghohen EU-Diplomaten - auch diesmal nicht zu erwarten.



„MakeEurope great, No to Glyphosate” skandierten am Mittwochmittag vor dem Kommissionsgebäude Berlaymont am Schuman Platz lautstark rund 80 Demonstranten. Gestützt auf mehr als eine Million Unterschriften von EU-Bürgern, im Rahmen der in der EU neu zugelassenen „Europäischen Bürgerinitiative (EBI), forderten Aktivisten von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen in Brüssel ein Totalverbot des umstrittenen Pflanzenschutzmittels in der EU.



Um ihrer Fundamentalopposition medienwirksam Nachdruck zu verleihen, stießen sie mit lautem Getöse eine dreieinhalb Meter hohe Glysophat-Flasche vor dem Tagungsgebäude der Generaldirektion Gesundheit vom Sockel. „Die Zeit ist reif, Glyphosat vom Sockel zu holen. Wir brauchen eine moderne regional angepasste Landwirtschaft ohne Pestizide und keinen Allestöter, der wahrscheinlich Krebs auslöst, “ sagte Maria Lohbeck als EBI-Sprecherin in Brüssel.



Straßenkampf versus Nadelstreifen-Kontroverse



Abgesehen vom emotionalen Straßenkampf um Glyphosat, tobt seit Jahren im abgezirkelten Dreieck zwischen der EU-Kommission, dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament (EP) derweil ein Machtkampf im Nadelstreifen. Bei der Entscheidung über gesellschaftlich kontroverse Themen, wie der friedlichen Nutzung der Kernenergie, der Zulassung von Gen-Saaten oder Einfuhr von Gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in Mais, Kartoffeln oder Soya zur Viehfütterung beziehungsweise beim Gezerre um internationale Handelsabkommen wie Ceta (EU-Kanada) und TTIP (EU-USA), fällt der EU-Kommission immer häufiger die Rolle des Buhmannes in Europa zu.



Doppelmoral und Doppelte Blockade aus Berlin und Paris



Das Feilschen um europäische Kompromisse in der EU 28 (minus eins nach dem Brexit) wird immer häufiger - wegen fehlender Mehrheiten im EU-Ministerrat (der Vertretung der EU-Mitgliedstaaten) - von unzähligen zeitraubenden Vermittlungsverfahren –„Trilog“ im EU-Jargon genannt und dem sogenannten „Komitologie“-Verfahren bestimmt. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich ein Verhandlungs- und Abstimmungsverfahren zwischen den drei EU-Institutionen. Der EU-Kommission ist das Initiativrecht für europäische Gesetzentwürfe vorbehalten. Legt sie einen Verordnungs- oder Richtlinienentwurf – meist nach vorausgehenden Stakeholder-Konsultationen oder Internetbefragung vor - wie zuletzt zur Zukunft der GAP nach 2020 – läuft das eigentliche Gesetzesverfahren an.



Gibt es nach ein, zwei oder drei Trilog-Marathons noch immer keine Einigung oder erforderliche absolute oder qualifizierte Mehrheit, greift das im Lissabon Vertrag (EU-Vertrag) zuletzt modifizierte Komitologie-Verfahren. Die EU-Kommission ist gezwungen, wenn die EU-Mitgliedstaaten „keine Stellungnahme“ wie im Fachausschuss PAFF zu einer strittigen Frage wie Glyphosat abgeben oder keine ausreichende Mehrheit für oder gegen die Zulassung eines Stoffes zustande kommt, eigenständig zu entscheiden.



Frankreich und Deutschland sorgen derzeit durch ihre „Enthaltungen“ bei Abstimmungen im PAFF dafür, dass die EU-Kommission in Zugzwang kommt. Paris und Berlin schieben den „Schwarzen Peter“ der EU-Kommission zu. Der Koalitionszwist zwischen Barbara Hendricks (SPD) als Bundesumweltministerin als Contra-Glysophat-Anwältin und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) als Pro-Anwalt für eine weitere zehnjährige Zulassung von Glyphosat, neutralisiert sich auf EU-Ebene durch ein „Enthaltungsvotum“ in Brüssel.



Juncker will nicht länger den Buckel hinhalten

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Dem Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker „stinkt“ dieses Verfahren, wie ein EU-Diplomat sagt schon lange. Dass die EU-Mitgliedstaaten durch Enthaltungen bei Abstimmungen - vor allem der großen bevölkerungsreichen Mitgliedstaaten – „einfach abtauchen und der oft gescholtenen Brüsseler Behörde die „Drecksarbeit“ überlassen, will der politische Kommissionschef nicht länger durchgehen lassen.

Im April 2017 wartete die EU-Kommission daher mit einem Reformvorschlag des sogenannten Komitologie-Verfahrens auf. Demnach sollen künftig als eine wesentliche Änderung „Enthaltungen“ nicht mehr gezählt werden, sondern nur Ja- beziehungsweise Nein-Stimmen für ein abschließendes Votum herangezogen werden.



Erst unlängst sah sich die EU-Kommission erneut wegen Nichtzustandekommen von Mehrheiten Anfang Juli dazu gezwungen, die Neuzulassung für zwei gentechnisch veränderte Baumwollsorten und für die GV-Maissorten B111 x 59122x MIR604x1507xGA 21 sowie die Verlängerung der Zulassung von MON810 für rechtens zu erklären. Dabei stützt sich die EU-Kommission auf Unbedenklichkeits-Gutachten der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) in Parma.



Im Falle Glyphosat hat die Sprecherin von EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis gegenüber topagar online durchblicken lassen, dass sich die EU-Kommission bei erneutem „Hornberger Schießen“ im PAFF-Expertenausschuss in Brüssel nicht wieder die Schwarze Peter Karte hinschieben lassen wolle. „Enthaltung ist keine Entscheidung“, sagte der Chefsprecher der EU-Kommission am Tag vor dem anstehenden Votum. Der Luxemburger Juncker scheint entschlossen, gestützt auf seinen Juristischen Dienst, diesmal die Mitgliedstaaten zum Jagen treiben zu wollen. Die EU-Kommission fordert Paris und Berlin in die Pflicht. Ein neues Koalitionsmuster in Berlin könnte nach der Bundestagswahl die Karten neu mischen. Eine Reform des Komitologie-Verfahrens ist überfällig. Thomas A. Friedrich, Brüssel

 

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