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„So geht es nicht weiter“ – wie Meinungsbildung heute geht

Die normalen Medien verlieren nach Ansicht von Bauer Willi an Einfluss und auch der Typ der Meinungsbildner verändere sich rasant: Privatpersonen wird zunehmend mehr Vertrauen geschenkt. Zu diesen und anderen Ergebnissen kommt eine Studie des Marktforschungsunternehmens Rheingold Salon.

Lesezeit: 5 Minuten

Die normalen Medien verlieren an Einfluss und auch der Typ der Meinungsbildner verändert sich rasant: Privatpersonen wird zunehmend mehr Vertrauen geschenkt. Zu diesen und anderen Ergebnissen kommt eine Studie des Marktforschungsunternehmens Rheingold Salon. Bauer Willi (www.bauerwilli.com) sprach mit Rainer Pfuhler, dem dortigen Leiter Marketing und Unternehmenskommunikation.


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Herr Pfuhler, Sie haben vier verschieden Typen von Bürgern beschrieben. Welche sind diese?


Da ist zum einen der „gespaltene Bürger“. Er akzeptiert eine Vielfalt unterschiedlicher Meinungen nebeneinander, auch wenn diese erkennbar widersprüchlich sind. Beispiel Automobil: Spritsparen und Fahrspaß passt eigentlich nicht zusammen. Trotzdem wünscht man sich beides. Beispiel Energie: man wünscht sich mehr regenerative Energien, beim eigenen Stromtarif steht aber der der Preis dann wieder im Vordergrund. Beispiel Landwirtschaft: man ist gegen Massentierhaltung, möchte aber weiter günstig Lebensmittel einkaufen. In der Befragung der Bevölkerung betrug die Bereitschaft, zwei völlig unvereinbare Standpunkte gleichzeitig zu vertreten bis zu 60%.


Der zweite Typ ist der „saturierte Bürger“. Er möchte gerne den Status quo erhalten, Er beharrt egoistisch auf Besitzstandswahrung und ist auf die Berücksichtigung eigener Befindlichkeiten aus. Engagement, Risikobereitschaft und der Wille zur persönlichen Veränderung ist nicht gewünscht. Das macht es sehr schwer, neue Technologien oder Modernisierungen durchzusetzen.


Der dritte Typ ist der „überlastete Bürger“. Zwar äußert er sich in Sätzen wie „so kann es nicht weitergehen“, ist aber nicht bereit, sein persönliches Verhalten zu veändern. Er fühlt sich überfordert und überlastet. 76% der Befragten bejahten die Aussage „heute fühlt sich keiner mehr dafür verantwortlich, eine bessere Gesellschaft zu entwerfen“, und 77% stimmten der Aussage „man kann heute niemanden, der in der Öffentlichkeit steht, mehr trauen“ zu.


Der vierte Typ ist der „besorgte Bürger“, die wir auch mit „Angstfaszination Krise“ umschrieben haben. Krisenthemen waren Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen, Flüchtlinge, Datenmissbrauch, Klima, Terror und Massentierhaltung. Allerdings wird die Lage nicht als wirklich bedrohlich für Staat und Gesellschaft eingestuft. Etwa die Hälfte der Befragten äußerten sich , „dass ihnen lokale und regionale Ereignisse wichtiger geworden sind als das große Ganze“.


Wie hat sich denn die Meinungsbildung geändert?


In unserer Studie kommen wir zu der Erkenntnis, dass in jüngster Zeit das Rationale und das Emotionale die öffentliche Meinungsbildung prägen. Privates wird öffentlich gemacht, gerade auch durch die sozialen Medien. Immer mehr werden auch private Personen zu Personen des öffentlichen Interesses. Dies stellt die bisherigen Meinungsbildenden vor nie gekannte Herausforderungen. Jede Entschiedenheit ruft sofort Gegner auf den Plan, die alternative Lösungen propagieren und die Nachteile der Entschiedenheit aufzeigen. Diese Vielfalt der Meinungen und Positionen bringt Stress in den Alltag der Bürger, die dann oft Widersprüchliches zugleich einfordern um sich diesem persönlichen Stress zu entziehen.


Wie glaubwürdig sind Meinungsbildner noch? Oder besser, wer gilt als glaubwürdig?


Die Mehrheit der befragten Bürger vermutet, dass Wirtschaftsführer und politische Akteure sich primär nach eigenen Interessen richten, dies aber nicht zugeben. Große Glaubwürdigkeit hingegen genießen diejenigen Teilnehmer der öffentlichen Meinungsbildung, die ein hohes emotionales Engagement entwickeln, aber (scheinbar) nicht oder nur wenig entscheiden können: unabhängige Experten, Betroffene, NGO. Ihre Darstellungen werden am ehesten als echt, authentisch und glaubhaft angesehen.


Die relativ neuen Player NGO tragen private und emotionale Dimensionen vermehrt in die öffentliche Diskussion und machen sich zu deren Anwalt. Zum Teil versuchen Politik, Wirtschaft und Medien nun, die NGO als emotionales Sprachrohr für eigene Anliegen zu nutzen.


Welche Formen der Meinungsbildung haben Sie gefunden? Und wie wirken diese?


Da ist zum einen das Fachgespräch, in dem es um einen sachlichen Austausch der Meinungen geht. Neu dabei ist, dass nicht nur fachliche Lösungen gesucht werden, sondern auch solche, die emotional unterschiedliche Positionen zufrieden stellen. Dann gibt es die einfache Form der Regulierung.


Ein Beispiel aus der Vergangenheit: die Gurtpflicht oder der Katalysator beim Auto. Schließlich die Legitimierung, wie zum Beispiel die sich ändernde Einstellung zu Cannabis, das ja „auch nicht schädlicher ist als Alkohol“. Oder die Kompromissbildung: Man nutzt das Flugzeug, spendet aber für den dadurch entstandenen Umweltschaden.


Die beiden Punkte Spaltung und Scapegoating greifen ineinander: wenn die negativen Aspekte des eigenen Verhaltens mit starken Emotionen verbunden sind, wird der Produzent zum Sündenbock gemacht und an den Pranger gestellt. Deutlich wird dies beim Thema Massentierhaltung: die beklagten Zustände greifen dabei die seelischen Aspekte unsere eigenen Lebens auf. Der Begriff Massentierhaltung steht symbolisch und emotional für den Stress im Hamsterrad unseres Alltags mit immer höheren Leistungsanforderungen.


Sie haben die Branchen Energiewirtschaft – Automobil und Verkehr – Landwirtschaft und Ernährung besonders unter die Lupe genommen. Welche Konsequenzen sehen Sie für die öffentliche Meinungsbildung im Bereich Landwirtschaft und Ernährung?


Der Bereich Landwirtschaft und Ernährung steht im Spannungsfeld zwischen den Annehmlichkeiten moderner Produktionsformen und den Sehnsüchten nach stressfreieren Produktionsverhältnissen, wie sie etwa mit den Bildern einer traditionell-bäuerlichen Idylle verbunden sind. Die Produzenten werden zu Sündenböcken, die die empörenden Verhältnisse zu verantworten haben. Der eigene Konsum wird dadurch entlastet und entschuldigt.


Mit bloßen rational-vernünftigen Argumentationen wird dieser psychologische Mechanismus der Schuldzuweisung nicht auszuhebeln sein. Der Kampf um die öffentliche Meinung kann hier letztlich nur auf dem emotionalen Terrain gewonnen werden.

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