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Sommerinterviews 2018: Jan Philipp Albrecht: „Ich will die Agrarwende auch in der EU einleiten“

SommerinterviewsTeil 1: Jan Philipp ALBRECHT, (35), Die Grünen. Albrecht übernahm als 30jähriger die Berichterstattung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Am 1. September tritt er als Minister für "Draußen und Digitales" in Schlewig-Holstein an. Von Kiel aus will er die Agrarwende in Europa miteinleiten.

Lesezeit: 8 Minuten



SommerinterviewsTeil 1: Jan Philipp ALBRECHT, (35)

Jan Philipp Albrecht übernahm als innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament als 30jähriger die Berichterstattung des Dossier der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), die heute als globaler Maßstab im Datenschutz gilt. Am 1. September 2018 tritt der deutsch-französische Europa-Politiker als Nachfolger von Robert Habeck als Minister für „Draußen und Digitales“ in Schleswig-Holstein an.


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top agrar: Herr Albrecht, Sie haben im Europäischen Parlament als Berichterstatter das Grundgesetz für den Datenschutz, die Datenschutz-Grundverordnung (DG-VO), im globalen Maßstab auf den Weg gebracht. Ab 1. September treten Sie im beschaulichen Schleswig-Holstein die Nachfolge von Robert Habeck als Landwirtschafts-, Energie- und Umweltminister an. Was sind ihre Prioritäten im neuen Amt?


Albrecht: Meine Priorität liegt darin, die europäische Landwirtschaftspolitik derart zu beeinflussen, dass kleine Betriebe in Deutschland und gerade in Schleswig-Holstein - weiterhin eine Zukunft haben und dabei die Finanzierung des ökologischen Landbaues und auch von Zukunftstechnologien im Vordergrund stehen, damit Landwirte in Zukunft noch wirklich eine eigene Perspektive haben. Da glaube ich, kann ich Einiges mitbringen hier aus der Europäischen Union.


top agrar: Die Digitalisierung der Landwirtschaft ist bereits im vollen Gange. Wo sehen Sie die Chancen auch für bäuerlichen Betriebe wettbewerbsfähig zu bleiben?

Albrecht: Ich glaube, dass die Chancen in der Digitalisierung und Automatisierung der Landwirtschaft relativ groß sind, aber dass es dabei auch sehr viele Stolpersteine gibt. Einer der Stolpersteine beginnen jetzt schon für viele Landwirte relevant zu werden nämlich, dass man seine Daten des Betriebes und im Grunde genommen die ganze Berechnung der landwirtschaftlichen Betätigung abgibt. Also das Eigentum betrieblicher Daten an Technologiefirmen abgibt, die einem entsprechende Angebote machen.

Und dabei geben die Landwirte sehr viel Hoheit und Kontrolle über ihren eigenen Betrieb aus der Hand. Dabei besteht die Gefahr, dass sie möglichweise von der Digitalisierung nicht so sehr profitieren wie dies die Technologiefirmen tuen. Da müssen die Politik und auch die Landwirte selber sich auf Herausforderungen einstellen und sicherstellen, dass die Landwirte weiter Herr ihres eigenen Betriebes bleiben.


top agrar: Also so, wie Google und Facebook sowie andere Sozialplattformen Daten der EU-Bürger verkauft, veruntreut oder erschwindelt haben, so sehen Sie die Gefahr, dass auch die Landwirte gegenüber Landmaschinenfirmen oder Melkroboter-Ausstattern und Saatgutproduzenten ihre Daten komplett freigegeben?

Albrecht: Ja und darüber hinaus sehe ich das Problem, dass bestimmte Vertragsbedingungen gestellt werden, dass zum Beispiel Saatgut entsprechend gekauft werden muss bei dem Hersteller oder das bestimmte Einschränkungen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung mit fragwürdigen Vertragsbindungen einhergehen. Deshalb ist es besonders wichtig, um nicht in derartige Sackgassen zu geraten, dass die Landwirte zunächst einmal sorgfältig durchlesen und genau überlegen, ob sie dies wollen oder ob sie nicht stattdessen alternative Anbieter wollen. Die Politik ist hier gefordert und muss dafür sorgen, dass alternative Anbieter, die mit offenen Standards arbeiten und vielleicht kooperativ funktionieren, gezielt gefördert werden und entstehen können.


top agrar: Neben der Digitalisierung brennen den europäischen Landwirten derzeit vor allem die geplanten Kürzungen des EU-Agrarhaushaltes ab 2021 unter den Nägeln. Wie sehen Sie die Mittelverteilung im EU-Haushalt als künftiger Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein?

Albrecht: Wir haben jetzt schon als grüne Europafraktion klargemacht, dass eine solche Kürzung, so wie sie von EU-Haushaltskommissar Oettinger vorgeschlagen ist, nicht zukunftsfähig und nicht zielführend ist. Was er tut ist genau die Mittel zu kürzen, die in der Lage sind Nachhaltigkeit, Klimaschutz und eine Transformation in der Landwirtschaft zu fördern und er lässt die Mittel weitgehend unangetastet, bei denen es nur um die Quadratmetervergütung von Landwirtschaftsflächen in Europa geht. Es muss genau andersherum erfolgen. Es müsste dort investiert werden, wo es um Natur- und Klimaschutz und Anpassung der Landwirtshaft geht und es muss da gekürzt werden wo letztlich die EU-Mittel ohne irgendeine Zielsetzung - sprich Konditionalität - an die Landwirte ausgezahlt werden. Denn das bisherige Agrarfördersystem unterstützt vor allem die Betriebe, die diese Mittel an sich gar nicht benötigen.


top agrar: Also die Kürzungen vor allem in der zweiten Säule laufen einer Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft entgegen?

Albrecht: In der Tat, dies ist der falsche Ansatz. Wir müssen die zweite Säule weiter ausbauen und wir müssen mehr Mittel aus der ersten in die zweite Säule verschieben. Denn es braucht eine gewisse Zielsetzung in der Landwirtschaftsfinanzierung. Einfach nur Geld und europäische Steuermittel auszuzahlen, ohne an irgendwelche Anforderungen zu knüpfen, ist der falsche Weg. Das haben wir als Grüne auch immer gesagt. Die Gelder einfach so pauschal zu kürzen, zulasten der Landwirtschaft, ist sicher auch der falsche Weg.


top agrar: Thema Kappung. Die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sagt. Kappung sei nicht zielführend und würde nicht den bäuerlichen Betrieben dienen. Wie sehen Sie das?

Albrecht: Also ich glaube man kann über eine Kappung nachdenken, gerade da wo es um sehr große Betriebe geht, die letztendlich nicht gefördert werden müssen, allein aus ihrer Marktmacht heraus betrachtet. Da sehen wir ja zunehmend, dass große Betrieben kleine bäuerliche Familienbetriebe immer mehr in die Enge treiben und immer mehr kleine Betriebe übernehmen. Im Gegenteil müsste es bei der europäischen Agrarförderung in Zukunft dahinlaufen, dass kleinere und mittlere Betriebe stärker finanziert werden und stärker unterstützt werden als Großbetriebe. Kleinbetrieben würde vor allem dadurch geholfen, dass Mittel an Anforderungen gebunden werden. Denn dies würde ermöglichen, sich einfacher zu spezialisieren - also beispielsweise auf Ökolandbau oder zugunsten von bestimmten landschaftspflegenden Maßnahmen, was die großen Betriebe nicht leisten.


top agrar: Der Aufgabenzuschnitt ihres künftigen schleswig-holsteinischen Ministeriums wird auch das Energieressort umfassen. Was haben Sie sich da vorgenommen?

Albrecht: Wir wollen unsere Vorreiterposition bei der Energiewende als Land Schleswig-Holstein behaupten. Das heißt auch weiterhin stark auf den Ausbau von Erneuerbaren Energien zu setzen, aber auch gerade beim Netzausbau zur Verteilung von regenerativen Strommengen, die wir produzieren, nachzubessern. Es hilft ja nix, wenn wir Überschüsse beim Ökostrom produzieren, die nirgends abgerufen werden. Das bedeutet gleichzeitig, bei der Energieeffizienz und bei der Energieeinsparung nachzubessern.


top agrar: Was heißt das für die Landwirtschaft?

Albrecht: Ich glaube, dass wir in der Tat auch besonders in der Landwirtschaft noch ein beträchtliches Potenzial erschließen können. So kann zum Beispiel der Einsatz von bestimmten Technologien dazu beitragen kann, dass der Energieverbrauch reduziert wird und dass möglicherweise überschüssige Energien oder gewonnenen Biomasse schneller bilanziert und entsprechend weiter ausgenutzt werden. Das Ziel ist es, vorhandenes Restenergiepotenzial in der Landwirtschaft gewinnbringend zu nutzen.


top agrar: In der aktuellen Diskussion um die europäische Migrationspolitik erleben wir, dass gespeist durch Populismus immer mehr EU-Bürger sich vom Projekt Europa verabschieden. Was können Sie mit ihren europäischen Erfahrungen in Deutschland und Schleswig-Holstein einbringen?

Albrecht:Ich glaube, dass viele Menschen vor Ort erst einmal sehen und erkennen müssen, dass die Europäische Union bereits viele Schritte in ihrem Sinne unternommen hat. Gerade das Europäische Parlament hat viel unternommen, um Standards beim Schutz der Menschenrechte und Grundrechte in einer globalisierten und digitalisierten Welt zu schützen. Dies zu vermitteln, muss im Vordergrund stehen. Aber gleichzeitig muss es auch darum gehen, den Menschen einen Weg zu bieten, wie sie über die Landesregierung und der Bundesregierung europäische Politik mitgestalten. Den EU-Bürgern muss bei uns zu Hause vermitteln werden, dass dies nicht in einer Blase in Brüssel entschieden wird, sondern dies von unten von untern wachsen kann und der Bürger Teil europäischen Projektes sein können.


top agrar: Was werden Sie sich als Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein als Erstes vornehmen?

Albrecht: Das Wichtigste für mich ist, zunächst einmal einen Überblick zu bekommen und zu lernen was in Schleswig-Holstein die landwirtschaftlichen Strukturen angeht und was die Bedürfnisse der Landwirte sind. Das wird in der anstehenden Agrarreform in der Europäischen Union eine ganz zentrale Rolle spielen und ich möchte als Stimme auch aus Schleswig-Holstein in der europäischen Agrarreform hörbar sein und dafür sorgen, dass die GAP den Landwirten überall in Europa aber besonders auch in meinem Land entgegenkommt. Es geht mir darum, dass es gelingt eine Agrarwende, wie wir sie in Schleswig-Holstein schon angehen, auch anderswo in der EU anzuregen.


top agrar: Als Praktikant der ehemaliger grünen Europaabgeordneten Hiltrud Breyer haben Sie seinerzeit gesagt, dass Sie nach Brüssel, wenn schon eines Tages, dann als Abgeordneter zurückkommen wollten, was ja geklappt hat. Was ist jetzt ihr Rückkehrziel für Europa?

Albrecht:Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen auch wieder nach Brüssel zurückzukommen für einen spannenden Aufgabenbereich. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dann vielleicht als deutscher Kommissar zu machen. Aber ich kann mir auch Vieles andere in meinem Leben vorstellen. Ich bin jung genug in der Politik, um auch noch ein bisschen rum zu spinnen, was ich in zehn oder 20 Jahren mal mache. Jetzt geht es erst mal darum, in Schleswig-Holstein dieses Ministeramt ordentlich wahrzunehmen und das werde ich mit genauso viel Verve tun, wie ich das hier im Europaparlament getan habe.

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