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Tierwohl, Technik, Ethik: DLG diskutierte über Tierhaltung der Zukunft

In der Gesellschaft gibt es einen immer lauter werdenden Protest gegen die landwirtschaftliche Tierhaltung, die mit den moralischen Ansprüchen vieler Menschen im Umgang mit Tieren in Konflikt gerät. Fachleute diskutierten auf der DLG-Wintertagung in Münster über Ethik und Technik in der Nutztierhaltung.

Lesezeit: 8 Minuten

In der Gesellschaft gibt es einen immer lauter werdenden Protest gegen die landwirtschaftliche Tierhaltung, die mit den moralischen Ansprüchen vieler Menschen im Umgang mit Tieren in Konflikt gerät. Fachleute diskutierten auf der DLG-Wintertagung in Münster über Ethik und Technik in der Nutztierhaltung.


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Die DLG-Ausschüsse für Tiergerechtheit und Technik in der Tierhaltung haben zur DLG-Wintertagung 2018 das spannende Thema der Ethik und Technik in der Nutztierhaltung in das Forum geholt. Den Anfang machte ein Impulsvortrag von Prof. Dr. Peter Kunzmann, der Angewandte Ethik in der Tiermedizin an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover lehrt. Ihm folgten weitere Experten sowie eine Praktikerin aus dem Milchviehbereich, die kurze Statements zum Thema abgaben.

 

Prof. Kunzmann stellt einen entscheidenden Wandel fest, nämlich dass sich sehr viele Menschen außerhalb der Landwirtschaft für Nutztiere und deren Wohlergehen kompetent und zuständig erklären. In vielen Schichten „der Bevölkerung“ existieren sehr verschiedene Bilder über das, was in der Landwirtschaft passiert, und sehr viele Urteile darüber, ob es gut oder schlecht ist, was in der Nutztierhaltung geschieht. Das sei keine Luxusdebatte, sondern eine grundsätzlich neue Überlegung, um den moralischen Status von Tieren neu zu überdenken. Tiere werden heute als subjektiv empfindungs- und leidensfähig gesehen und man billigt ihnen Bedürfnisse zu.

 

Das führt zur Frage, was Menschen mit Tieren überhaupt in ihrer Moral machen? Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ethik und Moral zwei verschiedene Dinge sind. Während Ethik die Reflexion auf die Prinzipien guten Handelns ist, versteht man unter Moral die Wirklichkeit von Überzeugungen über das gute Handeln. Ethik ist weder Moral noch „Tierschutz plus“, sondern ein Nachdenken darüber, warum der Mensch bestimmte Dinge mit Tieren tut oder nicht.

 

Tierschutz besteht im Kern darin, umfassend Rücksicht auf die Interessen der Tiere zu nehmen und die Verantwortung in allen Bereichen der Mensch-Tier-Beziehung wahrzunehmen. Die ethische Dimension besteht darin, dies der Tiere willen zu tun. Wenn man Tiere nutzt, ist es ein Gebot, die Belastung aufseiten der Tiere soweit es geht zu minimieren.

 

Das Thema des ethischen Tierschutzes hat sich durch Gruppen in der Gesellschaft zugeschärft, die nicht nur fordern, Tiere zu schützen, sondern auch eine umfassende Rücksicht auf die Interessen der Tiere einfordern. Gute Nutztierhaltung bedeutet, sichere und bezahlbare Lebensmittel mit möglichst geringen Belastungen für die Tiere und für die Umwelt herzustellen. Das ist ethisches Prinzip und moralischer Anspruch zugleich. Darüber kann man mit anderen Menschen reden, vor allem wenn einem klar ist, wo diese herkommen und was die Voraussetzungen des eigenen Handelns sind.


Die Technik, das Know-how und der Wille dafür sind da. Will man dies einer Gesellschaft kommunizieren, vor allem einem kritischen Teil davon, fehlt nur die Überlegung, tierethische Aspekte in die Ausbildung mit einzubeziehen. Dies würde den Dialog und Diskurs zwischen der Landwirtschaft und der Gesellschaft außerordentlich befördern. Dazu Prof. Kunzmann: „Das würde auch der Bevölkerung gut tun. Denn die Landwirte sind die Kompetenten und können es den Menschen erklären. Und viele warten darauf, dass sie es tun.“


Kehrtwende zu weniger Technik in der Tierhaltung

 

Prof. Dr. Wolfgang Büscher vom Institut für Landtechnik der Universität Bonn sieht vordergründig einen Zielkonflikt darin, viel Technik in der Tierhaltung einzusetzen und dies gleichzeitig mit ethischen Ansprüchen sowie Forderungen der Gesellschaft in Einklang zu bringen. Gleichwohl gibt es in der aktuellen Tierhaltung eine Kehrtwende hin zu einem geringeren Technikeinsatz, etwa durch die Entwicklung von Großgruppen in Ställen.

 

Ein aktueller Trend ist die Informationstechnologie, mit der berührungslos Informationen über den Zustand der Tiere und im weitesten Sinne auch über deren Wohlbefinden gesammelt werden. Die Auswertungstechnologie stellt hier ein riesiges Betätigungsfeld für die Zukunft mit großen Potenzialen dar. Die landwirtschaftliche Forschung ist dabei aber auf Sensorik aus dem außerlandwirtschaftlichen Bereich, etwa der Sportmedizin, angewiesen, da es bislang keinen eigenen Sensor nur für Tierwohlerhebungen gibt.

 

Prof. Büscher wirft außerdem zwei Begriffe auf, die seiner Meinung nach diskutiert werden sollten, nämlich den eines verpflichtenden Prüf- und Zulassungsverfahrens und den eines Sachkundenachweises für Tierhalter. Beides würde dazu beitragen, ein verbessertes Standing in der Gesellschaft zu bekommen.   


Haltungsform darf nicht zu Stress und Schäden führen

 

Tiere möchten in der Haltung ihr natürliches Verhalten ausleben. Sie möchten keine Schmerzen und Leid erleiden oder erfahren müssen, betont Dr. Lars Schrader, Leiter des Friedrich-Löffler-Instituts für Tierschutz und Tierhaltung. Das erfordert eine Haltungsform, die nicht zu Schäden und Stress bei den Tieren führt, und ein empathisches Management durch den Tierhalter, der frühzeitig Probleme erkennt und schnell behebt. Eine strukturierte Haltung und Funktionsbereiche mit unterschiedlichen Klimazonen sind beispielhafte Lösungen hierfür.

 

Bei der Tierhaltung in Ställen gibt es einen Konflikt zwischen den Erwartungen der Gesellschaft nach natürlicher Haltung und einer Gestaltung der Haltungsumwelt durch Technik. Sensortechnik kann hier beispielsweise den Tierhalter dabei unterstützen, durch die Lieferung wichtiger Daten das Management zu optimieren und gleichzeitig für den Verbraucher die gewünschte Transparenz zu schaffen.

 

Derzeit nimmt man den Tieren noch alles ab; sie müssen keine Nahrung suchen und keine eigene Thermoregelung durchführen. Obwohl Nutztiere intelligente Lebewesen sind, entmündigt man sie noch weitgehend. Diese Intelligenz sollte man für eine intelligente Stallhaltung stärker nutzen, beispielsweise für ein motivationsabhängiges Aufsuchen des Melkstandes. Die Vision ist eine Technik-Tier-Interaktion, bei der Tiere mit der Technik interagieren und so selber teilweise eine Kontrolle über ihre Haltungsumwelt erhalten.   


Sind Gesetze das, was den Tieren gut tut?  

 

Die Bedingungen des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung müssen eingehalten werden. Erst wenn das erfüllt ist, dürfe man über Tierwohl reden, stellt Prof. Dr. Wilfried Hopp heraus. Der Leiter des Veterinärdienstes des Landkreises Soest fragt gleichzeitig, ob das, was zurzeit Recht und Gesetz ist, auch das ist, was den Tieren gut tut? Wer Tiere nach der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung hält, erfüllt nicht den Grundsatz einer möglichst geringen Belastung der Tiere. Beispiele dafür finden sich bei Mastschweinen, Geflügel und Milchkühen. Der derzeitige gesetzliche Stand ist vielleicht nicht tierschutzwidrig, er muss aber stark zu denken geben, wenn man ethische Gesichtspunkte mit einbezieht.

 

Prof. Hopp fordert die Tierhalter auf, offensiv mit dem Thema Tierschutz umzugehen. Denn diese Herausforderung wird alle in der Landwirtschaft in der Zukunft begleiten, egal ob man über Technik, Ethik oder amtsärztlichen Tierschutz redet.


Artgerechte Haltung ist immer ein Kompromiss

 

Anita Lucassen, Milchviehhalterin aus dem Oldenbuger Münsterland, gibt ein klares Statement ab: „Wir tragen täglich die Verantwortung für jedes unserer Tiere – vom kleinsten Kalb bis zur ältesten Kuh. Jeden Tag begleiten wir unsere Tiere, und wir müssen uns jedes Mal bewusst machen, dass wir für jedes einzelne dieser Tiere die Verantwortung tragen.“ Eine artgemäße landwirtschaftliche Nutztierhaltung ist immer ein Kompromiss zwischen der Nutzung durch den Menschen und den natürlichen Ansprüchen der Tiere. Man muss deshalb sein Handeln tagtäglich neu danach beurteilen, welche Techniken nötig sind und auf welche man verzichten kann. Am Beispiel der Kälberenthornung und des Drenchens von neugeborenen Kälbern zeigt sie, wie diese Tätigkeiten auf dem Betrieb gehandhabt werden.

 

Wichtig ist es, auch über kritische Themen zu reden, z. B. in den sozialen Netzwerken, auf Hofführungen oder bei anderen Gelegenheiten. Die Erklärung seines eigenen Tuns darf man nicht den Tierschutzverbänden überlassen. Auch auf die Macht der Bilder geht sie ein, die Landwirte ins Netz stellen. Man müsse wieder Hoheit über die Bilder bekommen.

 

Anita Lucassen formuliert am Ende ihrer Ausführungen zwei Grundsätze für einen verantwortungsvollen Umgang mit Tieren: Die Ethik des Tieres darf nicht über die des Menschen gestellt werden, etwa indem durch Verzicht auf Enthornung Menschen gefährdet werden können. Des Weiteren darf die Folge auf einen Verzicht auf eine Technik nicht größeres Leid bei den Tieren verursachen, als durch die angewendete Technik entstanden wäre


Sachkundenachweis für Tierhalter?

 

Bei der anschließenden Diskussion wurden unterschiedlichste Aspekte angesprochen, die von der Frage nach einer rassespezifischen Haltung von Nutztieren über die Tiergerechtheit bei der Nutzung von Hochleistungskühen bis zum Zusammenhang von Tierschutz und Tiernutzung reichten. Auch die Frage nach einem Sachkundenachweis für Tierhalter wurde noch einmal aufgeworfen, wo doch Tierschutz schon Teil der Ausbildung sei. Hier wurde auf das Beispiel des Pflanzenschutz-Sachkundenachweises verwiesen, der eine große Entspannung in die Diskussion gebracht habe. Die Gesellschaft akzeptiere vieles erst, wenn sie es schwarz auf weiß lesen könne.

 

In ihrem Schlusswort stellte Moderatorin Dr. Christiane Müller heraus, dass die Vorträge und die Diskussion wichtige Erkenntnisse gebracht hätten. Man habe viel erfahren, wohin sich die Nutztierhaltung entwickeln und worauf man künftig den Schwerpunkt ausrichten solle. Das, so die Vorsitzende des DLG-Ausschusses für Tiergerechtheit, stimme zuversichtlich.

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