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Tierwohlsiegel: Zum Erfolg verdammt

Die staatliche Tierwohlkennzeichnung steht unter enormem Erfolgsdruck. Julia Klöckners politische Reputation als Landwirtschaftsministerin hängt davon ab. Floppt das Label, ist die mediale Ausschlachtung dessen gewiss, kommentiert top agrar Berlin Korrespondentin Stefanie Awater-Esper.

Lesezeit: 5 Minuten

Das staatliche Tierwohllabel ist das bislang konkreteste Vorhaben aus dem Landwirtschaftskapitel im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Klöckner hatte bereits in den Koalitionsverhandlungen das Label zu ihrem Projekt gemacht. Die politische Misere um die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration und deren Alternativen, die Klöckner bei jeder Gelegenheit unter die Nase gerieben wird, bringt sie zusätzlich unter Zugzwang.

Erstes Labelfleisch vor der nächsten Bundestagswahl

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Der Druck ist auch daher so groß, weil ihr Vorgänger Christian Schmidt das Label so lange zerredet hat. Die Wirtschaft hat in der Zwischenzeit mit der Initiative Tierwohl und der einheitlichen Haltungskennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels Fakten geschaffen. Sie lassen den Staat und die Verantwortlichen in der Agrarpolitik alt aussehen. Ganze vier Jahre nachdem der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik im Jahr 2015 ein einheitliches staatliches Tierwohllabel empfohlen hat, gibt es erst jetzt Kriterien und die auch nur für Mastschweine. Die ersten gelabelten Fleisch- und Wurstprodukte sollen 2020 im Handel liegen. Da bleibt immerhin zeitlich noch etwas Luft bis zur nächsten Bundestagwahl im Jahr 2021.

Auch die europäischen Nachbarn schauen genau darauf, wie Deutschland das Tierwohlkennzeichen gestaltet und einführt. Deutschland ist auf Grund seiner Größe der Bevölkerung ein wichtiger Verbrauchermarkt für alle Europäischen Lebensmittelproduzenten und ein Signalgeber zugleich. Der EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis hat auf der Grünen Woche 2019 bereits angekündigt, das deutsche Label zum Ausgangspunkt für eine europäische Lösung zu nehmen.

Die Finanzierung ist nicht gelöst

Das größte Problem des staatlichen Siegels ist aber die Finanzierung. Und das, was das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) da anbietet, ist bestenfalls dürftig. Konkrete Förderprogramme für Tierwohlställe sind bis heute nicht mit den Ländern fertig ausgearbeitet. Die Gespräche laufen, heißt es dazu von Klöckner. Konkrete Fördersummen scheut sich das BMEL aber zu nennen. Dabei weiß es doch schon seit 2015 aus dem Gutachten des wissenschaftlichen Beirats, wieviel der Umbau der gesamten Tierhaltung kostet, nämlich 3 bis 5 Mrd. € pro Jahr. Ein Teil des Geldes wäre da: Klöckner hat bei den Koalitionsverhandlungen Anfang 2018 für die Legislaturperiode immerhin 1,5 Mrd. € mehr für ihr Ministerium raushauen können und versprochen, dass es auch in Tierwohlprogramme fließen soll.

Es sieht also so aus, als müssten die Landwirte in Vorleistung gehen, wenn sie sich auf das Tierwohllabel einlassen. Die Zusatzkosten können happig ausfallen. Das BMEL rechnet schon in der Basisstufe mit Preisaufschlägen für Labelfleisch von 10 bis 12 € für ein ganzes Schwein. Stand heute dürfte die Refinanzierung über Förderprogramme nicht gelingen. Auch an der Ladentheke lassen sich die Kosten wohl kaum wieder einspielen. Das lassen die Untersuchungsergebnisse der Universität Osnabrück in 18 Supermärkten in der Region Minden-Hannover befürchten. Dort hatten Ende 2018 nur 16 % der Kunden einen Tierwohlartikel anstelle von konventionell erzeugter Ware gekauft. Es ist naiv zu glauben, dass der Verbraucher den gewünschten Umbau der Tierhaltung vollständig über den Ladenpreis finanziert.

Es muss Genehmigungen für den Umbau geben

Offen ist zudem, wie Klöckner den Zielkonflikt zwischen Tierwohl- und Umweltvorgaben lösen will. Was nützt es, wenn der Bauer in mehr Tierwohl investieren will und kann, aber nicht darf? Die Tierwohlwende gelingt nur, wenn Behörden auch Um- und Ausbauten genehmigen. Dafür muss sich Klöckner mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze zusammenraufen.

Auch die Landwirte sind mit dem Siegel zum Erfolg verdammt. Denn der kritische deutsche Verbraucher hat nun einen Kompass, den er von der Schweinehaltung erwartet. Nach unten wird er seine Erwartungen nicht mehr anpassen, höchstens erhöhen. Dass der gesetzliche Mindeststandard nach und nach aus den Regalen gedrängt werden soll, ist programmiert. Unter der Hand ist klar, dass die Stufe 1 des Labels künftiger Standard der Schweinehaltung sein wird. Eine spätere Anpassung der gesetzlichen Haltungsverordnung ist nicht ausgeschlossen.

Ausschluss der Ökobetriebe schadet dem Image

Das BMEL hat mit dem Label zum Schluss viele Interessengruppen eingebunden. Gut, dass der Sack jetzt zu ist und es endlich an die Umsetzung geht. Nur eine Gruppe hat das BMEL vollkommen verprellt - die Ökolandwirtschaft. Die wettert nun massiv gegen das Siegel. Das tut der Glaubwürdigkeit des Siegels nicht gut. Zwar hängt das Tierwohl auf Ökobetrieben genauso vom Management und der Kompetenz der Betriebsleiter ab wie bei ihren konventionellen Kollegen. Dennoch haben die Ökoverbände schon seit langem Tierwohlstandards, die der höchsten Stufe des Labels entsprechen oder höher liegen. Die Enttäuschung, das nicht – als Alleinstellungsmerkmal - mit dem staatlichen Label ausloben zu dürfen, ist groß. Sie führt dazu, dass es weiter ein Gegeneinander von Bio und Konventionell geben wird. Das ist schade.

Eine 2. Chance gibt es nicht

Die Kritiker des Labels, die sich vor allem an der Freiwilligkeit stören und lieber eine verpflichtende Haltungskennzeichnung gehabt hätten, sitzen lange in den Startlöchern. Floppt das Label, ist die mediale Ausschlachtung dessen gewiss. Und einen weiteren Anlauf für ein staatliches Tierwohllabel wird der Verbraucher weder dem BMEL noch der Landwirtschaft ohne massiven Einbruch an Glaubwürdigkeit gewähren.

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