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Rechnungsdebakel der NLG

top agrar-Recherchen beschäftigen Landtag in Niedersachsen

Der Niedersächsische Landtag hat aufgrund des top agrar-Beitrages „Das Rechnungsdebakel der NLG“ Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast ins Kreuzverhör genommen.

Lesezeit: 6 Minuten

Warum verlangt die Niedersächsische Landgesellschaft (NLG) von Landwirten für Planungsarbeiten Hunderttausende von Euros nach – rund drei Jahre nachdem diese ihre Abschlussrechnungen beglichen haben? Die FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag konfrontierte am Freitag (31.1.2019) Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast mit den Rechercheergebnissen der top agrar-Redaktion (Rechnungsdebakel der NLG, Ausgabe 1/2020, Seite 36). Die Ministerin ist seit 2017 Aufsichtsratsvorsitzende der NLG. Ausführliche Hintergrundinfos zu den Vorgängen finden Sie weiter unten.

Wer auf klärende Antworten gehofft hatte, wurde enttäuscht. Die Ministerin berief sich zum einen auf das nach wie vor laufende Gerichtsverfahren und zum anderen auf das Verschwiegenheitsgebot für Aufsichtsratsmitglieder. Daher wolle sie sich nicht ausführlich zu den Gründen äußern. Sie versicherte aber, dass keine weiteren ehemaligen Auftraggeber der NLG mit Nachforderungen rechnen müssten.

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Weitere Prozesse?

Über die Gründe für die existenzbedrohenden Nachforderungen kann daher auch weiterhin nur spekuliert werden. Möglicherweise zieht die NLG gegen ihren EX-Leiter der Hochbauabteilung zu Felde, der selbst an einer der drei Anlagen beteiligt ist. Die Landgesellschaft warf ihm vor ein paar Jahren vor, er habe ein viel zu niedriges Angebot für die eigene Anlage eingereicht. Außerdem hätte er die Vorgaben der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht eingehalten. Es kam zum Streit, weshalb sich die NLG und der Mitarbeiter einvernehmlich trennten.

Miriam Staudte von Bündnis 90/Die Grüne machte Otte-Kinast darauf aufmerksam, dass die NLG vermutlich auch in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof scheitern dürfte. „Wie ist denn dann das weitere Vorgehen der NLG, wenn der Prozess verloren werden sollte?“, wollte die Abgeordnete wissen. Ob man den Ex-Mitarbeiter auf Schadenansprüche verklagen wolle. Otte-Kinast äußerte sich dazu ausweichend: Man werde als Aufsichtsrat den weiteren Prozess begleiten.

Sollte die NLG gegen ihren Ex-Mitarbeiter klagen, dürften nach derzeitigem Stand die Aussichten auf Erfolg gegen Null tendieren. Bereits damals stellte eine Innenrevision dem Mitarbeiter ein sauberes Zeugnis aus. Die vereinbarten Konditionen seien branchenüblich und lagen teilweise über dem Durchschnitt. In einem weiteren Verfahren vor einem Arbeitsgericht gaben die Richter dem Ex-Mitarbeiter ebenfalls Recht. Zudem hat der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr die Mindest- und Höchstsätze der HOAI für ungültig erklärt.

Realsatire und Vertrauensverlust

Bei den Abgeordneten im Landtag sorgten das Gebaren der NLG überwiegend für Kopfschütteln. Otte-Kinasts Parteikollege, Dr. Marco Mohrmann, nannte die Vorgänge „befremdlich“. Karin Logemann von der SPD sprach von „irritierend“. Herman Gruppe von der FDP verwies darauf, dass die NLG bei den Landwirten Vertrauen verspielt und bei den Richtern für Staunen gesorgt habe. Dana Guth von der AfD sprach von Realsatire.

Den Mitschnitt von der Debatte im Landtag finden Sie hier: Mitschnitt der Debatte

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Die Hintergründe zum Rechnungsdebakel

Vor rund zehn Jahren beauftragen drei Gesellschaften aus Südniedersachsen die NLG mit verschiedenen Planungsarbeiten für den Bau von Biogasanlagen. Unter anderem kümmerte sich das Unternehmen um die Siloplatten, die Lkw-Waage, die Genehmigungen oder das Wärmekonzept. Die Zusammenarbeit mit der NLG klappte reibungslos, weshalb die rund ein Dutzend Landwirte ihre Abschlussrechnung auf Heller und Pfennig begleichen.

Die sechsfache Summe

Rund drei Jahre später konfrontiert die NLG Landwirte mit neuen Rechnungen. Rund 400.000 bis 760.000 € sollen die einzelnen Gesellschaften nachzahlen – teilweise das rund Sechsfache der ursprünglichen Rechnungssummen. Fälligkeit: sofort. Wenig später erlässt die NLG auch noch Zinsbescheide gegen die Betroffenen. Zinssatz: 9 %-Punkte über dem jeweils gültigen Basiszinssatz. Bis zu 190.000 € brummt sie den Landwirten in einem Fall zusätzlich auf.

Die NLG beruft sich unter anderem auf die HOAI – der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Man habe sich aus Versehen nicht an die Vorgaben der Verordnung gehalten und vergessen, einige Leistungen abzurechnen, so die NLG sinngemäß. Um das zu beweisen, hat sie eigens einen Gutachter engagiert, der auf Hunderten von Seiten auflistet, warum aus seiner Sicht die ursprünglichen Rechnungen zu niedrig ausgefallen sind.

NLG zerrt Landwirte vor Gericht

Die Rechnungen beglichen die Betroffenen erst einmal nicht und ließen es auf eine Klage ankommen. Die kam wie erwartet. Die NLG zerrte alle drei Gesellschaften vor Gericht – und verlor sowohl in erster als auch in zweiter Instanz.

Die Richter urteilten: Die NLG verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Schließlich habe sie mit den Landwirten Pauschalpreise vereinbart. Zudem stand auf den Rechnungen „Schlussrechnung“. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die NLG erst Jahre später ein Gutachten erstellen lasse und die Gesellschaften erneut zur Kasse bitten wolle.

Imaginäre Misthallen

Zudem konnten die Gerichte in dem NLG-Gutachten Fehler nachweisen. Teilweise hatte der Gutachter sogar Leistungen doppelt abgerechnet. In einem Gutachten rechnete der Gutachter unter anderem eine Misthalle ab, die nie gebaut wurde. Zudem verstoßen die Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen europäisches Wettbewerbsrecht. Das hat die EU zwar 2010 bereits in einer Richtline festgelegt. Weil Deutschland aber zunächst an den alten Regeln der HOAI festhielt, gab es Streit zwischen Berlin und Brüssel vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dort urteilten die Richter im Juli dieses Jahres: Die Mindest- und Höchstsätze sind ungültig.

Eine Gesellschaft kann mittlerweile aufatmen. Die NLG hat die Niederlage vor Gericht akzeptiert. Die übrigen Landwirte müssen weiter bangen. Die NLG hat Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Grund: Zwar sind die Mindestsätze in der HOAI unzulässig. Die Richter am EuGH ließen aber offen, ob sie das auch bereits in der Vergangenheit waren, also zum Zeitpunkt, als die Biogasanlagen gebaut wurden. Die Verfahrenskosten belaufen sich mittlerweile auf rund 500000 €.

Es bleiben Fragen

Angesichts solcher Summen und der geringen Chancen, vor dem BGH zu gewinnen, drängt sich die Frage nach dem „Warum“ auf. Es gibt Spekulationen, keine Belege. Möglicherweise zieht die NLG gegen einen EX-Mitarbeiter zu Felde, der selbst an einer der drei Anlagen beteiligt ist. Die NLG warf ihm vor, er habe ein viel zu niedriges Angebot für die eigene Anlage eingereicht. Außerdem habe er die Vorgaben der HOAI nicht eingehalten, obwohl die Verträge von der Geschäftsführung oder dem Aufsichtsrat abgesegnet wurden.

Eine Innenrevision stellt dem Mitarbeiter aber sauberes Zeugnis aus. Die vereinbarten Konditionen seien branchenüblich und lagen teilweise über dem Durchschnitt. In einem weiteren Verfahren vor dem einem Arbeitsgericht gaben die Richter dem Ex-Mitarbeiter ebenfalls Recht.

Ministerin mittendrin

Mitten drin im Debakel: Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast. Seit 2017 ist sie Aufsichtsratsvorsitzende der NLG. Auf top agrar-Anfrage wollte sich Ministerin Barbara Otte-Kinast im Dezember 2019 nicht äußern. Es handle sich um ein laufendes Verfahren, zu dem man derzeit keine Stellungnahme beziehe.

Den Beitrag in kompletter Länge und mit der Stellungnahme der NLG finden Sie hier: Rechnungsdebakel der NLG

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