Das Erstaunliche am Vorschlag der Borchert-Kommission ist die breite Zustimmung: Fast alle landwirtschaftlichen Verbände, wichtige NGOs, Wissenschaft, Bundestag und Bundesrat stehen dahinter. Kern des Vorschlags ist die langfristige Anhebung des Tierwohlniveaus (bis 2040) auf einen von der Gesellschaft akzeptierten und weltweit führenden Standard – bei verlässlicher Zusicherung, dass der wesentliche Teil der Mehrkosten über staatliche Zahlungen abgesichert wird.
Die Machbarkeitsstudie zeigt, dass dies europarechtlich geht. Jetzt lautet die Frage: Bekommen wir dieses Paket „in den Stall“? Gespräche mit Landwirtinnen und Landwirten zeigen, dass es noch erhebliche Skepsis an der Basis gibt. Es geht einmal um Fragen hinsichtlich der Entwicklungsrichtung: Ist der Außenklimazugang in Zeiten von ASP nicht riskant? Ist der Spaltenboden nicht besser? Ist ein Kupierverzicht in der Putenhaltung umsetzbar?
Solche Fragen sind auf den ersten Blick berechtigt, aber rückwärtsgewandt. Zielführender wäre: Wie können wir Außenklimaställe so gestalten, dass sie pandemietauglich sind? Wie kombinieren wir verschiedene Bodenbeläge so, dass sie für das Tier und arbeitswirtschaftlich passen? Wie bringen wir Haltung und Züchtung so voran, dass Puten unversehrt bleiben? Hier brauchen wir jetzt den Sachverstand, die Tüftler und Pioniere unter den Landwirten, nicht die Bedenkenträger.
Es gibt noch eine zweite Gruppe von Zweiflern: Werden die Zahlungen nicht mit der nächsten Regierung wieder eingestellt? Wird der Streit mit der Gesellschaft nicht trotzdem weitergehen? Hier bedarf es eines optimistischen Blicks auf die eigene Lobbystärke. Die 3,9 Mrd. € jedes Jahr für die agrarsozialen Sicherungssysteme könnten auch von jeder neuen Bundesregierung abgeschafft werden, werden sie aber nicht.
Und natürlich wird es weiter Kritik von Veganern an der Tierhaltung geben. Die Befürworter einer kompletten Abschaffung der Tierhaltung sind aber klar in der Minderheit, nach unseren Forschungsergebnissen wird dies von weniger als 10 % der Bürger vertreten. Da hilft etwas mehr Gelassenheit. Der „Borchert-Vorschlag“ ist die einmalige Chance für eine Tierhaltung in Deutschland auf Weltklasseniveau. Er bringt mehr Geld in das System und ermöglicht einen großen Schritt, den der Markt alleine nicht hinbekommt. Scheitern kann dieser Plan noch politisch im Parteienstreit im Superwahljahr. Aber scheitern kann er auch, wenn die Landwirtschaft in der Breite ihn nicht mitträgt. Wie wäre es mit Trecker-Demos für den Borchert-Plan?
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