Dieser Kommentar ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben."
Mindestens 10 %, manchmal 25 %, punktuell 145 %, aber auch 0 % sind möglich. Donald Trump führt Zölle ein, rudert zurück und führt sie wieder ein. Ausnahmen für bestimmte Produkte und Länder bestätigen die Regel – so viel Stringenz muss sein! Der amerikanische Präsident agiert immer unberechenbarer. Was noch möglich ist, bis Sie diesen Beitrag lesen – völlig unkalkulierbar!
Dabei lässt gerade diese trump’sche Unberechenbarkeit neue Gewissheiten wachsen. Zum Beispiel diese: Auf alte Sicherheiten und Bündnisse ist kein Verlass mehr. Das klingt zugegebenermaßen etwas resignierend. Doch nach der ersten Katerstimmung wird schnell die Notwendigkeit neuer wirtschaftlicher Kooperationen klar. Die Bemühungen darum laufen bereits auf Hochtouren. Für den Agrarsektor meint das insbesondere: Abschluss von Freihandelsabkommen, Erschließung neuer Märkte, mehr Eigenversorgung.
Freihandelsabkommen erlangen neue Bedeutung
Starten wir mit den Freihandelsabkommen. Denn im Schlepptau der US-Zölle entfacht sich eine neue Diskussion um das Mercosur-Abkommen – in der alte Gewissheiten auf den Prüfstand gestellt werden. So neigt laut CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz Frankreichs Präsident Macron inzwischen doch dazu, das EU-Mercosur-Abkommen zu ratifizieren. Macron sehe, äußerte Merz in einem ARD-Interview, wie sich die Gewichte auf der Welt derzeit verschöben.
Ähnliches ist in Österreich zu beobachten. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) hatte sich bislang entschieden gegen das Mercosur-Abkommen ausgesprochen. Nach dem trump’schen Zoll-Zick-Zack sagt er: „Wenn der Freihandel fair und gerecht ist, sind wir dabei.“
Handel mit der Ukraine
Doch es geht nicht nur um Mercosur. Beschleunigen könnte die trump’sche Katerstimmung auch eine fortlaufende Handelsliberalisierung zwischen der Ukraine und der EU. Es ist damit zu rechnen, dass nach Auslaufen der Autonomen Handelsmaßnahmen zum 5. Juni nicht zu den Vorkriegsbedingungen im Agrarhandel zurückgekehrt wird.
Die neuen wirtschaftlichen Bündnisse eröffnen dabei nicht nur neue Absatz- und Handelswege. Sie sind auch mit Werten aufgeladen – ein Versuch, auf Gepolter und Chaos mit Besonnenheit und Vernunft zu reagieren. Das ist richtig und wichtig. Die Bedeutung stabiler und offener internationaler Märkte ist riesig. Die Fairness derselbigen darf dabei aber nicht auf der Strecke bleiben.
Die Fairness darf nicht auf der Strecke bleiben."
Aus Perspektive der Landwirtschaft meint das: Kritik am Mercosur, die vorher berechtigt war, ist auch nach dem Trump-Kater noch da. Und auch die Sorgen des Berufsstandes vor Wettbewerbsvorteilen der ukrainischen Landwirtschaft werden sich durch einen (sich ver-)zockenden US-Präsidenten nicht in Luft auflösen. Die Landwirtschaft sollte nicht den Preis der neuen Allianzen zahlen.