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TUM: Fleischpreise verzerrt niedrig, weil Klimafolgen nicht beachtet

Eigentlich müssten Milchprodukte um 91 % und Fleischprodukte um 146 % teurer werden, wenn man die Folgekosten der Klimaschäden einrechnet, sagt TUM-Student Maximilian Pieper.

Lesezeit: 5 Minuten

Greenpeace hatte kürzlich in einer Studie angeprangert, dass der Konsum von Rind- und Schweinefleisch in Deutschland pro Jahr externe Kosten von 5,91 Mrd. € verursacht. Vor allem Umwelt- und Klimaschäden würden so auf die Allgemeinheit abgewälzt. Die Fleischpreise müssten eigentlich deutlich höher sein, um die Schäden auszugleichen, hieß es.

Ähnliches bestätigt nun auch die Technische Universität München (TUM). Maximilian Pieper, der derzeit im Studiengang Politics and Technology an der TUM School of Governance studiert, hat sich dazu die gesamte Produktion von Lebensmitteln angeschaut. Sein Urteil: Die aus der Erzeugung stammenden Umweltschäden schlagen sich derzeit nicht im Preis nieder. Vor allem resultiere der niedrige Preis tierischer Lebensmittel aus der Vernachlässigung ihrer Klimafolgen. Die Ergebnisse sind im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

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Landwirtschaft für 24 % der Emissionen verantwortlich

Werden die Folgekosten der emittierten Klimagase ermittelt und auf die aktuellen Lebensmittelpreise aufgerechnet, müssten tierische Erzeugnisse wie Milch, Käse und insbesondere Fleisch weit teurer werden, so das Ergebnis der Studie. Auch würde der Preisunterschied zwischen konventionellen und biologisch hergestellten Produkten kleiner werden.

„Mit einem globalen Emissionsanteil von 24 % ist die Landwirtschaft eine der Hauptquellen der vom Menschen verursachten Treibhausgase. Dies macht deutlich, wie groß der Anpassungsbedarf, aber auch das Potenzial des primären Sektors zur Erreichung des Klimaziels des Pariser Abkommens ist, die Erderwärmung auf einem Niveau von deutlich unter 2°C zu halten“, sagt Maximilian Piper. Auch der European Green Deal, der vorsieht, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen der Europäischen Union bis 2050 auf null zu reduzieren, lasse sich nur unter Einbeziehung der Landwirtschaft verwirklichen.

Die nun neu erschienene Studie zeichnet ein differenziertes Bild landwirtschaftlicher Treibhausgasemissionen. Für unterschiedliche Anbau- bzw. Haltungsformen ermittelt sie, an welchen Stellen der Lebensmittelproduktion welche Emissionen auftreten und ordnet diese unterschiedlichen Lebensmitteln verursachergerecht zu.

Neben Kohlenstoffdioxidemissionen beziehen die Autoren auch Lachgas- und Methanemissionen sowie die klimatischen Auswirkungen der Landnutzungsänderung in ihre Berechnungen ein. Aus der Landnutzungsänderung resultierende Klimafolgen ergeben sich dem Forschungsteam zufolge primär aus der Abholzung von Regenwaldflächen, die dann zur Produktion von Tierfutter genutzt werden.

„Um das Ausmaß dieser Klimaschäden zu verdeutlichen, erfolgt neben der Ermittlung der Emissionsmengen auch deren Monetarisierung, also eine Umrechnung in lebensmittelspezifische Folgekosten“, erklärt Piper. In einem letzten Schritt setzen die Autoren diese Folgekosten in Bezug zu den aktuell am Markt beobachtbaren Lebensmittelpreisen.

Deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Lebensmittelgruppen

Die Publikation zeigt auf, dass insbesondere konventionell hergestellte Lebensmittel tierischen Ursprungs deutlich teurer werden müssten, wenn die aus der Produktion resultierenden Klimafolgen verursachergerecht auf dem Preis aufgeschlagen werden würden. „Eigentlich müssten Milchprodukte um 91 % teurer sein als dies heute der Fall ist. Fleischprodukte müssten –Klimakosten inklusive – sogar um 146 % teurer werden“, veranschaulicht der TUM-Student die Ergebnisse der Studie.

Beim Vergleich der Anbauformen zeigt sich, dass die Emissionsmengen der biologischen Landwirtschaft bei pflanzlichen Erzeugnissen und bei Milch ertragsbereinigt leicht unter der konventionellen Produktionsweise liegen, heißt es in der Studie weiter.

Bei tierischen Produkten wie bei Fleisch und Eiern zeigt sich allerdings in Bezug auf die Emissionen ein differenzierteres Bild, in welchem kein klarer Vorteil der Biolandwirtschaft ersichtlich ist. Aufgrund des höheren Preisniveaus von Biolebensmitteln resultieren durchwegs geringere Preisaufschläge von 40 % für Biomilchprodukte und 71 % für Bio-Fleisch. Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs sind mit einem relativ geringen „Klimarucksack“ assoziiert, der sich in beiden Anbauformen im einstelligen Cent-Bereich bewegt.

Die Forschenden überrascht der große Unterschied zwischen den untersuchten Lebensmittelgruppen und die daraus resultierende Fehlbepreisung insbesondere tierischer Lebensmittel. „Unsere Forschungsergebnisse verdeutlichen die enorme Fehlbepreisung insbesondere tierischer Produkte. Im Kampf gegen die Erderwärmung ist hier dringender Handlungsbedarf geboten. Die Bepreisung der Klimaschäden stellt hierbei einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar. Dafür haben wir nun das notwendige Werkzeug bereitgestellt“, sagt Maximilian Pieper.

Das Autorenteam setzt sich aus dem Politikwissenschaftler Maximilian Pieper (TUM), der Wirtschaftsingenieurin Amelie Michalke (Universität Greifswald), sowie dem Wirtschaftswissenschaftler und Nachhaltigkeitsforscher Tobias Gaugler (Universität Augsburg) zusammen.

Nachgefragt

Auf die Frage von top agrar-Leser Eike Bruns, ob in der Studie auch die Bindung von Treibhausgasen eingerechnet ist (siehe Kommentare unten), erklärt Maximilian Pieper:

"Sehr geehrter Leser,

Zunächst einmal vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Studie. Nun zu Ihrer Frage: Bzgl. der Bindung von Treibhausgasen in der Landwirtschaft verhält es sich so, dass die Menge an gebundenem Kohlenstoff in Deutschland bei Ackerböden tendenziell ab- und nicht zunimmt. Beim Grünland ist im Schnitt ebenfalls keine Zunahme zu beobachten, die Menge an gebundenem Kohlenstoff ist konstant (siehe hierzu bspw. folgenden Bericht des Thünen Instituts: https://www.thuenen.de/media/institute/ak/Allgemein/news/Bodenzustandserhebung_Landwirtschaft_Kurzfassung.pdf).

Die Art der Bewirtschaftung (konventionell oder ökologisch) kann hierbei durchaus einen Unterschied machen und fließt auch in unsere Studie ein.

Die in der Studie besonders hoch verzeichneten Emissionswerte für tierische Lebensmittel werden also nicht durch die Kohlenstoffspeicherung der Böden kompensiert, denn dafür müsste der Kohlenstoffanteil der Böden kein konstanter, sondern ein steigender Faktor sein. Hinzu kommt, dass gerade bei konventioneller Landwirtschaft enorme Mengen an CO2 durch den Sojaanbau in Südamerika und die dafür notwendige Rodung des Kohlenstoffspeichers Regenwald ausgestoßen werden. Zusätzlich setzt die Produktion tierischer Produkte neben CO2 auch beträchtliche Mengen an Methan und Lachgas frei.

Um es kurz zu fassen: die Bindung von Kohlenstoff wird in unserer Studie durchaus berücksichtigt, und spiegelt sich vor allem in den unterschiedlichen Emissionswerten von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft wider. Ich stimme Ihnen selbstverständlich zu, dass der Landwirtschaft eine wichtige Rolle in Bezug auf die Pflege und den Erhalt unserer natürlichen Grundlagen zukommt. Was unsere Studie zeigt, ist aber, dass diese Rolle mit der Produktion bestimmter Lebensmittel weniger vereinbar ist als mit anderen und dass derzeit nicht gezielt nachhaltige Produktionsstrategien gefördert werden, was sich in einer inadäquaten Bepreisung tierischer Lebensmittel auswirkt.

Mit freundlichen Grüßen

Maximilian Pieper"

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