Die anhaltenden Probleme mit den Getreidetransporten über den Schwarzmeerkorridor waren das zentrale Thema diverser Gespräche, die der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solskyi am vergangenen Wochenende mit verschiedenen Amtskollegen am Rande des Agrarministertreffens in Berlin führte.
Gegenüber Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sprach Solskyi von einem „künstlich verlangsamten Betrieb des Getreidekorridors“. Zwar funktioniere die Abfertigung „de jure“, doch die Zahl der Schiffe, die am Bosporus täglich kontrolliert würden, habe sich im letzten Monat halbiert.
Für diese Verzögerungen gebe es keine objektiven Gründe, stellte der Kiewer Ressortchef klar. Vielmehr werde die Verlangsamung der Inspektionen von der russischen Seite provoziert. Jeder Tag, an dem ein Transportschiff ausfällt, kostet der ukrainischen Landwirtschaft laut Angaben von Sloskyi umgerechnet gut 18.000 € bis 46.000 €.
„Das stellt für den Agrarsektor eine große Belastung dar“, beklagte der Minister. Er sieht hinter der „Heuchelei des Aggressors Russland“ ein einziges Ziel, nämlich der Ukraine nicht nur eine militärische, sondern auch eine wirtschaftliche Niederlage zuzufügen.
Lieferungen insgesamt aber nicht gefährdet
Unterdessen versuchte der stellvertretende Landwirtschaftsminister Denys Bashlyk am vergangenen Samstag bei einem Treffen mit Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in Odessa Zweifel zu zerstreuen, die Getreidelieferungen aus der Ukraine seien gefährdet.
„Als Garant für Ernährungssicherheit wird die Ukraine weiterhin sich selbst und die Welt mit Nahrungsmitteln versorgen“, versicherte Bashlyk. Trotz aller Schwierigkeiten könne die Ukraine ihren inländischen Weizenverbrauch von etwa 6,7 Mio. t pro Jahr vollständig abdecken. Und selbst nach pessimistischen Prognosen dürften in diesem Jahr mindestens 26 Mio. t Weizen geerntet werden. „Das bedeutet, dass wir in der Lage sind, uns selbst und die Welt mit Nahrungsmitteln zu versorgen“, betonte der Vizeminister.
Russland löst künstlich Hungersnot aus
Bashlyk thematisierte aber ebenfalls die erheblichen Probleme mit dem Getreidekorridor. Dadurch werde in den Ländern, die auf ukrainische Getreideimporte angewiesen seien, eine künstliche Hungersnot ausgelöst. „Niemand weiß konkret, welche Schiffe sich aktuell in der Warteschlange befinden. Ob es sich um Schiffe des Programms ‚Getreide aus der Ukraine‘ oder andere handelt“, so Bashlyk.
Nach seinen Angaben ist in der ersten Januarhälfte die Zahl der Schiffsabfahrten aus ukrainischen Häfen im Schnitt auf 2,7 pro Tag zurückgegangen; das sei der niedrigste Wert seit dem Start des Getreidekorridors. Die höchste Zahl sei im September verzeichnet worden, als die Verschiffungsrate bei durchschnittlich 5,9 Schiffen pro Tag gelegen habe.