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Ukrainische Landwirte kämpfen aktuell um drei Ernten

Der Krieg in der Ukraine bedroht die globale Lebensmittelversorgung. Igor Bochan kennt die Sorgen und Nöte der Landwirte. Gegenüber dem Exportabkommen für Getreide zeigt er sich skeptisch.​

Lesezeit: 5 Minuten

Unser Autor: Niklas Golitschek, Freier Journalist, Bremen

Die Landwirte in der Ukraine stehen durch den russischen Angriffskrieg und die monatelange Blockade der Häfen vor großen Herausforderungen. Gerade jetzt versuchen sie die Ernte und den Anbau für drei Jahre zu sichern. Das weiß Igor Bochan, Direktor des Anlagenbauers Agricon. Die Landwirte versuchten, die Ernte aus 2021, die immer noch in der Ukraine lagert, zu exportieren, das Getreide aus 2022 zu ernten und einzulagern und eine Grundlage für Aussaat und Ernte des kommenden Wirtschaftsjahres 2022/23 zu schaffen, führt Bochan aus und spricht von drohenden dramatischen Verlusten.

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Seine Kunden arbeiteten durchweg noch auf den Feldern – trotz der russischen Großoffensive seit Februar. Doch sie alle sorgten sich um ihre Ernten. “Es ist nicht leicht, die Lagerkapazitäten zu erhöhen”, merkt Bochan an. Daher sehe er als einzig realistische Option, die Exportmöglichkeiten auf dem Landweg auszubauen. Innerhalb der Ukraine seien diese zwar vorhanden, doch auf Straße und Schiene scheitere die schnelle Abfertigung an Grenzkontrollen und unterschiedlichen Spurweiten. „Es wird schon versucht, neue Infrastruktur zu bauen“, verweist er auf Projekte an der polnischen, ungarischen oder der slowakischen Grenze, um die Waggons aus der Ukraine schnell zu entladen und in den EU-Ländern wieder zu beladen. Doch sei die Infrastruktur der europäischen Nachbarn schlicht nicht darauf ausgelegt, solche Mengen zu verladen.

Trotz Getreideabkommen: Misstrauen bleibt

Über das Getreide-Exportabkommen, das die Ukraine und Russland jeweils unabhängig voneinander mit der Türkei und den Vereinten Nationen geschlossen hat, spricht Bochan indes mit gemischten Gefühlen. Da ist zum einen die enorme Bedeutung des Exports für die Branche. „Laut unserer Regierung könnten 10 Mio. t Getreide verloren gehen“, sagt er. Allein deshalb sei es in ukrainischem Interesse, die Häfen wieder in Betrieb zu nehmen und die Ware zu verladen.

Es könnten 10 Mio. t Getreide verloren gehen.“ - Bochan

Doch auf der anderen Seite ist das tiefe Misstrauen gegenüber Russland. „Worte kosten nichts“, befürchtet er einen Vertragsbruch und verweist auf die Bombardierung des Hafens in Odessa nur einen Tag nach Unterzeichnung des Abkommens. Er zweifle, dass Russland dieses wirklich umsetzen wolle: „Sie machen nur ein nettes Gesicht für Afrika und Asien.“ Das die Öffnung einer Seeroute eine russische Landung nach sich ziehen könnte, glaube er jedoch nicht. „Unsere Truppen wissen, wie sie Odessa und den Süden verteidigen“, untermauert Bochan.

Krieg und zerstörte Silos zwingen zu alternativer Lagerung

Parallel arbeiteten die Landwirte derzeit an temporären Lösungen wie der Getreidelagerung in Schläuchen. Agricon selbst stellt mobile Be- und Entladesysteme dafür her. Silos zu bauen, dauere in der aktuellen Phase schlicht zu lange. Damit kennt sich Bochan aus: Agricon hat in Odessa eines der größten Tiefsee-Getreideterminals (Neptune) gebaut. Dessen Zustand sei zwar in Ordnung; wie schnell hier der Betrieb wieder aufgenommen werden kann, wisse er allerdings nicht. Doch auch bei den Schläuchen sieht er ein Problem: „Der einzige Produzent im Land, nahe Kiew ist bombardiert worden.“ Deshalb müsse das Produkt nun aus Europa, Indien oder Argentinien importiert werden.

Geld für Aussaat und den Wiederaufbau fehlt

Als Auftragnehmer der Landwirte beobachtet Bochan seit Beginn der russischen Großoffensive im Februar noch ein weiteres Problem. „Sie haben kein Geld mit der vorherigen Ernte verdient und jetzt sind die Getreidepreise so niedrig, dass sie keine Marge haben, die sie in neue Produkte investieren können“, schildert er. Zwar verfügten einige Landwirte noch über Ersparnisse aus den lukrativen Vorjahren und die Regierung unterstütze mit einem Hilfsprogramm.

Wenn sie entscheiden, die jetzige Ernte zu retten, wird es problematisch, die nächste Aussaat zu finanzieren.“ - Bochan

Doch ein Dilemma bleibe: „Wenn sie entscheiden, die jetzige Ernte zu retten, wird es problematisch, die nächste Aussaat zu finanzieren.“ Zumal eine Investition in Kriegszeiten das Risiko von Schäden berge. Die Wiederaufnahme des Exports von den Seehäfen könnte hier dringend benötigte Einnahmen bringen.

Jetzt gilt: Getreide exportieren und Platz schaffen für die neue Ernte

Trotz der unsicheren Lage bekomme er immer wieder Anfragen für den Bau neuer Anlagen, bspw. zur Produktion von Raps- und Sonnenblumenöl. „Durch die Verarbeitung entsteht ein zusätzlicher Produktwert und der Export ist einfacher“, erläutert Bochan. Außerdem sei die Ware besser zu lagern als das unverarbeitete Erntegut. In den vergangenen fünf Jahren habe sich dieser Markt in der Ukraine immer mehr entwickelt. Nur mit der finalen Entscheidung wollten die Unternehmer angesichts der Risiken lieber noch warten.

Dennoch erledigen die Landwirte in der Ukraine unter den Kriegsbedingungen ihre Arbeit sehr gut, bilanziert Bochan. „Das Problem ist, Getreide an den Kunden zu liefern“, sagt er. Dabei erwarte die Branche zusätzlich zu den Lagerbeständen von rund 20 Mio. t rund 30 Mio. t neue Ernteerträge in diesem Jahr – rund die Hälfte von 2021.

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