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Ulrike Müller: “Wir brauchen echte Vereinfachungen für die Landwirte”

top agrar-Sommerinterviews 2018 Agrar und Ernährung. Heute: Ulrike Müller (56). Nach 6 Jahren im Bayerischen Landtag wurde die ausgebildete Hauswirtschafterin im Jahre 2014 in das Europäische Parlament gewählt. Dort gehört sie als Mitglied der Freien Wähler zur liberalen ALDE-Gruppe dem Landwirtschaftsausschuss an.

Lesezeit: 7 Minuten

top agrar-Sommerinterviews 2018 Agrar und Ernährung. Heute: Ulrike Müller (56) Nach sechs Mandatsjahren im Bayerischen Landtag wurde die ausgebildete Hauswirtschafterin im Jahre 2014 in das Europäische Parlament (EP) gewählt. Dort gehört sie als Mitglied der Freien Wähler zur liberalen ALDE-Gruppe an. Müller ist Mitglied im EP-Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Sonderausschuss für das Genehmigungsverfahren der EU für Pestizide und  der Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Südasiens. Die Augsburgerin bewirtschaftet mit ihrer Familie einen milchwirtschaftlich ausgerichteten Bauernhof im Oberallgäu.

 

top agrar: Ist die von EU-Agrarkommissar Hogan vorgeschlagene GAP-Reform geeignet, die europäische Agrarlandschaft zukunfts- und wettbewerbsfähig zu machen?

 

Ulrike Müller: Die europäische Agrarlandschaft ist ungeheuer vielfältig. Deshalb hat das bisherige Konzept „one size fits all model“ oftmals zu Unmut und berechtigter Kritik in den Mitgliedsstaaten geführt. Allein wenn man sich die unterschiedlichen klimatischen und topographischen Bedingungen in den 28 Mitgliedsstaaten ansieht, besteht aus meiner Sicht durchaus der Bedarf mehr Flexibilität und Freiraum zu geben. Dies bedeutet aber auch mehr Eigenverantwortung. Daneben soll die GAP möglichst für alle Landwirte gerecht sein und wir müssen darauf achten, keine Wettbewerbsverzerrungen zu schaffen. Neben den natürlichen Gegebenheiten gibt es immense Unterschiede in den Produktionskosten und große Spannbreiten im Lebensstandard in den verschiedenen Regionen. Es muss also gelingen, den Spagat zwischen dem Erhalt einer echten „gemeinsamen“ Agrarpolitik und der Berücksichtigung der Besonderheiten in den Regionen zu schaffen.

 

Läuft mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten auf weniger gemeinsame Standards hinaus?

Wir wollen auf keinen Fall eine Absenkung der Standards in der Lebensmittelsicherheit, der Lebensmittelqualität, beim Tierwohl, oder bei Umweltfragen. Ich denke die Vorschläge von Agrarkommissar Hogan gehen hier grundsätzlich in die richtige Richtung. Durch mehr Flexibilität der Mitgliedsstaaten besteht durchaus auch die Chance eine zielgerechtere Umsetzung zu erreichen.

 

Die versprochene Vereinfachung der GAP erscheint bisher eher als Papiertiger…

Bei der Frage der vollkommen zu Recht eingeforderten Vereinfachung sehe ich bisher vor allem eine Vereinfachung für die Kommission. Wir brauchen aber echte Vereinfachungen für die Landwirte. Hier muss noch mehr passieren. Derzeit sehe ich vor allem eine Verschiebung der Bürokratie in Richtung der Verwaltungsbehörden der Mitgliedsstaaten.

 

Die von EU-Haushaltskommissar Oettinger vorgelegten Vorschläge zum Finanzrahmen 2021-27 sehen Kürzungen bis zu 15 Prozent im Agrarsektor vor. Was bedeutet dies für die Agrarwirtschaft und ländlichen Räume?

Ich befürworte absolut - im Interesse der deutschen Landwirte - eine Erhöhung der Beiträge der Mitgliedsstaaten zum EU-Haushalt. So wie das EU-Parlament dies mehrheitlich bereits beschlossen hat. Unter den Mitgliedsstaaten herrschen derzeit allerdings noch unterschiedliche Positionen und teilweise erhebliche Widerstände vor. Wir müssen auch verhindern, dass vor allem die EU-Landwirte für den Brexit zur Kasse gebeten werden. Bei der Diskussion um die vorgeschlagenen Agrarkürzungen wird auch in den Mitgliedsstaaten sehr oft noch übersehen, dass sowohl von der GAP als auch der Kohäsionspolitik alle Bürger profitieren. Weniger Geld bedeutet, dass weniger Projekte gefördert werden können. Ländliche Regionen, die nicht lebenswert sind, ziehen weitere Abwanderung nach sich. Ziel muss es aber sein, den ländlichen Raum attraktiv und lebenswert zu gestalten - Stichwort Breitbandausbau.

 

Besonders starke Kürzungen treffen die zweite Säule. Welche Konsequenzen zieht dies für die Ökologisierung nach sich?

Bei aller Ökologisierung darf nicht übersehen werden, dass die Direktzahlungen einen erheblichen Beitrag zur Einkommensabsicherung bei zunehmend volatilen Märkten haben. Und hier sind mit den vorgeschlagenen „Eco-schemes“ durchaus entsprechende Ökologisierungs-Maßnahmen, verpflichtend für die Mitgliedsstaaten, berücksichtigt. Mit Blick auf die Planungssicherheit spielt die erste Säule ebenfalls eine wichtige Rolle. Viele Regionen wie z.B. meine Heimat Bayern haben die bisherigen Möglichkeiten in der zweiten Säule hervorragend genutzt und eine breite Palette an Maßnahmen angeboten. Um diese weiterhin zu sichern sollen die Mitgliedsstaaten einen höheren Anteil an Eigenmitteln einbringen können. Ebenso ist die Verschiebung von der ersten in die zweite Säule angedacht. Allerdings sehe ich hier den Nutzen für die Bauernfamilien nicht so deutlich. „Von der linken in die rechte Hosentasche“ - entscheidend ist aber letztlich, was unterm Strich beim Landwirt tatsächlich ankommt.

 

Die Landwirtschaft hat zunehmend mit Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung zu kämpfen. Ist die bisherige Agrarförderung aus den 60er Jahren überholt?

Beim Thema Akzeptanz in der Bevölkerung wäre den landwirtschaftlichen Verbänden und Behörden dringend anzuraten, eine einfache und verständliche Aufklärungskampagne in den jeweiligen Mitgliedsstaaten durchzuführen. Gerade in Deutschland wird hier sehr stark einseitig von der Naturschutzseite beeinflusst. Die heutige GAP ist längst nicht mehr die aus den 60er Jahren. Das heutige System der zwei Säulen ist in einem, durchaus oft schmerzhaften Prozess für die Landwirte ständig weiterentwickelt worden. Leider haben die Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit manche Schritte wie z.B. die Entkoppelung nicht im gleichen Maße umgesetzt. Das Grundprinzip mit einer starken ersten Säule, überwiegend als wichtiger Teil des Sicherheitsnetzes und einer durch die Mitgliedsstaaten zielgerichtet ausgestalteten zweiten Säule ist durchaus zukunftsfähig.

 

Streitpunkte zwischen den Mitgliedsländern aber auch zwischen EU-Parlament und EU-Kommission stellen die Themen Kappung, Degression und Konditionalität dar…

Meine Fraktion hat sich für eine freiwillige Möglichkeit der Mitgliedsstaaten ausgesprochen eine Kappung einzuführen. Gerade in Deutschland wird dieses Thema oft mehr emotional als an den Fakten orientiert diskutiert. Da ist das Thema der Betriebsspaltungen. Auch die Anrechnung von Lohnkosten/Arbeitskräften wird vieles relativieren und auch zu einer erheblichen Bürokratie führen. Was nach deren Anrechnung noch an Kappungsmitteln übrig bleibt verbleibt nach derzeitiger Beschlusslage im jeweiligen Bundesland. Das bedeutet der bäuerliche Familienbetrieb beispielsweise in Süddeutschland bekommt von diesen Mitteln, die überwiegend in Mitteldeutschland anfallen werden, nichts. Ich denke der Ansatz der besseren Förderung der ersten Hektare ist hier sehr viel zielführender und sollte weiter ausgebaut werden.

 

Öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“, lautet die Forderung von weiten Teilen der Gesellschaft. Sind derart gestiegene Ansprüche mit weniger Geld machbar?

Unstrittig ist, dass unsere landwirtschaftliche Produktion nachhaltig sein muss. Unstrittig muss aber auch sein, dass unsere Landwirte hochwertige Lebensmittel für unsere Mitbürger erzeugen sollen und müssen. Mit der zunehmenden Marktliberalisierung und ständig steigenden Verbraucheranforderungen in einem zunehmend schwierigen Umfeld. Deshalb stehe ich weiterhin zur wichtigen Rolle der Direktzahlungen als Absicherungsinstrument. Wer mehr Aufgaben und Anforderungen in diesem System etablieren will, muss auch für die dafür notwendigen finanziellen Mittel sorgen. Deshalb fordere ich zum Beispiel für die Umsetzung von Natura 2000 und die Wasserrahmen-Richtlinie zusätzliche Haushaltsmittel ein. Kürzen und gleichzeitig mehr fordern, das ist aus meiner Sicht nicht machbar.

 

Die europäische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sind zum global player geworden. Ist die Weltmarktorientierung finanziert aus EU-Steuermitteln akzeptabel?

 Die EU-Bürger fordern von unserer Lebensmittelproduktion zu Recht hohe Standards ein. Diese sind in unzähligen Vorschriften geregelt und weltweit führend und anerkannt. Allerdings bedeuten mehr Auflagen und Vorgaben auch höhere Kosten. Wenn wir also von den Landwirten fordern, als global player mitzuhalten, muss hier von staatlicher Seite auch unterstützt werden. Bei aller Weltmarktorientierung brauchen wir auch in Zukunft klare Regeln. Gerade die TTIP-Diskussion hat ja gezeigt, dass die EU-Bürger keine Zugeständnisse beim Verbraucherschutz akzeptieren. Deshalb muss dies bei allen Handelsabkommen berücksichtigt werden. Die Landwirtschaft in der EU ist multifunktional, das heißt sie erfüllt in vielen Regionen eben nicht nur die Rolle als Lebensmittelproduzent.

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