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von Lucke: „Der Bauernverband muss auf die Kritiker zugehen!“

Die etablierten Parteien sind immer weniger in der Lage, gesellschaftliche Stimmungen zu steuern, meint der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke. Das zeige das Ergebnis des bayerischen Volksbegehrens. Deshalb müsse der Bauernverband vorausschauend in den Dialog mit den Kritikern treten und so den Interessenausgleich suchen.

Lesezeit: 4 Minuten

Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ hat in Bayern 1,75 Mio. Menschen mobilisiert. Das sind 18,4 % der Wahlberechtigten. Wird den etablierten Parteien das Heft des Handelns zunehmend aus der Hand genommen?

von Lucke: Vor allem die Volksparteien leiden schon seit längerem unter einem massiven Autoritätsverlust. Das ist der Boden für Protestparteien und Protestbewegungen. Der Zulauf der AfD, die PEGIDA-Bewegung oder auch die hohe Beteiligung am bayerischen Volksbegehren sind dafür markante Beispiele. Das ist auf der einen Seite eine gefährliche Tendenz für die parlamentarische Demokratie, kann auf der anderen Seite aber auch ein positives Korrektiv für die Parteien sein.

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Welche Ursachen hat das?

von Lucke: Die Gesellschaft zerfällt immer stärker in Einzelinteressen. Es gelingt den großen Interessenverbänden und anderen etablierten gesellschaftlichen Kräften immer weniger, die Meinungsbildung im vorpolitischen Raum zu kanalisieren, in die Volksparteien zu transferieren und dort weiterzuentwickeln. Das gilt auch für den Bauernverband. Im Ergebnis kommen Einzelinteressen zum Durchbruch, die nicht auf parteipolitischen oder gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen basieren.

Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die demokratische Willensbildung in Deutschland?

von Lucke: Deutschland ist in den vergangenen 70 Jahren mit seiner Parteiendemokratie sehr erfolgreich gewesen. Wenn jetzt der Volkswille über solche Volksbegehren die Parteien für bestimmte Themen stärker sensibilisiert, kann das positiv sein, wenn die bereits existierenden Parteien die Botschaften verstehen und aufnehmen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat mit seiner positiven Reaktion auf das erfolgreiche Volksbegehren regelrecht versucht, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Wenn das glaubhaft geschieht und auch durchgehalten wird, kann es die CSU stärken. Wenn es den existierenden Parteien dagegen nicht gelingt, wichtige Themen aufzunehmen, bilden sich neue Parteien. Das war vor 40 Jahren bei der Gründung der Grünen der Fall und die AfD wie auch die Piraten sind dafür Beispiele aus jüngerer Zeit.

Haben die etablierten Parteien diese Zusammenhänge verstanden?

von Lucke: Ganz sicher. Sie sind ja regelrecht zu Getriebenen dieser Entwicklung geworden. Die entscheidende Frage ist aber, gelingt es ihnen auch, darauf richtig und konsequent zu reagieren? Bemerkenswert inkonsistent war in den letzten Jahren das Verhalten der CSU: Aus einer viel zu langen Anbiederung an AfD-Positionen ist viel zu spät, nämlich kurz vor der Landtagswahl, eine scharfe Abgrenzung geworden. Daraus hat die CSU offenbar gelernt. Beim Volksbegehren „Rettet die Bienen“ hat sie sich rasch vom Ablehner zum Befürworter entwickelt, nachdem sie zuvor den grünen Trend im Wählerwillen völlig verkannt hatte.

Wie sollten die von solchen Volksbegehren Betroffenen, in diesem Fall die Landwirte, auf diese Entwicklung reagieren?

von Lucke: Es gibt nur einen Weg: Sie müssen sich vorausschauend einbringen und die Diskussion mit den Treibern solcher Volksbegehren suchen. Teilweise werden sie nicht umhinkommen, Forderungen aufzunehmen, zumal wenn diese berechtigt sind, und diese so zu kanalisieren, dass sie für beide Seiten vertretbar sind. Das heißt, es geht vor allem darum, Allianzen zu bilden, Verbündete zu suchen, um dadurch zukünftige Entwicklungen und Rahmenbedingungen zu beeinflussen. Bezogen auf die Landwirtschaft bedeutet das vor allem mit den Umwelt- und Tierschutzverbänden im engen Austausch zu stehen.

Wie groß ist die Gefahr, dass es dabei auch zu populistischen Entwicklungen kommt?

von Lucke: Ziemlich groß, weil wir wirtschaftlich, ökologisch und auch geopolitisch auf große Probleme und damit auch auf massive Interessenkonflikte zusteuern, die wir in diesem Ausmaß in der Vergangenheit nicht gehabt haben. Meines Erachtens besteht zunehmend die Gefahr, dass sich die Entwicklungen wechselweise aufladen, also eine Bewegung sofort eine Gegenbewegung auslöst, welche die Gesellschaft immer stärker polarisieren. Entscheidend ist dann die Frage, ob die etablierten Parteien noch in der Lage sind, den Prozess so zu moderieren, dass eine für alle Seiten tragfähige Lösung dabei rauskommt.

Wie optimistisch sind Sie, dass das gelingt?

von Lucke: Leider nur bedingt optimistisch, weil ich nicht daran glaube, dass die Parteien bezogen auf ihre Lösungskompetenz zu alter Stärke und Kraft zurückfinden. Das ist in Zeiten einer zunehmenden Vereinzelung unserer Gesellschaft allerdings auch nicht einfach.

Zur Person: Albrecht von Lucke (51) ist Politikwissenschaftler, Jurist, Autor und scharfsinniger Beobachter der politischen Entwicklung in Deutschland.

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