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DLG-Wintertagung

Weltmarkt, Premiummarkt oder Marktausstieg? Wo sollen die deutschen Bauern hin?

Wo es hinführt, wenn ein Land aus der Eigenversorgung austritt, kann man an der englischen Landwirtschaft sehen. Dann also doch eher trotz mehr Tierwohl für den Weltmarkt produzieren? Oder Premium?

Lesezeit: 6 Minuten

Gibt es die Agrarwirtschaft morgen noch so, wie wir sie kennen? Und wie sieht mein Hof dann aus? Diese Fragen stellte DLG-Präsident Hubertus Paetow am Mittwoch bei der Wintertagung der Gesellschaft in Münster, dieses Jahr unter der Kernfrage „Weltmarkt, Premiummarkt oder Marktausstieg?“

Marktausstieg am Beispiel England

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Paetow beleuchtete die drei Optionen und begann beim Marktausstieg: „Was das heißt, können wir an den Ländern studieren, die schon länger eine eigene Agrarproduktion nicht als prioritäres Ziel ihrer Entwicklung gesehen haben. Dazu gehört Großbritannien, aber auch Schweden. Großbritannien hat heute einen Selbstversorgungsgrad mit Nahrungsmitteln von 60 %, der Anteil der Landwirtschaft an Bruttosozialprodukt liegt bei 0,5 %. Agrarexporte finden nur in geringem Umfang statt. Die Bedeutung einer Versorgung mit Nahrungsmitteln aus eigener Produktion ist bei der ehemaligen Kolonialmacht England traditionell gering“, so der DLG-Präsident.

Allerdings seien die Engländer auch noch nicht verhungert, es gebe einen funktionierenden Austausch, im Wesentlichen mit der EU. Auf der anderen Seite wirtschafteten die Landwirte auf der Insel zwar intensiv, aber in vielen Bereichen auch nicht mehr an der Spitze des Fortschritts, zum Beispiel in der Schweineproduktion. 60 % des in Großbritannien verbrauchten Schweinefleisches würden importiert, auch wegen der durch hohe Auflagen teuren inländischen Produktion.

„Marktausstieg bedeutet hier also, nur noch die Nahrungsmittel selbst zu produzieren, bei denen man international wettbewerbsfähig ist. Es heißt auch, dass man sukzessive die Kompetenzen in den anderen Feldern aufgibt. Es heißt aber vor allem, dass man es nicht mehr in der Hand hat, unter welchen Standards die Nahrungsmittel erzeugt werden, die man verbraucht“, verdeutlichte Paetow in seiner Rede.

Auch bei uns hat es laut dem Präsidenten in Teilbereichen schon den Marktausstieg gegeben, zum Beispiel in der Sauenhaltung. Heute kommen nur noch 60% der hier gemästeten Ferkel aus Deutschland, berichtete er. Andere Länder hätten, aus den unterschiedlichsten Gründen, stark auf die Erzeugung von Ferkeln für den deutschen Markt gesetzt.

„Und wir diskutieren über die ethischen Aspekte der Kastration, als sei das noch von Relevanz! Wenn wir auf die chirugische Kastration verzichten, wird sich der Anteil der Importe noch weiter erhöhen, und es wird für den deutschen Verbrauch kein einziges Schwein weniger kastriert. Wer also die globalen Aspekte der Nachhaltigkeit bei Tier- und Klimaschutz oder Biodiversität im Blick hat, dem bietet der Marktausstieg keine Lösungen“, so Paetow.

Was bedeutet Weltmarkt?

Noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts war es ein wesentlicher Vorwurf an die deutsche Landwirtschaft, das sie auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig war, dass sie nicht zu Weltmarktpreisen produzieren konnte.

Als Kommissar McSharry 1992 in seiner Agrarreform die Preisstützung und den Außenschutz drastisch herunterfuhr, hielten viele es für unmöglich, dass unter diesen Bedingungen noch weiter Landwirtschaft in Deutschland und Europa betrieben werden könnte. Zu groß seien die Nachteile einer Produktion in einem Land mit hohen Faktorkosten bei Lohn und Fläche. Unvorstellbar schien es, mit den großen Agrarproduzenten in Nord- und Südamerika mitzuhalten.

„Es ist anders gekommen. Die Märkte haben sich neu sortiert, die weltweite Nachfrage ist weiter gestiegen, die Betriebe haben ihre Produktivität noch weiter gesteigert. Heute sind deutsche Landwirte bei vielen Agrarprodukten international konkurrenzfähig, und das obwohl im Wesentlichen nur noch der Faktor Boden subventioniert wird“, erklärte der oberste DLG-Vertreter weiter.

Weltmarktproduktion bedeute aber eben auch, dass die Produktion in ihren Rahmenbedingungen nicht wesentlich aufwändiger organisiert sein darf, als dies in anderen Regionen der Welt der Fall ist. Gerade dies sei aber im Moment in Gefahr – vor allem in Deutschland.

Mit suboptimaler Nährstoffversorgung, einem stark eingeschränkten Werkzeugkasten bei Pflanzenschutz und Züchtungsverfahren und hohen Ansprüchen an eine artgerechte Tierhaltung ließen sich keine exportfähigen Produkte mehr herstellen, im Gegenteil, das eröffne Chancen für andere Spieler, auch auf den inländischen Märkten. Denn der deutsche Verbraucher hat laut Paetow keine hohe Präferenz für einheimische Produkte, wie dies etwa in Frankreich der Fall ist.

Lösungen

Um weiter im internationalen Agrarhandel mitspielen zu können wünscht sich der Landwirt, dass man möglichst viele von den Fortschritten, die die Agrarproduktion nach wie vor bietet, nutzen solle. Dazu gehören seiner Meinung nach neue Pflanzenschutzmittel, die noch zielgenauer die Schädlinge und Unkräuter regulieren, ebenso wie neue Züchtungstechnologien, mit denen man das Spektrum der marktfähigen Kulturarten erweitern kann.

Dabei müsse es gar nicht zwangsläufig zu einer weniger umweltverträglichen Produktion führen. Und wir müssten versuchen die Nachhaltigkeit der Produktion mit zu verkaufen, als Produktmerkmal, auch und gerade international, als Mehrwert für Verbraucher im Ausland, die bereit sind, für garantierte Nachhaltigkeit auch mehr zu bezahlen. „Das ist gar nicht so unwahrscheinlich, wenn man sieht, dass zum Beispiel deutsche Milchprodukte in China nach diversen Skandalen um einheimische Produkte hoch im Kurs stehen. Die Agrarproduktion für den Weltmarkt, eingebettet in ein globales System der nachhaltigen Entwicklung, kann also auch für ein Land wie Deutschland ein sinnvolles Ziel sein“, glaubt Paetow.

Zwischenstufe Premiummarkt

Der Premiummarkt ist das Segment, was in der Gesellschaft heute als der Weg einer zukunftsfähigen Landwirtschaft gesehen wird.

„Warum machen wir nicht alle nur noch ökologisch erzeugte, regionale Produkte und verkaufen diese dann kostendeckend an die Verbraucher, die das doch alle wollen? Leider ist dieser letzte Punkt der Pferdefuß an der Sache. Inzwischen wissen wir aus Feldstudien unter realen Bedingungen ziemlich genau, wie viele, oder besser, wie wenige Verbraucher tatsächlich bereit sind, für Premiumprodukte auch Premiumpreise zu bezahlen. Und wir wissen auch, dass es gar nicht mehr so einfach ist, eine neue Marke so zu platzieren, dass die Botschaft bei den Verbrauchern ankommt. Das geht noch am besten bei der Direktvermarktung, aber schon bei den Angeboten im LEH ist die Nische für das regionale Produkt schon eng“, so Paetow in Münster.

Bleibt der Ökolandbau als der größte und stabilste Premiummarkt, aber auch hier scheine es, dass die Nachfrage nicht in den Himmel wächst, zumindest nicht zu den heutigen Preisen. Eine Lösung wäre hier laut dem DLG-Präsidenten, wenn es gelänge, die Ertragslücke zwischen klassischem und ökologischem Anbau zumindest zum Teil zu schließen, so dass die notwendigen Preisaufschläge und Subventionen langfristig sinken können. Eine solche Entwicklung ist im Moment allerdings nicht in Sicht, die Ertragslücke im Ackerbau wird aktuell eher größer.

Und nun?

Dem DLG-Präsidenten erscheint es vernünftig, als landwirtschaftlicher Betrieb alle Optionen im Blick zu behalten. Für jeden Standort und Betriebstyp werde es einen erfolgreichen Weg in die Zukunft geben, es sei nur nicht für alle derselbe.

„Für Politik und Gesellschaft kommt es darauf an, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sich möglichst viele Betriebe entsprechend ihrer Stärken im Wettbewerb entwickeln können, und das funktioniert wahrscheinlich nicht so gut mit einem starren ordnungsrechtlichen Rahmen, sondern eher mit flexibleren, zielorientierten Maßnahmen.

Wir sollten neben der Diversität bei den Arten eben auch eine Diversität bei den landwirtschaftlichen Geschäftsmodellen anstreben“, sagte er abschließend.

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