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Wenn Banken bange werden

Die ruinösen Milchpreise haben die Kreditvergabe an Milcherzeuger erschwert. Die Banken verlangen häufig spezielle Gutachten. Was dahinter steckt und wie Sie trotzdem an frisches Geld kommen, erklärt Josef Assheuer, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Lesezeit: 5 Minuten

Die ruinösen Milchpreise haben die Kreditvergabe an Milcherzeuger erschwert. Die Banken verlangen häufig spezielle Gutachten. Was dahinter steckt und wie Sie trotzdem an frisches Geld kommen, erklärt Josef Assheuer, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.


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Mit 51 Mrd. € Fremdkapital hat die deutsche Land- und Forstwirtschaft im letzten Jahr einen neuen Rekord erreicht. Das Vermögen ist zwar nur zu einem Drittel fremdfinanziert und die Zinsen sind historisch günstig. Dennoch kommt es bei niedrigen Milchpreisen einzelbetrieblich zu erheblichen Finanzengpässen: Die Landwirte überschreiten ihren Kontokorrentrahmen, die Lieferantenkredite steigen und sie können den Kapitaldienst nicht leisten. Spätestens dann ist der Gang zur Bank unvermeidbar.


Kreditvergabe verschärft


In der Vergangenheit reichte für eine Umfinanzierung oder einen neuen Kredit meist eine einfache Vorausschau. Diese musste unterjährig die Liquiditätsentwicklung für die nächsten drei Jahre darstellen. Wenn dadurch die Kapitaldienstfähigkeit bzw. Liquiditätssicherung erkennbar war und es eine strukturelle und keine individuelle Krise war, gab es in der Regel frisches Geld.Heute sind die Banken vorsichtiger. Der steigende Fremdkapitaleinsatz sowie die höheren Lohnkosten und Pachtzahlungen haben zwar gerade in Wachstumsbetrieben den Anteil der kalkulatorischen Kosten reduziert. Allerdings sind die tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen, die sogenannten pagatorischen Kosten, überproportional gestiegen. Milcherzeuger können somit bei niedrigen Preisen schlechter reagieren bzw. sich anpassen.


Was ist neu?


Geldinstitute wollen und müssen auch künftig mit der Kreditvergabe Geld verdienen. Allerdings haben sie die Anforderungen in den vergangenen Jahren spürbar verschärft. Und das, obwohl der Anteil an tatsächlich erlittenen Kreditausfällen in der Landwirtschaft immer noch nahe Null liegt.


So fordern Kreditinstitute bei Finanzierungsgesprächen vermehrt ein Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard (Institut der Wirtschaftsprüfer). Sie begründen das mit den Mindestanforderungen an die Kreditvergabe (MaRisk) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin). Darin fordert die BaFin die Banken auf, sich ein Sanierungskonzept des Landwirts vorlegen zu lassen, um dessen Sanierungsfähigkeit beurteilen zu können.


Damit ist eindeutig geregelt, dass eine Bank ohne Sanierungsgutachten ihr Risikomanagement nicht ordentlich betreibt. Sanierungsgutachten können Wirtschaftsprüfer, Berater oder Gutachter erarbeiten. Offen bleibt aber, wie sie das Sanierungskonzept anfertigen müssen. Zwar ist mit dem IDW S6 ein einheitlicher Standard definiert, gleichzeitig soll es aber für jeden Einzelfall eine eigene fachgerechte Betrachtung geben.


Ein wesentlicher Baustein der Gutachten ist, betriebliche Verbesserungen und deren Auswirkungen zu beschreiben und zu bewerten. Für einen Milchviehbetrieb sind das z.B. der Abbau der Überbelegung, die Reduzierung des Jungviehbestands sowie die Auslagerung der Außenwirtschaft.


Beispiel für ein Sanierungskonzept für einen Milchviehbetrieb. Landwirt und Berater müssen jede einzelne Maßnahme beschreiben und bewerten.


Landwirt und Berater müssen bei jeder einzelnen Maßnahme darlegen, ob sie nötig sowie umsetzbar ist und wie viel Geld die Verbesserung bringt. Zudem ist eine Sensitivitätsanalyse erforderlich. Diese bewertet, wie robust die Verbesserungen sind, wenn sich Rahmenbedingungen ändern. Am Ende wird das Ergebnis noch einem Worst-Case-Szenario gegenübergestellt, um auch auf die denkbar ungünstigste Entwicklung vorbereitet zu sein.


Klar ist, dass ein Gutachten für ein verschachteltes Unternehmen aus Milcherzeugung, Färsenaufzucht und Biogas mit mehreren Produktionsstätten und Kooperationen umfangreicher, aufwendiger und teurer ausfällt als eines für einen spezialisierten Marktfruchtbetrieb.


Haftung klären


Bei einer Insolvenz des Betriebes ist die Haftungsfrage entscheidend. Die Berater, die das Sanierungsgutachten erstellt haben, formulieren in der Regel einen Haftungsausschluss. In Einzelfällen akzeptiert die Bank diesen Passus nicht. Der Landwirt muss dann einen Gutachter beauftragen, der mit einer entsprechenden Haftpflichtversicherung im Rücken auf diesen Haftungsausschluss verzichtet.Dieses Vorgehen der Banken ist absolut kritisch zu sehen. Sie spielen dem Landwirt eine vermeintliche Sicherheit vor, die es de facto nicht gibt. Denn am Ende haftet der Einzelunternehmer bzw. Gesellschafter einer GbR immer selber – und zwar mit seinem Gesamtvermögen.


Die Berater der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen haben bereits Erfahrungen mit Sanierungsgutachten gesammelt. Die enge Zusammenarbeit zwischen Landwirt, Steuerberater, Bank und Berater ist sehr positiv und konstruktiv. In diesem Netzwerk lassen sich sehr schnell und effektiv Lösungen für Milchviehbetriebe erarbeiten und auf den Weg bringen.


Praixiserfahrungen


Landwirte berichten, dass sie durch das Gutachten innerbetriebliche Zusammenhänge und externe Einflüsse besser einschätzen können. Oft verfolgen sie die empfohlenen Optimierungen auch dann noch weiter, wenn die Sanierungsphase längst erfolgreich abgeschlossen ist.


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Wer darf ein Gutachten erstellen?


Nicht nur Wirtschaftsprüfer, auch Steuerberater, Unternehmensberater oder Gutachter sind geeignete Ansprechpartner für ein Sanierungsgutachten. Beachten sollte der Zuständige, dass das Gutachten hohe Anforderungen an die rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten, die persönliche Kompetenz und die Kapazitäten stellt. Vorteilhaft ist, wenn die Person Erfahrung in der Moderation schwieriger Situationen und in der richtigen Ansprache von Missständen und unbequemen Wahrheiten hat.


Landwirte sollten den Auftrag keinesfalls an eine nahestehende Person vergeben. Zum einen wegen einer möglichen Befangenheit. Und zum anderen wegen der Frage, wie zum Beispiel ein langjähriger Berater plötzlich die notwendige Distanz aufbringen soll, um zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung zu kommen.


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Was verlangt das Gutachten?


Diese Anforderungen stellt das Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard:


1. Grundlagen

  • Grund des Auftrags, Auftraggeber, Auftragsinhalt, -umfang usw.
2. Darstellung und Analyse des Unternehmens

  • Datengrundlage (Jahresabschluss, Betriebszweigauswertungen, Kreditverträge, Erörterungstermin usw.)
  • Analyse (Unternehmenslage, Umfeld, Branche, interne Betriebsverhältnisse)
3. Feststellung des Krisenstadiums

  • Steakholderkrise (Eigentümer, Betreiber, Mitarbeiter, Bank usw.)
  • Strategiekrise
  • Produkt- und Absatzkrise
  • Erfolgskrise
  • Liquiditätskrise
  • Insolvenzreife
  • Analyse der Krisenursachen
4. Aussagen zur Unternehmensfortführung

  • Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, Unternehmenstätigkeit
5. Leitbild des sanierten Unternehmens

  • Zielformulierung
6. Bewältigung der Unternehmenskrise

  • Sanierungsmaßnahmen
7. Integrierte Sanierungsplanung

  • Liquiditäts,- Ertrags und Vermögenslage
  • Alternativ- und Sensitivitätsrechnungen
8. Dokumentation und Berichterstattung


  • Konzeptformulierung
  • Vollständigkeitserklärung des Auftraggebers
  • Einschätzung des Erstellers
  • Klärung der Haftungsfrage

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