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Wer bezahlt am Ende für mehr Tierwohl?

Landwirte, Schlachter und Lebensmittelhändler haben nichts gegen mehr Tierwohl. Die Kernfrage lautet aber: Wer bezahlt am Ende dafür?

Lesezeit: 5 Minuten

Über 140 Teilnehmer diskutierten am Donnerstagabend mit Politikern, Vertretern der Agrarwirtschaft, NGOs und Landwirten über die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland bei der top agrar-Veranstaltung „Tierhalter im Tierschutzstress: Wo bleibt das Gesamtkonzept?“ im Rahmen der Reihe „Landwirtschaft im Dialog“. Das Landwirte mehr Tierwohl liefern können, daran hat die frisch gewählte stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Silvia Breher keinen Zweifel. „Die zweimalige Überzeichnung der Initiative Tierwohl ist ein deutliches Zeichen“, stellte Breher klar.

Dem wollte Friedrich Ostendorff, Agrarpolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen, nicht widersprechen. „Mich treibt aber die seit langem offene Frage um, wie wir Tierwohl in Deutschland gestalten. Es wurmt mich, dass wir nach jahrelanger Diskussion immer noch keinen Konsens darüber gefunden haben, wo wir eigentlich hinwollen. Es fehlt ein Gesamtkonzept“, lautete die Kritik Ostendorffs.

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Der Grünen-Politiker macht u.a. den Lebensmittelhandel, der sich gerne als großer Treiber der Tierwohldiskussion darstelle, für den Handlungsstau verantwortlich. „Wer einerseits neue Haltungsformen fordert und andererseits jede Woche Fleisch verramscht, ist nicht ehrlich. Das passt nicht zusammen“, so Ostendorff.

Das wollte Lidl-Einkaufschef Jan Bock so nicht stehen lassen. „Wir müssen bei der Umsetzung von mehr Tierwohl schrittweise vorgehen, sonst überfordern wir die Bauern und die Verbraucher“, warnte Bock vor zu großen Schritten. Die Initiative Tierwohl sei der richtige und pragmatische Ansatz. Ziel sei es, immer größere Anteile des Fleischangebots in höherwertige Haltungsstufen zu bekommen. „Beim Geflügelfleisch sind wir schon vollständig in Stufe 2 (Stallhaltung plus). Beim Schweinefleisch brauchen wir dafür noch die Nämlichkeit“, sagte er.

Rechtssicherheit schaffen

Wichtige Voraussetzung für mehr Tierwohl ist Rechtssicherheit beim Stallum- und Neubau. Das machte Schweinehalter Markus Lehmenkühler aus Nordrhein-Westfalen deutlich. „Ich warte seit mehreren Jahren darauf, dass die überarbeitete Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung endlich verabschiedet wird, damit ich meinen Sauenstall umbauen kann. Ich will in mehr Tierwohl investieren, kann aber nicht“, so Lehmenkühler.

Verständnislos ist auch Hähnchenmäster Jürgen Seeger aus Niedersachsen. „Ich habe einen neuen Hähnchenstall für knapp 30.000 Tiere genehmigt bekommen und diesen nach Tierwohlkriterien gebaut. Nach nur einem Durchgang hat der Kreis die Baugenehmigung plötzlich wiederrufen“, so Seeger. Der Grund: angebliche Verfahrensfehler. Jetzt steht der Stall seit Jahren leer. „Das belastet finanziell und emotional“, zeigt Seeger die Folgen auf.

Andreas Wörle aus Bayern sieht sogar die Gefahr, dass sein Betrieb mit 25 Kühen in Anbindehaltung demnächst ausläuft, weil er keine Baugenehmigung für einen neuen Boxenlaufstall bekommt. „Meine Molkerei hat mir mitgeteilt, dass sie die Milch nicht mehr abholt, wenn die Kühe weiter in Anbindehaltung stehen“, macht Wörle die zuständigen Behörden für die Situation verantwortlich.

Investieren die Landwirte nicht, ist die ganze Kette betroffen

Wenn die Bauern nicht investieren können, weil sie nicht wissen, wohin die Reise geht, hat das auch negative Folgen für den vor- und nachgelagerten Sektor. Darin waren sich Steen Sönnichsen, Westfleisch, Dr. Dirk Köckler, Agravis, Dr. Edgar Martin, R+V-Versicherung, Dr. Christian Bock, Landwirtschaftliche Rentenbank, Dr. Hermann-Josef Nienhoff, QS-System, einig. „Als Futtermittel- und Landtechnikhändler bekommen wir sofort zu spüren, wenn die Landwirte keine sicheren Rahmenbedingungen haben. Dann sinken die Auftragseingänge“, warnte Dr. Dirk Köckler vor dem weiter anhaltenden Reformstau seitens der Politik. Diese wirke sich auch negativ auf die Entwicklung der ländlichen Räume aus. „Da sind wir derzeit noch nicht, aber da können wir schnell hinkommen“, so Köckler.

Weiterhin viele offene Fragen

Dass man die deutsche Nutztierhaltung auch in Zukunft im Land halten möchte, daran bestand gestern bei niemandem ein Zweifel – auch nicht bei Martin Hofstetter von Greenpeace. Das wird nach Einschätzung der Diskutanten aber nur gelingen, wenn folgende Punkte umgesetzt werden:

  • Eine klare und verbindliche Rechtsetzung, die vor allem die Zielkonflikte zwischen Umwelt- und Baurecht endlich löst.



  • Eine eindeutige Kennzeichnung von Tierwohlware. Der von LIDL entwickelte vierstufige Haltungskompass (Stallhaltung, Stallhaltung Plus, Aussenklima, Premium), der inzwischen vom gesamten Lebensmittelhandel mitgetragen wird, sei dafür eine bessere Grundlage als das von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner beabsichtigte freiwillige staatliche Tierwohlkennzeichen, dass zudem zunächst nur für Schweinefleisch gelten soll, hieß es in der Diskussion.



  • Mehr Geld vor allem für Investitionen. Ob darüber hinaus auch staatliche Tierwohlprämien notwendig sind oder ob der Markt und damit die Verbraucher mehr Tierwohl ausschließlich über höhere Verbraucherpreise finanzieren werden, da waren sich die Vertreter auf dem Podium nicht einig. In jedem Fall müsse die Einsicht des Verbrauchers, für höhere Tierwohlstandards mehr Geld zu bezahlen, noch wachsen. Das sei auch eine Aufgabe der Branche, dies zu kommunizieren. Politik, Berufsstand und NGOs kritisierten einmütig, dass die Rabattschlachten des Lebensmitteleinzelhandels diesbezüglich nicht hilfreich seien, die Wertschätzung für Fleisch zu erhöhen



  • Ein gesellschaftlicher Konsens über den zukünftigen Weg. Deutschland brauche eine überparteiliche und von allen Beteiligten in der Wertschöpfungskette mitgetragene Strategie für die Zukunft der Nutztierhaltung. Daran arbeitet derzeit das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung im Auftrag des BMEL unter Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert. Die Ergebnisse sollen im Februar 2020 präsentiert werden.
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