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topplus Zukunft der Agrarzahlungen

Wer profitiert von der Gemeinwohlprämie?

Das Thünen-Institut bewertet die Gemeinwohlprämie in einer Stellungnahme für das BMEL positiv. Erstautor Norbert Röder erläutert im Interview, was sich damit für Betriebe und Regionen ändern würde.

Lesezeit: 10 Minuten

Im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) haben Sie wissenschaftlich geprüft, inwieweit das Modell der Gemeinwohlprämie des Deutschen Verband für Landschaftspflege für eine Umsetzung der verpflichtenden Eco-Schemes ab 2023 geeignet ist. Hat Sie der Ansatz überzeugt?

Röder: An der Gemeinwohlprämie überzeugt mich vor allem der Grundansatz. Erstens, die Höhe der einzelnen Maßnahmenentgelte bezieht sich auf den gesellschaftlichen Mehrwert, den die Umsetzung der Maßnahme schafft. Zweitens, die Gemeinwohlprämie setzt konsequent an der Einzelfläche an, so dass auf dieser Ebene jeder Landwirt die Entscheidung treffen kann, in welchem Umfang und wo er Gemeinwohlleistungen erbringt. Drittens, es wird ein Markt für diese Leistungen geschaffen, auf dem die Landwirte miteinander konkurrieren. Viertens, es wird eine Vielzahl von Maßnahmen angeboten. Dieses Angebot umfasst bewusst auch niederschwellige Angebote und die einzelnen Maßnahmen können von jedem teilnehmenden Landwirt sehr flexibel auf den einzelnen Flächen kombiniert werden.

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Für welche Betriebe lohnt sich die Gemeinwohlprämie besonders?

Röder: Dies hängt natürlich von der konkreten Ausgestaltung der Gemeinwohlprämie einschließlich der Prämienhöhen ab. Die Gemeinwohlprämie fördert wie auch andere in Deutschland diskutierte Vorschläge zu den Ökoregelungen vom Grundsatz her extensive Bewirtschaftungsverfahren. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass generell für Betriebe auf schwachen Standorten und extensiv wirtschaftende Futterbaubetriebe die höchsten Einkommenseffekte zu beobachten wären. Tendenziell sorgt die Gemeinwohlprämie für eine stärkere Inwertsetzung des Grünlandes im Vergleich zum Ackerland.

Welche Betriebe haben den größten Umstellungsbedarf, wenn sie die Gemeinwohlprämie in Anspruch nehmen wollen?

Röder: Die Kehrseite der Förderung von extensiven Bewirtschaftungsverfahren bei bundesweit einheitlichen Förderhöhen ist, dass sich die Generierung einer hohen Gemeinwohlprämie für Betriebe mit einer hohen Wertschöpfung kaum lohnt. Dies sind vor allem Veredlungs- und Sonderkultur- sowie intensive Milchviehbetriebe. Bei diesen Betrieben machen aber die jetzigen Direktzahlungen nur einen geringen Teil des Umsatzes aus. Auch zeigen aktuelle Untersuchungen, dass die jetzigen Direktzahlungen in Regionen mit hoher regionaler Wertschöpfung in der Landwirtschaft stärker auf den Bodenmarkt überwälzt werden.

Wie viele Betriebe werden bei der aktuellen Betriebsausrichtung an der Gemeinwohlprämie überhaupt teilnehmen wollen?

Röder: Die Gemeinwohlprämie beinhaltet zumindest für den Ackerbau und die Grünlandbewirtschaftung auch einige sehr niedrigschwellige Angebote (z. B. Prämie für Schläge mit weniger als 10 ha Fläche) aus diesem Grund werden nahezu alle Betriebe in einem gewissen Umfang eine Prämie erhalten können. Ferner ist die Gemeinwohlprämie stringent an der Einzelfläche ausgerichtet, so dass auch Betriebe, die im Schnitt sehr intensiv wirtschaften, ihre „schlechten“ Flächen über die Gemeinwohlprämie in Wert setzen können. Lediglich für die gut 16.000 Betriebe, die nahezu ausschließlich Sonder- und Dauerkulturen bewirtschaften ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Betriebe auf die Gemeinwohlprämie verzichten würde.

Würde die Gemeinwohlprämie dazu führen, dass sich die Mittelverteilung sich zwischen den Bundesländern ändert? Welche Regionen zählen dann zu den Gewinnern?

Röder: Ja, die Gemeinwohlprämie würde zu einer Veränderung der Mittelverteilung zwischen den Bundesländern führen. In der untersuchten Ausgestaltung würden vor allem das Saarland (Prämie im Schnitt 300 EUR je ha Gesamt-LF), Bayern, Baden-Württemberg und Hessen (um die 250 EUR je ha) von einer Gemeinwohlprämie profitieren. Die geringsten Prämienhöhen ermittelten wir für Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen (ungefähr 170 EUR je ha). Im Rest der Bundesländer läge die Zahlung sehr nah am Bundesschnitt von 210 EUR je ha. Da wir nur von geringen Anpassungsreaktionen ausgegangen sind, ist diese Prämienhöhe sehr stark vom jetzigen Umfang und der Ausgestaltung der Agrarumweltprogramme in den Ländern abhängig. Somit dürfte die mittlere Prämienhöhe insbesondere in Nord-Ost-Deutschland tendenziell unterschätzt sein.

Welche Anpassungsreaktionen auf dem Bodenmarkt erwarten Sie, falls die Gemeinwohlprämie eingeführt wird?

Röder: Im Großen und Ganzen gehe ich im Vergleich zum heutigen System von einer sinkenden Überwälzung auf den Pachtmarkt aus. Erstens, verursacht die Gemeinwohlprämie Anpassungskosten bei den Betrieben, somit sinkt der Anteil der Zahlung, der zur Entlohnung von Arbeit, Kapital und Boden übrigbleibt. Zweitens sinkt die Transparenz auf dem Pachtmarkt für den Verpächter, da die erzielbare Prämienhöhe nicht mehr unabhängig von betrieblichen Faktoren und betriebsindividuellen Entscheidungen ist, so dass der Pächter tendenziell in einer besseren Verhandlungsposition ist. Der Rückgang dürfte am stärksten in den Regionen mit hoher Wertschöpfung sein, da hier vorrausichtlich Gemeinwohlprämien in geringem Maße generiert werden. Da insbesondere auf marginalen Grünlandstandorte zum Teil deutlich höhere Zahlungen als gegenwärtig realisiert werden können, sind hier steigende Pachtpreise möglich.

Welche Vorteile hat die Gemeinwohlprämie im Vergleich zu den bisher angedachten Optionen, die Ökoregelungen umzusetzen?

Röder: Im Gegensatz zur Gemeinwohlprämie beinhaltet der bisherige Entwurf der zuständigen Bund-Länder Arbeitsgruppe wenige Maßnahmen, die fast ausschließlich auf Ebene des Betriebszweiges (Acker, Grünland) oder des Betriebes ansetzen. Dies führt dazu, dass die Landwirte nur entscheiden können, ob sie an einer Maßnahme teilnehmen oder nicht, aber nicht über den Maßnahmenumfang, somit haben innerbetriebliche Unterschiede in den Standorten einen geringeren Einfluss auf die Teilnahmemöglichkeiten. Daneben sind die von Bund und Ländern diskutierten Maßnahmen etwas ambitionierter als die niedrigschwelligen Angebote der Gemeinwohlprämie. Dies führt bei den politisch gesetzten bundeseinheitlichen Prämienhöhen dazu, dass entweder ganze Betriebe und Regionen mit hoher Wertschöpfung auf der Fläche nicht erreicht werden oder die Prämien so hoch ausfallen müssen, dass der Aufwand für die Landwirte in weiten Teilen Deutschlands überkompensiert ist. In diesem Fall ist es absehbar, dass die Ökoregelungen schnell als Greenwashing diskreditiert werden.

Wo sehen Sie noch Nachbesserungsbedarf?

Röder: Mein Hauptkritikpunkt ist, dass es keine Absenkung der Prämienhöhe mit steigendem Umsetzungsumfang mehr gibt. Die Prämie für das erste Prozent Blühfläche an der betrieblichen Ackerfläche müsste höher sein als die für das zehnte. Denn der zusätzliche Nutzen je Einheit eines Gutes wird im Regelfall immer kleiner, je mehr von ihm bereitgestellt wird. Ohne diesen Dämpfer ist es wahrscheinlich, dass ganze Landschaften mit schwachen Standorten aus der Produktion genommen werden, da die Prämien für nicht-genutzte Flächen hier flächig deutlich über den erzielbaren Markterlösen liegen. Schließlich ist ohne diese Dämpfung von einer starken Überwälzung auf den Bodenmarkt auszugehen. Daneben ist bei einigen Maßnahmen unklar, wie relevant die unerwünschten Nebenwirkungen sind, wenn sie in größeren Umfang umgesetzt werden. So haben z. B. Stoppelbrachen positive Effekte unter anderem für viele seltene und konkurrenzschwache Arten der Ackerbegleitflora und Feldvögel. Allerdings verbessern sich auch die Bedingungen für die Übertragung von Vektorkrankheiten, die Ausbreitung von Mäusen und für schwer zu bekämpfende und konkurrenzstarke Wildkräuter. Dies könnte am Ende dazu führen, dass mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, und somit die Abwägung der Vor- und Nachteile aus Sicht des Naturschutzes ins Negative kippt. Für diese Maßnahmen empfehlen wir ein begleitendes Monitoring, um rechtzeitig reagieren zu können, wenn die Entwicklung aus dem Ruder läuft.

Bringt die Gemeinwohlprämie nur etwas für die Artenvielfalt oder auch für den Klimaschutz?

Röder: Die Gemeinwohlprämie ist sehr stark auf die Förderung der terrestrischen Biodiversität in Agrarlandschaften zugeschnitten. Die durch die Gemeinwohlprämie induzierte Extensivierung der Landnutzung würde zwar zu geringen Emissionen auf nationaler Ebene führen. Die geringere Produktion in Deutschland dürfte aber weitestgehend durch eine höhere Produktion andernorts ausgeglichen werden, so dass die Emissionen lediglich räumlich verlagert werden. Allerdings sehe ich die Fokussierung auf den Biodiversitätsschutz nicht als Nachteil an. Die wesentlichen Stellschrauben, um die Treibhausgasemissionen der deutschen Landwirtschaft effizient zu mindern, sind das Wirtschaftsdüngermanagement und die Wiedervernässung organischer Böden. Hier sind z. B. investive Förderungen über die 2. Säule reinen Flächenzahlungen vorzuziehen.

Wie schätzen Sie die Sorge ein, dass die Gemeinwohlprämie mit den Mitteln der 1. Säule die bewährten Agrarumweltmaßnahmen in der 2. Säule kaputt macht?

Röder: Die Sorge kann ich teilweise verstehen, da es keine Doppelförderung geben darf. Sie ist aber keine spezifische Herausforderung für die Gemeinwohlprämie. Sie gilt für jeden Vorschlag, der wirksame Maßnahmen über die Ökoregelungen umsetzen will. Allerdings bestehen erhebliche Freiheitsgrade, welche Kosten für die Prämienkalkulation herangezogen werden können. Es ist keineswegs notwendig, dass die Kosten lediglich Veränderungen im Deckungsbeitrag reflektieren. Aus ökonomischer Sicht können auch Präferenzen der Landwirte oder die Veränderung des Optionswertes von Flächen entscheidungsrelevante Kosten verursachen.

Wie verträgt sich die Gemeinwohlprämie mit den WTO-Anforderungen? Geht sie als erlaubte Subvention durch?

Röder: Das hängt von mehreren Faktoren ab. Die Gemeinwohlprämie wäre auf jeden Fall WTO konform, wenn die EU sich entscheiden würde, die Ökoregelungen in der „amber-box“ zu notifizieren. Die im Trilog vorliegenden diskutierten Entwürfe sehen dies leider nicht vor. Wenn die Gemeinwohlprämie mit einer Betriebspauschale verknüpft wäre, wäre ihr Wirkmechanismus derselbe wie beim Greening. Ob jetzt Punkte oder gewichtete Hektare betrachtet werden, ist zumindest aus ökonomischer Sicht egal. Wenn das Greening „green-Box“-fähig war, dann sollte es eine so ausgestaltete Gemeinwohlprämie auch sein.

Wenn sich der EU-Agrarministerrat durchsetzt und nur 20% der Direktzahlungen an die Ökoregelungen frei gibt. Lohnt die Gemeinwohlprämie dann noch?

Röder: Wenn nur ein geringer Budgetanteil für die Ökoregelungen vorgesehen wird, dann sollten besonders die Elemente aus der Gemeinwohlprämie gestrichen werden, die mit einem hohen Einkommenseffekt verbunden sind. Für die Einkommenswirkung gibt es dann noch eine vergleichsweise umfangreiche Basisprämie. Prioritäre Streichkandidaten wären dann aus meiner Sicht die pauschale Grünlandförderung, die Förderung kleiner Schläge im Ackerbau und im Grünland. Auf diese drei Maßnahmen entfällt fast ein Drittel des gesamten Budgetbedarfs der Gemeinwohlprämie. Selbst bei 20 % der Direktzahlungen reden wir über Beträge in der Größenordnung von 800 Mio. bis 1 Mrd. Euro pro Jahr in Deutschland. Das ist ungefähr das gegenwärtige Gesamtbudget der Agrarumweltmaßnahmen in der 2. Säule. Somit ist von einer erheblichen Wirkung auszugehen. Neben dem unmittelbaren Umwelteffekt würden wir viele Informationen gewinnen, wie sich Landwirte anpassen. Dies könnte die Diskussionen zur Weiterentwicklung der GAP, die in spätestens 5 Jahren wieder anstehen, auf eine deutlich bessere Datenbasis stellen.

Das Modell der Gemeinwohlprämie hat der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) erarbeitet. Er plädiert dafür, mit dem darin hinterlegten Punktesystem die Ökoregelungen (Eco-Schemes) ab 2023 umzusetzen. Dazu soll es einen Maßnahmenkatalog geben, aus dem Landwirte auswählen können und der vor allem Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität belohnt. Darunter fallen der Anbau von Leguminosen und Sommergetreide (ohne Mais), Blühflächen, der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz und Mineraldünger, die Weidenutzung oder Altgras- und Saumstreifen.

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