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Wiebke: Die Kräfte des Waldes

Der Orkan Wiebke schlug vor allem im Westerwald katastrophal zu. Bei der Wiederbewaldung setzte man erstmals mehr auf die natürliche Entwicklung.

Lesezeit: 6 Minuten

Der Orkan Wiebke schlug vor allem im Westerwald katastrophal zu. Bei der Wiederbewaldung setzte man erstmals mehr auf die natürliche Entwicklung.


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Für Menschen mit althergebrachter Einstellung zur Forstwirtschaft war das wohl erst schwer zu verstehen“, meint Förster Andreas Schäfer aus Hachenburg im Westerwald, Rheinland-Pfalz. Denn nach dem Sturm Wiebke im Jahr 1990 entschieden sich die Verantwortlichen an einigen Stellen, teils oder sogar ganz auf die Räumung zu verzichten. Und nicht überall wurde direkt gepflanzt, Pionierbaumarten übernahmen oft eine wichtige Rolle als Vorwald.

Andreas Schäfer war im vierten Jahr im Revier, als Wiebke zuschlug. Hier im Westerwald gibt es vor allem Gemeindewald. Schäfer unterrichtet am Forstlichen Bildungszentrum Rheinland-Pfalz in Hachenburg und betreut als Förster sechs Gemeinden mit Flächengrößen von 45 bis 160 ha, einige Privatwaldbesitzer und Staatswald.


Sparkasse lag am Boden


Andreas Schäfer erinnert sich noch sehr genau an den Tag nach dem Sturm: „Die Fichten-Reinbestände waren die Sparkasse vieler Kommunen in der Region – und in nur einer Nacht war dieses Sparschwein zerbrochen.“ Die meisten betroffenen Bestände waren gerade 60 bis 80 Jahre alt und sollten ab diesem Zeitpunkt „ins Geld wachsen“. Die Gemeindekämmerer hatten die künftigen Holzerlöse fest eingeplant.


Eine Katastrophe mit solchen Ausmaßen hatte niemand erwartet und Schäfer musste auf 600 ha mit bis zu 25.000 fm Sturmholz fertig werden. Der Holzpreis stürzte kurz nach dem Sturm von sehr guten 200 DM/fm (ca. 100 €) rasant ab, was die Sache noch schwieriger machte. Weil sich vor allem Bruchholz kaum verkaufen ließ, blieb bis zu einem Viertel der Holzmenge auf den Flächen liegen.


Weil Andreas Schäfer noch heute, knapp 30 Jahre später, für das gleiche Revier zuständig ist, kann er uns bei einer kleinen Wanderung genau zeigen, wie sich die unterschiedlichen Maßnahmen ausgewirkt haben.

Wiebke kam zu einem Zeitpunkt, als gerade die ökologische Wende in der Waldwirtschaft einsetzte. Schon vor dem Sturm diskutierte man intensiv über mehr standortgerechte Baum­arten, den Aufbau von Mischwäldern, das Fördern von Laubbäumen und die natürliche Verjüngung wo immer möglich. Der damals junge Förster orientierte sich beim Wiederaufbau der Bestände an diesen Grundsätzen. Dabei musste er auch viel Überzeugungs­arbeit in den Gemeinderäten leisten. Nicht wenige wollten direkt nach dem Sturm so schnell wie möglich wieder Fichten pflanzen – den Brotbaum, der schließlich in der Vergangenheit für ­sichere Einkünfte gesorgt hatte.


Andreas Schäfer hält die Fichte auch heute für eine sehr wichtige Baumart, sie bleibt wirtschaftlich sehr stark. Doch nicht mehr in schlanken, engen Reinbeständen, sondern möglichst stabil. Stabile Bäume haben einen tieferen Schwerpunkt, die Krone setzt weiter unten an. Sie macht mehr als 50 % der Baumhöhe aus. So etwas erreicht man mit geringerer Stammzahl pro ha, der Zuwachs ist höher, die Bäume werden früher genutzt. Außerdem versucht Andreas Schäfer, die nächste Waldgeneration hier möglichst früh in die Startlöcher zu bringen. Als Zeitpunkt dafür hält er das Alter ab 40 Jahren für passend, wenn das Risiko der Fichte deutlich steigt.


Stabilere Laubbäume


In den Hauptschadenszonen hat Wiebke alles umgelegt. Doch in vielen Bereichen blieben die Laubbäume stehen, während die Fichten-Reinbestände komplett am Boden lagen. „So konnte ich die Gemeinderäte überzeugen, diese Richtung einzuschlagen.“ Vielfalt bzw. Biodiversität sollte das forstliche Motto sein.

Wo immer möglich, setzte Förster Schäfer schon damals auf Naturverjüngung. Er zeigt uns eine Sturmfläche, auf der heute wieder Fichten stocken. Damals erkannte er nach der Räumung die dicht auflaufende Verjüngung und überzeugte den verantwortlichen Kämmerer, hier nicht zu pflanzen – mit Erfolg. Bei unserem Besuch ist der Bestand gut entwickelt.


Die Gassen haben übrigens einen Abstand von 40 m, sind dafür aber 5 m breit. So können auch künftig eventuell noch größere Maschinen auf ihnen fahren. Außerdem entwickeln sich an ihren Rändern tief bekronte Bäume, die den Bestand zusätzlich stabilisieren, erklärt Andreas Schäfer.


An anderen Stellen waren einzelne Samen(Mutter)bäume stehen geblieben: Douglasien, Lärchen, Fichten und natürlich Buchen, die hier im Westerwald im Optimum sind. Birken und andere Pioniere wurden jetzt als Vorwald toleriert. Auch das wurde an­fänglich sehr kritisch gesehen, erinnert sich Andreas Schäfer: „Ein Förster, der ­früher viele Birken im Revier hatte, galt als „fauler Förster“ und jemand, der sein Revier nicht im Griff hatte. Birke wurde als Unkraut des Waldes bezeichnet. Heute halte ich die Birke eher für das „Heilkraut des Waldes.“


An einigen Orten hat der Förster die Birken sogar ästen lassen – vielleicht geht da mehr als nur Kamin- oder Industrieholz. An anderen Stellen zieht sich die Birke mittlerweile zurück, die Nadelbäume wachsen an ihnen vorbei . An wieder anderen Stellen wurde Buche unter dem (Birken-)Vorwald als Schlusswaldgesellschaft etabliert.


In Rheinland-Pfalz bringt man die Buche – auch bei der Vorausverjüngung – in Form von „Klumpen“ ein. Dabei pflanzt man nicht flächig, sondern gruppenweise 50 bis 70 Buchen relativ dicht. Die Pflanzenzahl von insgesamt 2.000 Stück pro ha bleibt aber gleichhoch wie bei flächiger Pflanzung. Die Buchen sollen sich so gegenseitig Konkurrenz machen und pro Klumpen wird sich der vitalste Baum durch­setzen. Weiterer Vorteil: Weil nicht ­flächig gepflanzt wird, halten sich die Schäden bei der Holzernte und beim Nutzen des Altbestandes in ­Grenzen.


Ärgerliche Schnellschüsse


Natürlich wurde auch direkt nach Wiebke gepflanzt. Andreas Schäfer führt uns ­zu einem Eichenbestand, der mit öffentlichen Fördergeldern bezuschusst wurde. Die Stückzahl lag bei rund 9 000 Pflanzen pro ha. Gerade hat er die Z-Stämme ausgewählt und entsprechend gefördert. An anderer Stelle zeigt er uns gepflanzte Kirschen, die weniger gut aussehen. Hier war das Pflanzgut wohl von minderer Güte. Das ist seiner Ansicht nach eines der Hauptprobleme nach großen Stürmen: knappes, teureres Pflanzgut, teils mit zweifelhafter Qualität – Schnellschüsse wirken sich über 100 Jahre aus.


Deshalb muss man nach dem Sturm vor allem Geduld haben. Und Nerven – besonders wenn Politik und Gesellschaft schnelle Ergebnisse sehen ­wollen. Nach einigen Jahren sinken die Preise für die Pflanzen wieder. Auch die zwischenzeitliche, natürliche Sukzession spielt eine Rolle. Denn dann kann man in Ruhe sehen, welche Baumarten sich mittlerweile eingestellt haben und wo man durch Pflanzung ergänzen muss. „Wir haben im Wald zwar nie Geld – aber immer Zeit“, ­findet Förster Andreas Schäfer.

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