Die Göttinger Verbraucherforscherin Dr. Anke Zühlsdorf hat im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung den Jugendreport zur Zukunft nachhaltiger Ernährung verfasst. Dazu wurden fast 1 500 junge Menschen zu ihrem Essverhalten befragt. Wir haben mit Frau Dr. Zühlsdorf über die Erkenntnisse gesprochen.
Frau Zühlsdorf, im Jugendreport zur Zukunft nachhaltiger Ernährung stellen Sie fest: Essen ist so politisch wie nie zuvor. Was meinen Sie damit?
Zühlsdorf: Viele junge Menschen verknüpfen ihre Ernährung mit Forderungen nach mehr Tier- und Umweltschutz. Wir nennen sie politisierte Esser. Fast 90 % der befragten 15- bis 29-Jährigen haben ein großes Interesse an Ernährungsthemen. Und stellen klare Ansprüche an die Politik.
Es geht beim Essen nicht mehr um Genuss oder Sättigung?
Zühlsdorf: Die Konsummotive haben sich geändert. Junge Menschen wollen Lebensmittel genießen. Aber nachhaltig produziert müssen sie sein. Das sieht man auch daran, dass den Befragten der Zusammenhang zwischen Fleischverzehr und Klimawandel sehr klar ist. Das war vor fünf Jahren noch anders.
Junge Menschen wollen Lebensmittel genießen. Aber nachhaltig produziert müssen sie sein."
Was fordern die jungen Menschen konkret?
Zühlsdorf: Fast 70 % der Befragten fordern staatliche Unterstützung für eine klimafreundliche Ernährung. Nur Wenige (5 %) finden die heutige Tierhaltung in Ordnung. Eine deutliche Mehrheit will strengere Tierschutzgesetze, staatliche Subventionen für Obst und Gemüse und eine Klimakennzeichnung für Lebensmittel.
Verbote wollen die jungen Menschen jedoch nicht.
Zühlsdorf: So ist es. Einen Veggie-Day oder ein Werbeverbot für Fleisch lehnen die Befragten mehrheitlich ab. Diesen Trend sehen wir auch in der Gesamtbevölkerung. Die Leute wollen selbst entscheiden, ob heute der Tag ist, an dem sie doch mal Fleisch essen oder eben nicht.
Die jungen Menschen haben dem Fleisch also nicht komplett abgeschworen?
Zühlsdorf: Knapp 2/3 der befragten Jugendlichen sind Allesesser. 24 % sind Flexitarier, ernähren sich also hauptsächlich fleischlos und 12 % sind Vegetarier oder Veganer. Dieser Anteil ist doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Bei den jungen Frauen ernährt sich jede dritte flexitarisch. Fast die Hälfte der Jugendlichen hinterfragt ihren Fleischkonsum.
Dieser Hälfte der Befragten fällt der Fleischverzicht noch schwer?
Zühlsdorf: Viele Jugendliche empfinden das vegetarische und vegane Angebot in Kantinen, Mensen und Restaurants als unzureichend. Das ist ein Grund, nicht komplett auf Fleisch zu verzichten. Junge Menschen greifen gerne zu Ersatzprodukten für Fleisch und Milch. Vielen sind die aber noch zu teuer, oder sie mögen einfach ein Stück Fleisch.
Die gesamten Ergebnisse der Studie finden Sie hier.