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Autos gegen Agrar: Opfert Brüssel die Bauern?

Lesezeit: 5 Minuten

Während sich die Industrie freut, ärgern sich Agrarverbände: Wie gefährlich ist das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten für die EU-Agrarmärkte?


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Heribert Breker, Landwirtschaftskammer NRW


Heribert Breker, Landwirtschaftskammer NRW


Heribert Breker, Landwirtschaftskammer NRW


Nach 20 Jahren Verhandlungsdauer haben EU und die Mercosur-Länder ein vorläufiges Freihandelsabkommen zur Ratifizierung vorgelegt. Das Ziel: Weitgehend zollfreier bzw. zollbegünstigter Warenaustausch zwischen den Vertragspartnern mit rund 260 Mio. Menschen in Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay und den mehr als 500 Mio. Verbrauchern in der EU.


Die Mercosur-Staaten verpflichten sich, die Zölle auf Autos, Maschinen und Maschinenteile aus der EU zu streichen und auf Pharmaprodukte deutlich zu senken. Ingesamt sollen die europäischen Exporteure jedes Jahr rund vier Milliarden Euro an Zöllen einsparen. Kein Wunder, dass sich die hiesigen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen die Hände reiben.


Landwirtschaft verkauft?


Die Zugeständnisse erkaufte sich Brüssel vor allem durch Zollerleichterungen bei den Agrarprodukten. Dabei handelt es sich vornehmlich um Importe von Rind-, Schweine-, Geflügelfleisch, Zucker und Bioethanol. Die zollbegünstigten Einfuhrmengen aus Mercosur sind dabei grundsätzlich kontingentiert (siehe Übersicht 1). Die Übergangsfristen für die Zollerleichterungen reichen von sechs bis 15 Jahren.


Streit gab es während der Verhandlungen vor allem beim Rindfleisch. Die Mercosur-Staaten haben im Durchschnitt der letzten drei Jahre insgesamt rund 230000 t Rindfleisch in die EU geliefert. Der Löwenanteil von gut 180000 t ist nicht zollbegünstigt mit 12,8% Wertzoll plus 2,21 €/kg pauschal in die Gemeinschaft gekommen.


Ein Beispiel: Bei einem Preis frei Einfuhrhafen von 3,50 €/kg + 0,45 €/kg Wertzoll +2,21 €/kg errechnet sich ein Mindesteinfuhrpreis von 6,16 €/kg. Das rechnet sich nur für höherwertiges Rindfleisch.


Daneben gibt es schon seit langem ein zollbegünstigtes Einfuhrkontingent für die Mercosur-Staaten von 55000 t mit 40 bis 45% Wertzoll. Das nutzen die Südamerikaner vor allem für hochwertige Ware (Hilton Beef).


Folgen für den EU-Markt


Tritt das neue Abkommen in Kraft, können künftig 99000 t Rindfleisch – also 80% mehr – zollbegünstigt in die EU kommen. Außerdem wird der Wertzoll auf nur noch 7,5% sinken.


Das klingt aus Sicht hiesiger Erzeuger zunächst bedrohlich. Allerdings ist der Marktanteil dieses Kontingents gemessen am EU-Rindfleischverbrauch auch nach der Erhöhung mit 1,25% recht überschaubar (siehe Übersicht 2). Für darüberhinausgehende Mengen bleibt es beim alten Regelzollsatz.


Was würde also passieren? Da der EU-Rindfleischverbrauch stagniert, gäbe es für höhere Importmengen keine Nachfrage, sodass die Gesamt-EU-Einfuhren stabil blieben. Voraussichtlich werden hochverzollte Mengen gegen die neuen zollbegünstigten Mengen getauscht.


Wenig dramatisch sind auch die Auswirkungen auf den Schweinemarkt. Die 25000 t Schweinefleisch, die laut Mercosur-Abkommen zum Vorzugszoll von 83 €/t in die EU wandern, entsprechen 0,1% des gemeinschaftlichen Verbrauchs und dürften den Markt kaum stören.


Brasilien mit viel Geflügel


Größere Dimensionen erreichen da schon die Geflügelfleischlieferungen mit über 317000 t im vergangenen Jahr. Darunter 243807 t, die Brasilien als gesalzenes bzw. gekochtes Hühnerfleisch zu einem reduzierten Zollsatz von 10,9 bzw. 15,4% in die EU liefern darf. Im neuen Abkommen wird zwar nur eine Quote von 180000 t Geflügelfleisch genannt. Diese Menge würde aber nur mit 7,5% verzollt. Gemessen am Hähnchenfleischverbrauch sind das rund 2%. Auch in diesem Falle wird bei einem tendenziell eher rückläufigen EU-Gesamtimport in erster Linie ein Mengenaustausch zu den niedrigen Zollkategorien stattfinden.


Für nichtquotierte Einfuhrmengen gilt weiterhin ein allgemeiner Zolltarif von 276,50 €/100 kg.


Billig-Zucker aus Brasilien


Zu den hohen Regelzöllen von 419 €/t für Weiß- bzw. 339 €/t für Rohzucker kommt bisher kaum Ware zu uns. Brasilien hat aber bereits ein Kontingent von 180000 t, das mit 98 €/t verzollt wird. Geht es nach den Brüsseler Plänen fällt dieser Zoll künftig ganz weg. Außerdem erhält Paraquay einen zollfreien Zugang für 10000 t Zucker.


Die Mengen sind auch beim Zucker damit relativ klein. Die unverzollte Ware trifft die europäische Zuckerbranche aber in einer schwierigen Umorientierungsphase mit Tiefstpreisen.


Die Zuckerwirtschaft ärgert sich deshalb eher über die grundsätzliche Wettbewerbsverzerrung. Die Verbände kritisieren, dass Brasilien die Zuckererzeugung subventioniert, fragwürdige Pflanzenschutzmittel einsetzt und niedrige Sozial- und Umweltstandards hat.


Am härtesten trifft es wohl die Bioethanol-Branche. Nach der Übergangsphase sollen 450000 t zollfrei und 200000 t begünstigt in die Gemeinschaft kommen. Das sind rund 12% des aktuellen EU-Verbrauchs.


Da die Absatzmöglichkeiten in der EU begrenzt sind, kommt die teure Inlandsware unter Druck. Eine Erhöhung des Beimischungsanteils bei Kraftstoffen könnte den Schaden begrenzen.


Kaum Vorteile zu erwarten


Die europäische Milchbranche hat mit dem Mercosur-Abkommen hingegen wenig Probleme. Die Südamerikaner eröffnen den Europäern zollfreie Einfuhrkontingente für 30000 t Käse, 10000 t Milchpulver und 5000 t Babynahrung. Die bisherigen Importzölle von bis zu 28% werden stufenweise auf Null abgebaut. Diese Regelung gilt allerdings für beide Seiten.


Weitere Vorteile für die EU-Agrarbranche könnten durch den Wegfall der südamerikanischen Importzölle auf Wein, Spirituosen, Honig, Olivenöl und weiteren Einzelprodukten entstehen. Außerdem sind 350 regionale Markenprodukte wie Schwarzwälder Schinken, Nürnberger Würstchen u.ä. vor Nachahmung geschützt.


Sollte es zu kurzfristigen Belastungen auf einzelnen Agrarmärkten durch zunehmende Südamerika-Importe kommen, sollen 1 Mrd. € zum Ausgleich abrufbar sein.


andreas.beckhove@topagrar.com

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