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Beim VzF Uelzen machen alle Betriebe mit

Lesezeit: 8 Minuten

Nach BSE und MKS fordern im-mer mehr Marktpartner eine produktbe-gleitende Dokumentation vom Rohstoff zum Endprodukt. Dieses können wir nur mit einem durchdachten Qualitätsma-nagement von der Erzeugung bis zur Ver-marktung leisten, erläutert Dr. Conrad Welp, Hauptgeschäftsführer des Vereins zur Förderung der bäuerlichen Verede-lungswirtschaft (VzF) im niedersächsi-schen Uelzen. Aus diesem Grunde hat sich der VzF für ein Qualitätsmanagement mit anschlie-ßender Zertifizierung nach DIN EN ISO 9 000 ff entschieden. Denn das ist ein in der Industrie erprobtes und international anerkanntes Verfahren, begründet Welp die Entscheidung. Das Besondere dabei: Der gesamte VzF-Verbund mit über 2 000 Mitgliedsbe-trieben in vier Erzeugergemeinschaften soll als Gütegemeinschaft zertifiziert werden. Das bedeutet, dass das lückenlo-se Dokumentationssystem zwar auf jedem Betrieb eingerichtet wird, aber nicht jeder Einzelne ein Zertifikat erhält. Auch die jährlichen Kontrollen finden nicht auf al-len Betrieben statt, sondern nur stichpro-benartig in einigen. Mit diesem Vorgehen können die Betriebe erheblich Kosten sparen. Die Zertifizierung eines einzel-nen Betriebes durch ein anerkanntes Unternehmen würde grob geschätzt im ersten Jahr mindestens 4 000 DM, danach jährlich bis zu 2 000 DM kosten, rechnet Dr. Ulla Becker, Beraterin für Qualitäts-management an der Landwirtschaftskam-mer Hannover, vor. Als Gütegemeinschaft dagegen betra-gen die Kosten nur ca. 300 bis 400 DM pro Betrieb. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Betriebe das Konzept für das Dokumentationssystem arbeitsteilig bzw. gemeinsam erstellen konnten. In das Handbuch gehören die kritischen Bereiche Grundlage für das Dokumentationssys-tem auf jedem Betrieb ist das Betriebs-handbuch. Darin sind alle wichtigen Ar-beitsabläufe und Aufzeichnungen schema-tisch aufgeführt. Dabei geht es nicht da-rum, Selbstverständlichkeiten, wie z. B. die Stallreinigung, bis ins kleinste Detail aufzu-führen. Wichtig sind dagegen die kritischen Abschnitte, die Schwachstellen oder Feh-lerquellen beeinhalten können und damit die Produktqualität beeinflussen, stellt Be-cker heraus. Außerdem sei wichtig, dass kei-ne praxisfernen Anforderungen oder Ziele gesteckt werden. Ansonsten wandert das Handbuch schnell ins Regal und wird nicht weiter beachtet, so die Beraterin. Darum haben die Landwirte bei der Erstellung der Handbücher selbst mitge-wirkt. In Kleingruppen mit Betriebslei-tern aus der Jungsauenvermehrung, Fer-kelerzeugung und- aufzucht, sowie aus der Schweine- und Bullenmast, haben sie die allgemein üblichen Produktionsverfahren herausgearbeitet. Dabei wurden neben den zuständigen Gesetzen und Vorschrif-ten auch die Wünsche des nächsten Ab-nehmers in der Kette berücksichtigt, also z. B. die Forderungen des Ferkelerzeugers an den Jungsauenvermehrer oder die des Mästers an den Ferkelerzeuger. Die Handbücher haben alle den glei-chen Aufbau. Am Anfang stehen betrieb-liche Angaben, z. B. wer die Verantwor-tung für welche Arbeiten trägt. Außer-dem sind alle für den Betrieb wichtigen Ansprechpartner (Berater, Tierarzt, Be-hörden, Zulieferer usw.) mit Telefonnum-mern angegeben. Im nächsten Teil sind dann ausführlich die einzelnen Arbeitsabläufe für die Pro-duktion beschrieben. Dabei werden z. B. für die Schweinemast folgende Fragen ge-klärt: Woher stammen die Ferkel, wie er-folgt die Aufzucht, wie sehen die Futter-rationen aus, welches Gesundheitsma-nagement wird betrieben, wie werden die einzelnen Schritte kontrolliert usw.? Um den Zeitaufwand für die Betrie-be bei der späteren Dokumentation zu minimieren, wurden die allgemein üb-lichen Produktionsschritte auf den Ar-beitsblättern vorformuliert. Dort, wo z. B. bei Fütterung, Haltungsform usw. betriebsindividuelle Abweichungen möglich sind, sind dagegen entweder ein Lückentext oder eine Ankreuzlis-te vorgegeben. Als zusätzlichen Service für die Be-triebe sind Passagen aus Gesetzen und Vorschriften an den jeweiligen Stellen der Produktionsbeschreibung mit auf-geführt. Außerdem sind für jeden Produktionsschritt Querverweise auf andere Dokumentationsquellen ent-halten, z. B. wo Lieferscheine oder Arzneimittel-Abgabebelege gesam-melt werden und welche Kontroll-bögen auszufüllen sind. Für jeden Schritt gibt es Arbeitsanweisungen und ergänzen-de Formblätter, die alle zentral in der VzF-Geschäftstsstelle verwaltet werden. Ein Beispiel, wie so ein Formblatt aussehen kann, zeigt nebenstehende Checkliste für den Ferkeleinkauf. Ein wichtiger Bestandteil ist außerdem eine Zielbeschreibung für den Betrieb. Hierin sollen ganz konkrete Ziele für das nächste Jahr gesetzt sowie die Möglich-keiten zur Umsetzung und Kontrolle vor-geben werden. Dazu zählen z. B. die Stei-gerung der Zahl aufgezogener Ferkel oder der Tageszunahmen. Die Einhaltung der Vorgaben in den Handbüchern wird von 15 internen Kon-trolleuren (Auditoren) stichprobenartig kontrolliert. Als Auditoren wurden jeweils fünf Berater, Landwirte und Verwaltungs-fachkräfte geschult. Für mehr Objektivität werden sie in für sie fremde Bereiche ein-gesetzt. So kann z. B. ein Landwirt die Mit-arbeiter in dem VzF-Sekretariat prüfen. Nach der Kontrolle (Audit) werden Ver-besserungsvorschläge und Mängellisten an die Geschäftsstelle weitergeleitet. Denn damit das System funktioniert, müssen diese Verbesserungsvorschläge zur Chef-sache werden und dürfen nicht im Sande verlaufen, rät Beraterin Becker. Handbuch: Mehr System im Büro, Stütze für den Notfall Bis jetzt ist das Qualitätsmanagement in der am Markt agierenden Marken-fleischErzeugergemeinschaft installiert. Bis zum Jahresende sollen dann Fer-kelund Zuchtvieh-Erzeugergemeinschaf-ten sowie die angeschlossenen Tierärzte und Transportunternehmen eingebunden werden. Wir legen Wert darauf, dass al-le an der Produktion Beteiligten mit ins Boot genommen werden, erläutert Welp. Eine Reihe von Betrieben arbeitet seit über einem Jahr mit diesem System. Ihre Erfahrungen sind durchweg positiv. Sie haben für ihre Betriebe zahlreiche Vor-teile feststellen können: Wir haben zwar mehrere Tage für das Ausfüllen des Handbuches gebraucht, blickt Ferkelerzeuger Horst Oelkers aus Altenebstorf zurück. Aber dafür musste ich einmal die gesamte Produktion aus der Vogelperspektive betrachten. Dabei ist er schnell auf die eine oder andere Schwachstelle gestoßen, z. B. in der Jung-saueneingliederung. Ich hatte mich bei vielen Details vorher nie gefragt, warum ich etwas so und nicht anders mache. An dem System schätzt er auch den Zwang zur Disziplin. Wenn ich eine Unterschrift auf einem Formblatt leiste, muss ich mir schon aus Gründen der Pro-dukthaftung sicher sein, dass diese Maß-nahme auch so wie angegeben durchge-führt wurde. Mal ein Auge zudrücken gibt es da nicht mehr! Für Bullenmäster Wolfgang Witte aus Scheeßel hat sich die Büroorganisation verbessert. Vorher hatte ich viele eigene Methoden für bestimmte Aufzeichnungen entwickelt. Oft war das aber eine lose Zet-telwirtschaft. Im Handbuch sind jetzt alle Aufzeichnungen gebündelt und systema-tisiert, verdeutlicht er. Das gilt auch für die gesetzlichen Grundlagen: Ich muss diese zum Nachlesen nicht aus verschie-denen Quellen zusammensuchen, son-dern habe sie genau passend zu dem je-weiligen Produktionsschritt parat. Durch die Zusammenstellung aller wichtigen Betriebsdaten und Abläufe sieht Heiko Allhusen, Jungsauenvermehrer aus Engeln, das Handbuch auch als Hilfsmit-tel für den Notfall. Jeder Außenstehen-de kann damit sofort ohne lange Einar-beitung einspringen, falls ich plötzlich aus-fallen sollte. Das Gleiche gilt für den Fall, dass seine Frau oder der Mitarbeiter schnell mal etwas nachschlagen müssen. Es ist gut zu wissen, dass nicht nur ich durch die ganzen Aufzeichnungen durch-steige, so Allhusen. Das Aufstellen von konkreten Zielen sieht er als sinnvolle Mitarbeitermotiva-tion. Allhusen nennt ein Beispiel: Wir haben jetzt im Stall eine Liste für die Zahl der Ferkel pro Sau und Jahr. Darauf ist der Stand vom letzten Jahr, unser Ziel für das laufende Jahr und gruppenweise der aktuelle Stand abzulesen. So können wir schon Mitte des Jahres sehen, ob wir das gesteckte Ziel erreichen und was wir eventuell anders machen müssen. Christiane Fromhagen, spezialisierte Ferkelaufzüchterin aus Sprakensehl emp-findet es als positiv, dass alle Akteure, wie Berater, Transporteure und Tierärzte, mit in die Pflicht genommen werden. Damit fällt das Aufspüren von Fehlerquellen nach Reklamationen z. B. beim Auftreten von Hygiene- oder Gesundheitsproble-men leichter, erläutert sie. Mit Vorteilen rechnet Welp auch in an-deren Bereichen des Verbundes. So hatte eine interne Analyse ergeben, dass vor der Einführung des Qualitätmanagement-Sys-tems zahlreiche Formblätter, Erfassungs-bögen usw. z.T. mehrfach entwickelt wor-den waren. Außerdem gab es viele unnö-tige Überschneidungen in den Arbeitsab-läufen und Zuständigkeiten. Wir hoffen, dass wir jetzt weniger systematische Feh-ler während der Routinearbeit machen, Prozesse vereinfachen und Zusammenar-beit zwischen Verwaltung, Beratung und den landwirtschaftlichen Betrieben ver-bessern können, erläutert Welp. So kön-nen z. B. durch die zentrale Verwaltung Formblätter und Arbeitsanweisungen aus dem Betriebshandbuch für alle Mitglieder schnell ausgetauscht werden, wenn sich an den Rahmenbedingungen oder Kunden-wünschen etwas ändern sollte. Insgesamt ist die Entwicklung dieses Systems ein langwieriger Prozess. Wir haben rund zwei Jahre dafür gebraucht und das auch nur mit einer intensiven ex-ternen Beratung, so Welp. Er hofft aber, dass der Verbund dann Anfang 2002 zer-tifiziert werden kann. Bislang hat der Aufbau des Qualitäts-managements rund 500 000 DM gekostet, also zwischen 300 und 400 DM pro Be-trieb. Doch Welp ist sich sicher: Sowohl in der Verwaltung als auch auf den Be-trieben werden Synergiefekte und Opti-mierungen diese Kosten zumindest teil-weise kompensieren. Fazit Mit dem Aufbau eines Qualitätsma-nagementSystems lassen sich Forderun-gen von Politikern und Verbrauchern nach einer lückenlosen Dokumentation erfül-len. Doch die Entwicklung dieses Systems kostet Zeit und Geld. Erhebliche Kosten können die Betriebe sparen, wenn sie das gemeinsam angehen. Wie das Beispiel des VzF zeigt, bringt Qualitätsmanagement dann nicht nur Vorteile für die Erzeuger, sondern z. B. auch in der Verwaltung. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich als Gütegemeinschaft zertifizieren zu lassen und damit die Marktposition zu verbes-sern. Hinrich Neuman

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