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„Chance für die Branche“

Lesezeit: 6 Minuten

Die Initiative Tierwohl (ITW) soll ab 2021 über den Markt finanziert werden und will jeden interessierten Betrieb aufnehmen. Dr. Alexander Hinrichs erklärt, warum er an den Durchbruch glaubt.


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Herr Dr. Hinrichs, die Initiative Tierwohl (ITW) geht 2021 in die dritte Runde. Wo stehen Sie heute?


Hinrichs: Wir blicken auf fünf erfolgreiche Jahre zurück. Insgesamt haben bislang rund 104 Mio. Schweine und ungefähr 2 Mrd. Hähnchen und Puten von der ITW profitiert. Derzeit machen rund 6700 Landwirte mit. Bei Geflügel deckt die ITW ca. 70% und bei Schwein ca. 24% der in Deutschland erzeugten Tiere ab. Die ITW ist fit für die Zukunft!


Viele Handelsketten wollen auf Dauer beim Frischfleisch komplett auf ITW-Ware umstellen. Wie viele Schweine bzw. Geflügel brauchen Sie dafür?


Hinrichs: Nach unseren Berechnungen brauchen wir rund 20 Mio. Schlachtschweine pro Jahr, damit alle teilnehmenden Lebensmittelhändler mit ausreichend Ware versorgt werden können. Das wären 40 bis 50% der Schlachtschweine. Im Geflügelbereich haben wir bereits eine Marktdurchdringung von 70% erreicht.


Wer entscheidet künftig, ob ein Betrieb an der ITW teilnehmen darf?


Hinrichs: Da es ab 2021 keine Deckelung der Tierzahlen oder Betriebe mehr gibt, kann jeder teilnehmen, der die entsprechenden Kriterien erfüllt und dessen Tiere benötigt werden. Bei den Schweinen werden die Schlachtunternehmen und Mäster konkrete Vereinbarungen über die Liefermengen treffen. Das Unternehmen verpflichtet sich dann, den festgelegten Preisaufschlag an den Landwirt auszuzahlen.


Was passiert, wenn ein Schlachter schon ausreichend ITW-Schweine hat?


Hinrichs: Das Schlachtunternehmen entscheidet selbst, mit welchen Tierhaltern es Lieferverträge eingeht. Wir können niemandem vorschreiben, Ware zu kaufen. Ich glaube aber nicht, dass wir so schnell eine Marktsättigung erreichen. Im Gegenteil, ich rechne damit, dass die Schlachtunternehmen ITW-Betriebe suchen werden, weil die Nachfrage aus dem Handel groß sein wird.


Trotzdem könnte irgendwann eine Sättigung erreicht sein. Und dann?


Hinrichs: Die Branche möchte die ITW auf Dauer über den Markt finanzieren. Letztlich soll nur so viel Tierwohlfleisch erzeugt werden, wie der Markt auch bezahlt. Sollte irgendwann wirklich zu viel Ware auf dem Markt sein, würde der Handel das vermutlich über den Preis regeln und dann weniger Ware bestellen. Ich sehe die Gefahr aber nicht, weil das Angebot mit Haltungsform 2 ausgeweitet werden soll.


Bei Schweinepreisen von zwei Euro fällt es schwer, 10% weniger Tiere aufzustallen. Was tun Sie, wenn die Betriebe zu dem festgelegten Aufschlag nicht mitmachen?


Hinrichs: Die Preise werden irgendwann auch wieder sinken. Der Aufschlag soll sich an den Mehrkosten orientieren und wenn die Kosten langfristig abgedeckt sind, werden die Landwirte auch mitmachen. Dazu kommt: Für die Tierhalter ist die Marktlösung eine einmalige Chance, zu zeigen, wie Tierwohl geht – ohne Bevormundung von Politik oder NGOs. Ich bin davon überzeugt, dass die Landwirte zeigen wollen: Tierwohl wird von ihnen gemacht!


Können ITW-Mäster künftig noch frei vermarkten?


Hinrichs: Das wird eine individuelle Verhandlungssache zwischen Mästern und Schlachtern sein. Allerdings wird es wohl ohne zeitliche Bindungen nicht gehen. Der Tierhalter will schließlich Planungssicherheit und der Schlachtbetrieb will in der Lage sein, die Nachfrage aus dem LEH zu bedienen.


Auch ausländische Betriebe sollen auf Dauer ITW-Ware liefern dürfen. Wie wollen Sie verhindern, dass Dänen und Niederländer viele ITW-Tiere liefern?


Hinrichs: Wir können ausländischen Betrieben nicht auf Dauer den Zugang zum ITW-System verwehren, das könnte langfristig rechtlich problematisch werden. Zudem brauchen wir mittelfristig auch ausländische Tiere, wenn die Nachfrage in Deutschland hoch ist. Für uns ist aber auch klar, dass alle Teilnehmer – egal ob in- oder ausländisch – die gleichen Anforderungen erfüllen und die gleiche Prüfsystematik akzeptieren müssen.


Was ändert sich für Geflügelhalter?


Hinrichs: Die Kriterien und die Vergütung verändern sich für Geflügelmäster im Vergleich zur zweiten Programmphase nicht. Allerdings zahlen die Geflügelvermarkter das Tierwohlentgelt künftig bei der Clearingstelle ein und diese gibt es anschließend an die Geflügelmäster weiter. Die Mehrkosten der Geflügelvermarkter werden dann, wie bei Schwein, über bilaterale Vereinbarungen an die Abnehmer (z.B. LEH) weitergereicht.


Handelsketten, die nicht an der ITW teilnehmen, kaufen Fleisch günstiger ein und haben einen Wettbewerbsvorteil. Wie wollen Sie das Problem lösen?


Hinrichs: Diese Gefahr war zu Beginn der ITW größer. Mit der dritten Phase führen wir die Nämlichkeit ein, sodass die teilnehmenden Lebensmittelhändler viel offensiver werben können. Die Händler, die ITW-Ware verkaufen, können diese jetzt deutlich kennzeichnen. Händler, die sich bislang wegducken, haben diesen Kommunikationsvorteil nicht. Dank der Marktlösung und der Nämlichkeit gibt es keine Ausreden mehr für Unternehmen.


20 bis 25% des Schweinefleischs wird in Deutschland über Wurst verkauft. Dort spielt die ITW bisher keine Rolle. Wie wollen Sie das ändern?


Hinrichs: Das ist für uns der übernächste Schritt. Mittelfristig ist es notwendig, die Wurst mit einzubeziehen, da hier viel Fleisch verwertet wird und die Mehrkosten für Tierwohl-Ware nicht am Frischfleisch hängen sollten.


Warum ist es so schwierig, die Nämlichkeit auf die Ferkelerzeuger auszudehnen?


Hinrichs: Die Mehrstufigkeit und die individuellen Lieferbeziehungen in der Schweinehaltung sind eine Herausforderung. Sie müssen von der Geburt des Ferkels an die Ströme trennen. Eine geschlossene Lieferkette bedeutet, dass Ferkelerzeuger und Mäster allesamt ITW-Betriebe sind. Diese Lieferbeziehungen müssen wir in der neuen Programmphase aufbauen. Dafür ist es aber auch wichtig, noch deutlich mehr Tierhalter in die ITW aufzunehmen.


Bei der ITW wird die Sauenhaltung und die Aufzucht künftig zusammengefasst. Da in der Ferkelaufzucht der Platz oft knapp ist, könnte das Betriebe von der Teilnahme abhalten. Sehen Sie darin ein Problem?


Hinrichs: Ja, das kann zunächst eine Herausforderung für einzelne Betriebe sein. Es ist aber der richtige Weg, wenn wir irgendwann geschlossene Lieferketten haben wollen.


Was halten Sie vom staatlichen Tierwohllabel und wie lässt es sich mit der ITW vereinbaren?


Hinrichs: Es ist richtig und wichtig, dass sich das BMEL mit den Fragen des Tierwohls und der Tiergesundheit auseinandersetzt. Ich sehe auch in der Arbeit des Kompetenznetzwerks für Nutztierhaltung unter der Leitung von Bundesminister a.D. Borchert eine große Chance. Die Überlegungen zur Staatlichen Tierwohlkennzeichnung können wir nicht wirklich bewerten, ohne dass ein konkretes Finanzierungsmodell vorliegt. Unseres Erachtens nach besteht aber nicht die Notwendigkeit, dass der Staat mit einem weiteren freiwilligen Label in einen Markt eingreift, wo es bereits für die verschiedenen Ansprüche funktionierende Angebote gibt. Das ist beim Tierwohl der Fall. Ein staatliches Siegel kann dann Sinn ergeben, wenn es bestehende Programme einbindet und fördert und nicht deren Erfolge gefährdet.


andreas.beckhove@topagrar.com


marcus.arden@topagrar.com


marcus.arden@topagrar.com


Eine Übersicht der konkreten Veränderungen in der dritten Programmphase der ITW finden Sie im Spezialprogramm Schwein ab S4.

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