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Chartanalyse – nur ein Blick in die Glaskugel?

Lesezeit: 7 Minuten

Viele Börsianer studieren akribisch die Kursverläufe, um rechtzeitig zu kaufen oder zu verkaufen. Was das bringt, erklärt Stephanie Stöver-Cordes, Kaack Terminhandel GmbH.


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Es wäre doch schön, wenn man als Landwirt immer den besten Preis für Getreide, Raps und Co. erzielen könnte. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, für den Verkauf? Woher soll man wissen, ob die Kurse abschmieren oder ob der Preis nicht doch noch weiter steigen wird? Selbst in Fachkreisen gibt es darauf meistens nur vage und oft auch widersprüchliche Antworten.


Von der Vergangenheit lernen:

Kein Wunder, viele Analysten stützen sich bei ihren Vorhersagen auf fundamentale Daten, z. B. zu Angebot und Nachfrage. Andere, vor allem Börsianer, versuchen hingegen von Preisverläufen der Vergangenheit abzulesen, wie es künftig weitergeht. Das nennt man Chart-analyse bzw. technische Analyse.


Der grundlegende Gedanke bei dieser Analyse ist, dass sich das menschliche Verhalten (wann kaufe oder verkaufe ich?) in dem Auf und Ab der Börsenkurse widerspiegelt. Außerdem sollen diese Kursbewegungen überdies häufig auch noch zyklisch verlaufen. Dieses Phänomen kann man sich zunutze machen und aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen.


Bereits vor über 100 Jahren begannen Händler, die Börsenkurse zu notieren und grafisch in Charts darzustellen. In der heutigen Zeit übernehmen schon längst Computer und Handelssysteme diese Aufgaben. Und mehr noch, sie analysieren Kursbewegungen und berechnen Wahrscheinlichkeiten, wann mit einem Kursanstieg, -verfall oder einer Trendwende zu rechnen ist.


Für die Berechnungen stehen bei der technischen Analyse verschiedene Instrumente und Faktoren zur Verfügung. Fünf davon erklären wir genauer:


1. Trendlinien:

Zieht man in einem Chart eine Linie von einem Tiefpunkt zum nächsten erhält man eine Unterstützungslinie. Das ist eine Trendlinie, unter die ein Kurs in einem Aufwärtstrend wahrscheinlich nicht fallen wird. Die Widerstandslinie verbindet hingegen aufeinanderfolgende Höchstkurse miteinander und dient somit als Barriere, die von Käufern im bestehenden Abwärtstrend zunächst nicht überschritten wird (vgl. Übersicht 1).


Unterstützungs- und Widerstandslinien dienen als Orientierung für günstige Kauf- oder Verkaufszeitpunkte. Die Kurse laufen in einem Kanal zwischen Widerstands- und Unterstützungslinien. Wird die Widerstandslinie durchbrochen, ist mit steigenden Kursen zu rechnen. Umgekehrt gilt: Wird die Unterstützungslinie durchbrochen, ist ein Kursverfall möglich (vgl. Übersicht 2 auf Seite 118).


Nicht jeder Durchbruch dieser Linien führt allerdings automatisch zu einer Trendumkehr. Es kann auch zu einer Fortsetzung des Trends kommen. Dann wäre diese Bewegung lediglich als „Korrektur“ zu bewerten. Häufig ist übrigens vor dem Durchbruch eine Seitwärtsbewegung der Kurse festzustellen. In dieser Phase suchen Marktteilnehmer neue Impulse, um den Trend fortzusetzen oder zu beenden. 


2. Gleitender Durchschnitt:

Ähnlich wie die zuvor genannten Trendlinien gibt auch der gleitende Durchschnitt (Moving Average bzw. „MA“) den Verlauf von Trends wieder. Dieser wird jedoch nicht als Gerade dargestellt, sondern als Durchschnittswert eines festgelegten Zeitraumes berechnet. Der gleitende Durchschnitt spiegelt somit auch Kursschwankungen wider.


Gleitende Durchschnitte können einen Anhaltspunkt geben, wann es zu einer Trendwende kommt, bei der ein Kauf oder Verkauf sinnvoll wäre. Als Zeitrahmen wird relativ oft die 20-Tage-Linie verwendet. Hier kommt es dann allerdings häufig zu einer sprichwörtlichen selbsterfüllenden Prophezeiung: Da sich viele Marktteilnehmer – auch beim computergestützten Handel – an dieser Linie orientieren, handeln auch viele nach dem gleichen Muster und verstärken somit Kursbewegung in die eine oder andere Richtung.


Leider ist jedoch auch hier mit Ausreißern zu rechnen. Dem Überschreiten der Durchschnittslinie kann eine Fortführung des ursprünglichen Trends folgen. Um die Genauigkeit zu erhöhen, schauen manche Händler auch auf Kreuzungspunkte gleitender Durchschnitte, die sich auf unterschiedliche Zeitspannen beziehen. Durchbricht der kurzfristige den längerfristigen nach oben, ist mit steigenden Kursen zu rechnen. Der Durchbruch nach unten könnte fallende Kurse zur Folge haben.


Angenommen, der gleitende Durchschnitt der letzten 20 Tage läge bei 160 €/t. Dann würde ein heutiger Schlusskurs von 165 €/t für steigende Preise sprechen, ein Kurs von 155 €/t hingegen eher für fallende.


3. Momentum:

Um Kursbewegungen zu analysieren, ist nicht nur die Richtung entscheidend, in die sich der Kurs bewegt. Auch die Kraft oder Geschwindigkeit, mit der die Preise dem Trend folgen, spielt für Analysten eine Rolle. Sie nennen das Momentum. Es wird berechnet, indem man vom aktuellen Kurs den Kurs von vor x Tagen abzieht. Dabei kann x jeder beliebige Zeitraum sein, z.B. 20 Tage. Die Ergebnisse lassen sich auch grafisch darstellen. Stimmen die Kurse überein, ist das Ergebnis „0“ und kann in einem Chart als Nulllinie dargestellt werden. Bei einem Übersteigen ist von einem Aufwärtstrend auszugehen. Steigt diese Linie weiter, hat der Aufwärtstrend noch Schwung. Ist die Tendenz fallend, flaut der Trend ab. Ein Unterschreiten der Nulllinie würde einen Abwärtstrend signalisieren.


Angenommen, die Nulllinie läge bei 159 €/t, und seit einigen Tagen würden immer höhere Kurse notiert: erst 160, dann 165 €/t usw. Das wäre charttechnisch ein eindeutiges Kaufsignal – je mehr sich die Kurse nach oben von der Nulllinie abheben, umso stärker. Wenn sie hingegen unter die Nulllinie sacken, gilt hingegen das Gegenteil. Das wäre ein Verkaufsignal.


4. Relative Strength Index:

Ein weiterer Ansatz ist der sogenannte Relative Strength Index (RSI oder Relative-Stärke-Index). Dieser Index bildet ab, wie ausgeprägt ein Kurstrend ist. Er zeigt, dass man von steigenden Kursen ausgehen kann, wenn über mehrere Tage die durchschnittliche Aufwärtsbewegung größer ist als die durchschnittliche Abwärtsbewegung. Für fallende Kurse gilt das umgekehrt (s. Übersicht 2).


Der Wert kann hierbei zwischen 0 und 100 liegen. Bei einem RSI von 30 gilt der Markt als überverkauft. Der aktuelle Kurs ist so günstig, dass die Marktteilnehmer zum Kauf animiert werden. Das spricht für anziehende Preise. Bei einem RSI von 70 rechnen Börsianer hingegen eher mit dem Gegenteil. Der Markt wäre also überkauft. Dann drohen fallende Preise.


5. Stochastik:

Bei der sogenannten Stochastik (das ist Wahrscheinlichkeitsberechnung) wird der Schlusskurs der Terminbörse ins Verhältnis zur Spanne der entsprechenden Tageskursschwankungen (Hoch – Tief) gesetzt. Ein Schlusskurs am Tageshoch lässt auf auf ansteigende Kurse schließen. Liegt der Schlusskurs dagegen am Tagestief, ist von einer weiteren negativen Stimmung auszugehen.


Herauskommen können wie beim RSI Werte zwischen 0 und 100. Besondere Bedeutung haben für Chartanalysten vor allem die Werte 20 und 80. Bei 20 sind festere Preise zu erwarten, bei 80 hingegen sinkende.


Dennoch nicht vorhersagbar!

Die zuvor genannten Indikatoren sind nur grobe Ansatzpunkte für die Bewertung der Kursverläufe. Es gibt noch viele weitere Indikatoren und Strategien, die sogar Handelssignale miteinander kombinieren. Das Ziel ist in jedem Fall, Trendwenden zeitnah zu erkennen, um die richtigen Entscheidungen über Kauf oder Verkauf treffen zu können. Selbst große Investoren handeln danach, was den Effekt auf die Kurse noch verstärkt. Und da sich auch der Landhandel an Börsen absichert, werden im Prinzip auch die Erzeugerpreise beeinflusst.


Dennoch darf bei der technischen Analyse nicht vergessen werden, dass es sich nur um Wahrscheinlichkeiten handelt. Weder Fundamental- noch Chart-analysten können sicher den Kurs von morgen vorhersagen. Trotzdem können diese Analysen ein hilfreiches Instrument sein, um sich den günstigen Kauf- oder Verkaufszeitpunkten anzunähern.


Spekulanten gibt die Chartanalyse wichtige Anhaltspunkte für den Ein- und Ausstieg. Und für Erzeuger, die Börsen im Rahmen ihres Risikomanagements nutzen, sind die Kenntnisse über die Märkte unerlässlich. Sowohl fundamentale Nachrichten als auch die technischen Wahrscheinlichkeiten können dabei eine wertvolle Hilfe sein. Aber als Grundlage sollten Sie als Landwirt immer Ihre eigenen betrieblichen Kennzahlen verwenden. Zu wissen, bei welchem Preis eine Absicherung sinnvoll ist, ist wichtiger, als sich auf die Chart-analyse zu fixieren. Denn die jongliert mit Wahrscheinlichkeiten. -me-

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