Wegen illegaler Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von 154,6 Mio. € gegen sieben Großhändler verhängt. Die Wettbewerbshüter sehen es als erwiesen an, dass folgende Unternehmen im Zeitraum von 1998 bis 2015 Pflanzenschutzmittel-Preise abgestimmt haben:
Agravis Raiffeisen AG, Hannover/Münster
AGRO Agrargroßhandel GmbH & Co. KG, Holdorf,
BayWa AG, München,
BSL Betriebsmittel Service Logistik GmbH & Co. KG, Kiel,
Getreide AG, Hamburg,
Raiffeisen Waren GmbH, Kassel,
ZG Raiffeisen eG, Karlsruhe.
Die mit Abstand höchsten Strafen sollen Baywa und Agravis mit 68,6 bzw. 43,6 Mio. € zahlen. Abgesehen von der ZG Raiffeisen haben alle Unternehmen den vom Kartellamt ermittelten Sachverhalt anerkannt und der Verfahrensbeendigung zugestimmt. Gleichwohl verweisen die Unternehmen auf den harten Wettbewerb, der auch im Kartellzeitraum die Preise für Pflanzenschutzmittel drückte. „Die Kunden haben keinen wirtschaftlichen Schaden gehabt“, heißt es bei der Baywa in München. Die Agravis aus Münster stößt ins selbe Horn. Ihr Vorstandsvorsitzender Dr. Dirk Köckler betont, die gemeinsam erstellte Preisliste sei von der gesamten Branche nur als Orientierungshilfe genutzt worden. „Es war früher ein regelrechter Sport unter Landwirten, die Pflanzenschutzmittelpreise zu vergleichen und Rabatte auszuhandeln“, so Köckler.
Wettbewerbswidrig war nach Ansicht des Kartellamt vor allem die sogenannte grüne Liste. In ihr standen Einheitspreise für Einzelhändler und Landwirte, die zuvor durch eine gemeinsame Kalkulation der Großhändler zusammengetragen wurden. Die grüne Liste mit den rabattfähigen Brutto-Preislisten ging anschließend an alle Unternehmen. Erst die Durchsuchung des Bundeskartellamts am 3. März 2015 beendete die illegalen Praktiken. Seitdem führen die Großhändler eigene nicht abgestimmte Preislisten. Den Stein ins Rollen brachte übrigens die Firma Beiselen aus Ulm, die sich beim Kartellamt quasi selbst anzeigte und als Belohnung ohne Bußgeld davon kommt.
Den Beschuldigten droht derweil weiterer Schaden. Die geschädigten Einzelhändler, also die Genossenschaften Vorort, wollen bzw. müssen nun prüfen, ob sie durch das Kartell im Großhandel zu teuer eingekauft haben. Ein Gutachter soll nun bewerten, ob ihnen Schadenersatz zusteht.
Es war wohl ein offenes Geheimnis, dass der Agrarhandel für die grüne Liste die Preise deutschlandweit absprach. Die Verantwortlichen beteuern zwar, den Bauern sei kein Schaden entstanden, weil niemand die Listenpreise zahlte. Aber warum sollte man mit hohem bürokratischen Aufwand Preise gleichziehen und sogar Rabattstaffeln festlegen, wenn es einem nichts bringt? Unmöglich zu klären, wie viel teurer der Pflanzenschutz deutschen Bauern nun am Ende kam. Klar ist: Die Kartellstrafe in Millionenhöhe erzeugt nur Verlierer. Sie beschleunigt den Strukturwandel im Handel und reißt Finanzlöcher, die vermutlich Landwirte durch höhere Einkaufspreise stopfen. Möglicherweise ist die Strafe unverhältnismäßig hoch, wie einige meinen. Sie sollte deshalb um so mehr Anlass sein, alle Prozesse im Agrarhandel kartellrechtlich zu hinterfragen. So ein Vorfall darf sich nicht wiederholen. Andreas Beckhove
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Wegen illegaler Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von 154,6 Mio. € gegen sieben Großhändler verhängt. Die Wettbewerbshüter sehen es als erwiesen an, dass folgende Unternehmen im Zeitraum von 1998 bis 2015 Pflanzenschutzmittel-Preise abgestimmt haben:
Agravis Raiffeisen AG, Hannover/Münster
AGRO Agrargroßhandel GmbH & Co. KG, Holdorf,
BayWa AG, München,
BSL Betriebsmittel Service Logistik GmbH & Co. KG, Kiel,
Getreide AG, Hamburg,
Raiffeisen Waren GmbH, Kassel,
ZG Raiffeisen eG, Karlsruhe.
Die mit Abstand höchsten Strafen sollen Baywa und Agravis mit 68,6 bzw. 43,6 Mio. € zahlen. Abgesehen von der ZG Raiffeisen haben alle Unternehmen den vom Kartellamt ermittelten Sachverhalt anerkannt und der Verfahrensbeendigung zugestimmt. Gleichwohl verweisen die Unternehmen auf den harten Wettbewerb, der auch im Kartellzeitraum die Preise für Pflanzenschutzmittel drückte. „Die Kunden haben keinen wirtschaftlichen Schaden gehabt“, heißt es bei der Baywa in München. Die Agravis aus Münster stößt ins selbe Horn. Ihr Vorstandsvorsitzender Dr. Dirk Köckler betont, die gemeinsam erstellte Preisliste sei von der gesamten Branche nur als Orientierungshilfe genutzt worden. „Es war früher ein regelrechter Sport unter Landwirten, die Pflanzenschutzmittelpreise zu vergleichen und Rabatte auszuhandeln“, so Köckler.
Wettbewerbswidrig war nach Ansicht des Kartellamt vor allem die sogenannte grüne Liste. In ihr standen Einheitspreise für Einzelhändler und Landwirte, die zuvor durch eine gemeinsame Kalkulation der Großhändler zusammengetragen wurden. Die grüne Liste mit den rabattfähigen Brutto-Preislisten ging anschließend an alle Unternehmen. Erst die Durchsuchung des Bundeskartellamts am 3. März 2015 beendete die illegalen Praktiken. Seitdem führen die Großhändler eigene nicht abgestimmte Preislisten. Den Stein ins Rollen brachte übrigens die Firma Beiselen aus Ulm, die sich beim Kartellamt quasi selbst anzeigte und als Belohnung ohne Bußgeld davon kommt.
Den Beschuldigten droht derweil weiterer Schaden. Die geschädigten Einzelhändler, also die Genossenschaften Vorort, wollen bzw. müssen nun prüfen, ob sie durch das Kartell im Großhandel zu teuer eingekauft haben. Ein Gutachter soll nun bewerten, ob ihnen Schadenersatz zusteht.
Es war wohl ein offenes Geheimnis, dass der Agrarhandel für die grüne Liste die Preise deutschlandweit absprach. Die Verantwortlichen beteuern zwar, den Bauern sei kein Schaden entstanden, weil niemand die Listenpreise zahlte. Aber warum sollte man mit hohem bürokratischen Aufwand Preise gleichziehen und sogar Rabattstaffeln festlegen, wenn es einem nichts bringt? Unmöglich zu klären, wie viel teurer der Pflanzenschutz deutschen Bauern nun am Ende kam. Klar ist: Die Kartellstrafe in Millionenhöhe erzeugt nur Verlierer. Sie beschleunigt den Strukturwandel im Handel und reißt Finanzlöcher, die vermutlich Landwirte durch höhere Einkaufspreise stopfen. Möglicherweise ist die Strafe unverhältnismäßig hoch, wie einige meinen. Sie sollte deshalb um so mehr Anlass sein, alle Prozesse im Agrarhandel kartellrechtlich zu hinterfragen. So ein Vorfall darf sich nicht wiederholen. Andreas Beckhove