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Die Schattenseiten der Konzentration

Lesezeit: 6 Minuten

Übernahmen und Standortschließungen in der Vieh- und Fleischwirtschaft häufen sich. Welche Folgen das für Wettbewerb, Tierschutz und Vorkosten der Schweinehalter hat, erklärt Dr. Albert Hortmann-Scholten von der LWK Niedersachsen.


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Bislang hatten Mäster in der Vermarktung noch eine Wahl. Zumindest im Nordwesten Deutschlands gab es zu vertretbaren Transportwegen und -zeiten noch etwa 25 bis 30 Schlachtstätten. Mit der Schließung des Vion Standortes in Zeven sowie der Vogler-Betriebe Bremen und Steine haben sich die Vermarktungsmöglichkeiten nun deutlich verschlechtert. Innerhalb weniger Monate verlor Niedersachsen wöchentliche Schlachtkapazitäten von 50000 bis 60000 Schweinen. Die Betriebsschließungen dürften für die Branche nicht ohne Folgen bleiben.


Wo bleiben die Schweine?

Das Gute vorweg: Auch künftig bleibt wohl kein Schweinehalter auf seinen Schlachttieren sitzen. Mit Vogler hat zwar der fünftgrößte Schweineschlachter aus Deutschland mit jährlich rund 2 Mio. Tieren seine Tore endgültig geschlossen. Trotzdem dürfte die Fleischbranche das locker auffangen können.


So geht es immerhin am ehemaligen Vogler-Standort in Laatzen weiter. Der Pfälzer Unternehmer Hermann Withake will dort mit der neu gegründeten Leine-Fleisch GmbH künftig 12000 bis 13000 Schweine je Woche an die Haken bringen.


Noch wichtiger ist allerdings, dass die verbleibenden Unternehmen weiterwachsen wollen, obwohl die jüngsten Prognosen für 2017 einen Rückgang der Bruttoeigenerzeugung in Deutschland um 2 bis 4 Prozent vorhersagen.


Schon im zurückliegenden Jahr haben vor allem die Großen der Branche Marktanteile gewonnen. Und der Strukturwandel wird weitergehen. Folgende Pläne sind zu den Top 3 bekannt:


Der Platzhirsch Tönnies ist nach seinem beigelegten Familienstreit zum Wachstum entschlossen:


  • Im Hauptwerk in Rheda-Wiedenbrück hat Tönnies kürzlich eine Erhöhung der Kapazität von 3000 auf 3500 Tonnen pro Tag beantragt. Statt 26000 könnten in Rheda dann täglich 30400 Schweine geschlachtet werden.
  • Bei Weidemark in Sögel sind mittelfristig 108000 Schweineschlachtungen pro Woche möglich. Realistisch ist das aber nur, weil sich Tönnies zunehmend in den Niederlanden bedient. Je nach Marktsituation schwankt der Holländer-Anteil zwischen 55 und 65 Prozent.
  • Auch in Schleswig-Holstein gibt Tönnies Gas. Vor rund zwei Jahren hat der Schlachtriese den schleswig-holsteinischen Betrieb Thomsen in Kellinghusen übernommen. Momentan werden dort wöchentlich bis zu ca. 12000 Schweine geschlachtet. Wenn die Umbaumaßnahmen abgeschlossen sind, dürften sich die Schlachtungen verdoppeln. Mittelfristig sind sogar Kapazitäten von 32000 Tieren pro Woche angedacht.


Die Großen wachsen weiter.

Im Kampf um den „Rohstoff Schwein“ dürfte auch die niederländische Vion weiterhin ein Wörtchen mitreden. Schon 2016 stiegen die Schlachtungen leicht um 1,2% auf knapp 8,9 Mio. Schweine. Allerdings ist fraglich, ob Vion nach der Schließung von Zeven alle Schweine nach Emstek bzw. Perleberg umleiten kann. Bei der Schließung des Standorts Lingen vor rund drei Jahren gelang es jedenfalls nicht, die Warenströme voll auf eigene Standorte umzulenken.


Auch die genossenschaftliche Westfleisch will die Hände nicht in den Schoß legen. Das westfälische Unternehmen plant einen erheblichen Ausbau um etwa 30000 Schlachtungen pro Woche. Ob und an welchem Standort vielleicht sogar ein neuer Schlachthof entsteht, ist allerdings offen. Nach der brandbedingten Standortschließung in Paderborn investiert Westfleisch jedenfalls kräftig in die übrigen Standorte. Insbesondere Coesfeld und Oer-Erkenschwick profitieren davon.


Aber nicht nur die Großen investieren, sondern auch der Mittelstand expandiert (Übersicht 1) und hält den Wettbewerb aufrecht.


Fakt ist allerdings auch, dass sich die Schlachtungen auf immer weniger Betriebe konzentrieren. Vor allem im Bundesland Niedersachsen hat sich die Zahl der meldepflichtigen Betriebe zuletzt drastisch reduziert. Waren 1980 noch 81 Betriebe tätig, können Landwirte heute nur noch über 19 Schlachthöfe vermarkten.


Nebenwirkungen:

Die Konzentration ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits sind die großen, schlagkräftigen Unternehmen international sehr wettbewerbsfähig und sichern so Absatz und Wertschöpfung für deutsche Tierhalter. Andererseits hat diese Entwicklung aber auch negative Auswirkungen:


  • Die Wege zu den Schlachtstätten verlängern sich und treiben die Vorkosten in die Höhe. Vor allem bei Angebotsdruck wird es für Vermarkter schwieriger, Schlachthöfe zu erreichen, die noch über freie Kapazitäten verfügen.
  • Die Wartezeiten an der Rampe werden länger. An vielen Schlachthöfen sind die Verladekapazitäten bzw. die Ruhezonen nicht mit den Schlachtungen mitgewachsen. Während der Lkw am Schlachthof festsitzt, laufen die Kosten weiter. Pro Stunde Wartezeit belaufen sich die Kosten durch entgangenen Nutzen des stehenden Lkw und den Lohnkosten des Fahrers schnell auf 50 bis 70 €. Umgelegt aufs Schwein entstehen Zusatzkosten von 30 bis 40 Cent.
  • Weil die Wartezeiten unkalkulierbar sind, kann es zu tierschutzrechtlichen Problemen kommen. So könnte z.B. die maximale Transportdauer überschritten werden.


Es ist fraglich, ob Viehhändler unter diesen Umständen noch zwei Touren pro Tag schaffen und so Fahrer und Fahrzeug ausreichend auslasten können.


Wer trägt die Kosten?

Wer glaubt, er könne zumindest die steigenden Vorkosten einfach mit höheren Schlachtgewichten ausgleichen, der irrt. Nicht nur, dass das zulässige Gesamtgewicht des Lkw-Zuges von 42 t mit schweren Schweinen schnell überschritten ist. Man kommt zudem mit der Transportverordnung in Konflikt. Demnach steht einem Schwein aus Tierschutzgründen mindestens 0,55 m² auf dem Lkw zur Verfügung. Ein Lkw-Zug mit 6 Böden und einer Ladefläche von 102 m² bietet somit 186 Schweinen Platz. Das gilt allerdings nur bis zu einem Lebendgewicht von 120 kg. Ist ein Schwein schwerer, steigt der Platzanspruch sprungartig auf 0,7 m2 je Tier. Wenn alle Schweine diese Gewichtsgrenze überschreiten, kann der gleiche Lkw maximal noch 146 Schweine laden (siehe Übersicht 2). Hieraus ergibt sich bei einem angenommenen Speditionskostensatz von 500 € je Tour eine Preisspanne von 2,70 bis 3,45 € je Tier.


Abgesehen davon gibt es weitere Auflagen, die die Tiertransporte zusätzlich verteuern. So wird z.B. die Verordnung zur Durchführung des Fahrpersonalgesetzes schärfer angewendet. Die Folge: Die Fahrerkarte ist mittlerweile auch im Viehhandelsgeschäft Pflicht.


Der Druck auf die Branche wächst. Viehhändler, Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften müssen deshalb alles tun, um die Zusatzkosten in der Kette in Schach zu halten. Denn am Ende werden sie versuchen, die Kosten an den Erzeuger weiterzugeben. Vor allem in marktfernen Regionen müssen Landwirte mit kleineren Verkaufspartien mit steigenden Vorkosten von bis zu einem Euro pro Schwein rechnen.


Und selbst dann wird vermutlich keine Ruhe einkehren, denn die längeren Tiertransportzeiten werden Tierschützer auf den Plan rufen. Erst kürzlich forderte der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Friedrich Ostendorff, eine Begrenzung der maximalen Tiertransportzeit im Inland auf nur noch vier Stunden. Sicher scheint nur eins: Die Kosten steigen.-ab-

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