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„Die Zeit der Mega-Schlachthöfe ist vorbei!“

Lesezeit: 6 Minuten

Mit engen Lieferketten bringt der Schlachtkonzern Vion den Landwirt näher zum Endkunden und verbessert so die Marge. Im Interview werben David de Camp (COO Beef) und John de Jonge (COO Pork) für mehr Regionalkonzepte und erklären, dass die Zeit des Billigfleischs vorbei ist.


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Wie hat Vion das Krisenjahr 2020 überstanden?


David de Camp: Unser Ergebnis ist trotz der Corona- und ASP-bedingten Schwierigkeiten erstaunlich gut ausgefallen. Wir konnten den Unternehmensgewinn sogar deutlich auf fast 53 Mio. € verbessern.


Wie ist das möglich? Ihre Mitbewerber berichten von deutlich höheren Kosten durch Corona und ASP in Deutschland.


John de Jonge: Unser Vorteil ist, dass wir viele mittelgroße Standorte haben, die sich zudem auf zwei EU-Länder verteilen. Wir konnten so schnell und flexibel reagieren, wenn es regional Probleme gab. Unsere Kunden konnten wir jederzeit verlässlich bedienen.


Bisher waren die großen zentral organisierten Schlachtbetriebe im (Kosten-)Vorteil. Hat sich da etwas verändert?


de Camp: Die Klimadebatte, der Wunsch, regionaler und umweltfreundlicher einzukaufen, aber auch Corona – es deutet viel darauf hin, dass die Mega-Fleischfabriken nicht mehr in die Zeit passen. Das spielt uns in die Karten. Nach unserem Restrukturierungsprogramm optimieren wir uns jetzt in den Regionen. „Geprüfte Qualität Bayern“ oder das „Norddeutsche Holstein-Rind“ sind erfolgreiche Beispiele dafür.


Vion verliert allerdings seit Jahren Marktanteile bei Schweinen und bei Rindern. Das klingt nicht nach Erfolg!


de Jonge: Das ist nicht ganz richtig. Nach einem Rückgang der Schlachtzahlen halten wir unsere Stückzahlen bei den Schweinen mittlerweile. 2020 haben wir in Deutschland 7,6 Mio. Schweine verarbeitet – genauso viele wie im Jahr zuvor. Auf diesem Level optimieren wir unsere Standorte. Vielleicht steigt die Menge auch wieder, denn den Standort Perleberg bauen wir gerade etwas aus.


Und wie sieht es bei den Schlachtrindern aus?


de Camp: Wir haben 2020 etwas Marktanteil verloren, das ist richtig. Das hatte aber vor allem mit einer corona-bedingten Schlachthofschließung zu tun. Grundsätzlich wollen wir auch hier unsere Umsätze halten.


Vions Motto lautet: „Wertschöpfung ist wichtiger als Umsatz“. Wie hat sich Ihre Wertschöpfung in den letzten Jahren entwickelt?


de Camp: Sehr gut. Dieses Mehr an Wertschöpfung erzielen wir über die Wertschätzung. Denn wir wollen unsere Produkte nicht verramschen. Diese Philosophie verfolgen wir seit 2016. Wir differenzieren unsere Produkte immer mehr und sequenzieren die Märkte. Um die richtigen Produkte zum richtigen Zeitpunkt anbieten zu können, brauchen wir diese strukturierten Daten. Das klingt abstrakt, aber Premiumprodukte wie das Simmentaler Jungbullenfleisch oder unser Robusto-Programm bei den Schweinen sind konkrete Beispiele.


Die Tierzahlen in Deutschland schrumpfen und die Auslastung der Schlachtbetriebe sinkt. Welche Standorte werden absehbar ausscheiden?


de Jonge: Unsere Schlachthofstruktur in Deutschland ist optimal. Wir haben mit unseren 16 Standorten eine gute Verteilung und sind gut aufgestellt. Daran wird nicht gerüttelt.


Es gibt einen starken Trend zur Herkunftskennzeichnung. Wie steht Vion als internationaler Konzern zu solchen Wünschen?


de Jonge: Wir unterstützen diesen Trend voll und ganz. Wir sind dabei, in allen Regionen geschlossene Wertschöpfungsketten aufzubauen. Technisch ist das für uns kein Problem, wir können die Warenströme in unseren Betrieben sehr gut trennen. Auch deshalb investieren wir in Blockchain, um die Rückverfolgbarkeit noch besser absichern zu können.


Das bedeutet aber auch steigende Kosten im Betrieb, wenn die Warenströme immer kleinteiliger werden, oder?


de Jonge: Das stimmt. Aber wenn Sie eine Geschichte zum Fleisch erzählen können, ist das dem Kunden mehr Geld wert. In den Niederlanden haben wir Programme mit nur 5000 Schweinen pro Jahr. Wichtig ist, dass wir den Bauern mit dem Endkunden verknüpfen. Dann können wir sogar ein Bild des Landwirts auf die Packung drucken. In Deutschland sehe ich für Regionalkonzepte ebenfalls großes Potenzial, und die Programme sind mit 8000 bis 15000 Schweinen pro Woche sogar deutlich größer. Das können wir ohne Probleme bedienen.


Die Bauern mussten 2020 massive Verluste hinnehmen. Teile des LEH haben der Fleischbranche aber auch nach dem ASP-Ausbruch stabile Beschaffungspreise auf Basis von 1,47 € je kg SG gezahlt. Lidl hat das top agrar schriftlich bestätigt. Das hat für massive Kritik seitens der Bauern gesorgt. Wie ist Vion mit dem Thema umgegangen? Haben Sie Ihren Bauern ein Teil des Geldes durchgereicht?


de Jonge: Wir liefern nur kleine Mengen an Lidl, deshalb war das für uns kein großes Thema. Aber dieses Beispiel zeigt doch, was das Problem ist. In einer geschlossenen Kette hätte es diese Diskussionen niemals gegeben. In den Niederlanden haben wir beispielsweise 120 Bauern direkt mit der größten Handelskette Albert Heijn verknüpft. Wenn die Bauern mit den Preisen unzufrieden sind, wird das unter allen Beteiligten sofort besprochen.


Sie haben das Programm Good Farming Balance (GFB), in dem für Schweine verschiedener Qualitäten unterschiedliche Abrechnungsmasken gelten, auch in Deutschland eingeführt. Wie gut wird das Programm angenommen?


de Jonge: Wir haben bereits 20% unserer deutschen Schweine über dieses Programm gebunden. Unser Ziel ist etwa 50%. Dabei handelt es sich nicht nur um Direktverträge mit den Landwirten, sondern auch um Dreiecksverträge mit Erzeugergemeinschaften.


Wie wird es bei der Initiative Tierwohl (ITW) und Vion vertraglich laufen?


de Jonge: Wer ITW-Schweine anliefert und ab Juli 2021 den Bonus erhalten möchte, braucht einen Vertrag.


Was halten Sie vom Borchert-Plan?


de Jonge: Wir finden die Richtung absolut richtig, weil Landwirtschaft nur eine Zukunft hat, wenn sie gesellschaftlich akzeptiert ist. Ob der Plan genauso kommt, muss man abwarten. Wir stehen am Beginn einer Entwicklung. Am Ende wird die Fleischerzeugung in Deutschland teurer, aber das kann die Gesellschaft gut auffangen.


Schauen wir auf den Rindfleischmarkt! Hat der Brexit die Lage verändert?


de Camp: Nach einem kurzen Schock zum Jahreswechsel läuft das Geschäft mit Großbritannien für uns eigentlich wie zuvor. Wir haben auch keine höheren Kosten bei der Abwicklung. Mit unseren Büros auf der Insel haben wir die Abfertigung an der Grenze voll digitalisiert.


Welche Erzeugerpreise für Schlachtrinder erwarten Sie im laufenden Jahr?


de Camp: Der Rindfleischmarkt braucht die Gastronomie, denn es gibt kein „Steak-togo“. Wir hängen derzeit total in der Luft. Niemand weiß, wann es zu Lockerungen kommt. Aber sobald die Restaurants wieder öffnen – und ich hoffe auf Ende April – werden wir einen Nachfrageschub erleben mit leicht steigenden Preisen. Das dauert dann sechs bis acht Wochen, bevor sich die Lage normalisiert. Und genau diese Normalität wünschen wir uns.


Aktuell kommt weniger Importfleisch in die EU, weil die Gastronomie keinen Bedarf hat und der LEH eher heimische Ware nachfragt. Werden die Fleischimporte aus Südamerika nach Corona wieder ansteigen?


de Camp: Das muss nicht so sein. Die Gesellschaft bevorzugt regionale Produkte und fragt sich, ob man Rindfleisch unbedingt aufwendig mit Schiffen nach Europa holen muss. Die zunehmende CO2-Sensibilität bietet die echte Chance, unseren Marktanteil bei Rindfleisch dauerhaft auszubauen.


andreas.beckhove@topagrar.com


marcus.arden@topagrar.com

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