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Dreht sich der Kartoffelmarkt wieder?

Lesezeit: 6 Minuten

Die Kartoffelpreise sind regelrecht abgestürzt. AMI-Marktexperte Christoph Hambloch meint aber, dass sich das Blatt in der zweiten ­Saisonhälfte zum Besseren wendet.


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Deutschlands Kartoffelernte 2011 fiel mit gut 11,9 Mio. t zwar deutlich größer aus als die des Vorjahres, aber es war keine Rekordernte. Trotzdem sind die Erzeugerpreise auf breiter Front eingebrochen und entsprechen mittlerweile nicht mal mehr der Hälfte des Vorjahresniveaus. Wie konnte das geschehen und wie geht es weiter?


Druck auch durch Übergrößen.

Ein Grund für den Einbruch liegt wohl in den geernteten Qualitäten. Immer wieder werden etliche der angelieferten Knollen aussortiert und dann schlecht oder gar nicht bezahlt:


  • Es gibt z. B. zu viele Übergrößen.
  • Teils werden grüne Knollen geliefert.
  • Silberschorf wächst im Lager kräftig.
  • Teils sind Druckstellen anzutreffen, und einige Partien sind von Drahtwurm und Rhizoctonia befallen.


Noch dramatischer als bei Speisekartoffeln ist momentan übrigens die Situation bei nicht vertrags- oder preisgebundenen Frittenkartoffeln. Nachdem zunächst viel Rohstoff zu früh vorhanden war, wirkte sich zuletzt ein großer Anteil nicht langfristig lagerfähiger Partien negativ aus. Hinzu kommt eine große Erntemenge – auch weil der Anbau in Westeuropa ausgedehnt wurde. Das geht nicht spurlos am Markt vorbei.


Dass die Stimmung vieler Kartoffelerzeuger schlecht ist, liegt auf der Hand. Aber abhaken sollen Sie den Markt bzw. die Saison 2011/12 noch nicht.


Genau hinschauen!

Die fundamentalen Daten sehen erheblich besser aus als es derzeit erscheint. Allerdings muss man sie richtig interpretieren und dazu auch über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Das gilt auch im Hinblick auf die Produktionsmengen. So ist zum Beispiel die EU-Ernte mit rund 60,7 Mio. t Kartoffeln sogar vergleichsweise klein – nach 2010 war es die zweitkleinste Ernte der 27er-Gemeinschaft.


Entscheidend ist überdies aber nicht nur, wie viele Kartoffeln es insgesamt gibt, sondern auch wo sie lagern, wie sie zu verwerten sind und welche Richtung die Nachfrage einschlägt. Deutlich wird dies beim Blick nach Belgien.


In der laufenden Saison brachten die Erzeuger dort mit 3,7 Mio. t Kartoffeln ein Rekordergebnis ein. Aber das ist nicht zwingend ein Überangebot. Grund ist der wachsende Rohstoffhunger der belgischen Verarbeitungsindustrie. Im Jahr 2004 stand in Belgien einer Ernte von gut 3,2 Mio. t nur ein Bedarf der Verarbeiter von 1,9 Mio. t gegenüber. Im letzten Jahr benötigten sie aber schon 3,3 Mio. t Kartoffeln. In der laufenden Saison könnten es noch mehr werden.


Entscheidenden Einfluss auf den Bedarf an Kartoffeln als Verarbeitungsrohstoff hat übrigens der Weltmarkt. Dort können Trockenprodukte und Fritten aus der EU stetig platziert werden.


Das US-Landwirtschaftsministerium hat jüngst analysiert, dass der Weltbedarf an TK-Fritten in diesem Jahr um weitere 5 % zulegt. Davon wird wohl Europa stärker profitieren als andere Anbieter. Schon im September wies die deutsche Außenhandelsstatistik Frittenlieferungen nach Südamerika aus, was für jene Zeit eher ungewöhnlich ist. Und auch im weiteren Verlauf ist es um unsere Konkurrenzfähigkeit gegenüber Mitbewerbern aus Übersee recht gut bestellt.


In den USA ist die aktuelle Kartoffelernte die zweitniedrigste der jüngeren Geschichte. Gleichzeitig sind die Preise bzw. die Rohstoffkosten der Verarbeiter dort mit umgerechnet 12 bis 14 €/dt wesentlich höher als bei uns.


Was macht der Versand?

Leider gleicht das Drittlandsgeschäft mit Verarbeitungsprodukten nicht alles aus. Ein kritischer Punkt der aktuellen Saison ist z. B. der überregionale und internationale Versand von frischen Speisekartoffeln.


Bislang waren die traditionellen Bestimmungsmärkte für niederländische oder französische Konsumkartoffeln gut mit eigener Ware versorgt. Das wird sich zwar 2012 ändern, noch verdirbt es aber die Stimmung, und zwar auch bei uns.


Fakt ist: Die Franzosen müssen in dieser Saison mindestens 2 Mio. t Kartoffeln exportieren. Die iberische Halbinsel und Italien sollten davon eigentlich gut die Hälfte aufnehmen, meinte man ursprünglich. Danach sah es aber bis zuletzt noch nicht aus. Französische Händler suchen denn auch nach Absatzalternativen. Und damit droht die Gefahr, dass französische Kartoffeln aus der Kistenkühllagerung im nächsten Jahr verstärkt nach Deutschland drängen.


Ob es so kommt, entscheidet auch der hiesige Lebensmitteleinzelhandel. Dessen Sortimentspolitik sieht zwar grundsätzlich vor allem deutsche Ware vor. Einkäufer lassen sich aber auch immer wieder von günstigen Importofferten verführen, wie die letzten Kampagnen zum Leidwesen deutscher Anbieter gezeigt haben.


Licht am Horizont.

Trotzdem: Wenn es keine bösen Überraschungen gibt, müsste sich der deutsche Markt mittelfristig ausgeglichener zeigen. Und gute Qualitäten könnten zum Saisonende sogar noch richtig knapp werden.


Insgesamt werden laut AMI-Schätzungen bei uns in der laufenden Saison wohl knapp über 12,8 Mio. t Kartoffeln vermarktet (inklusive der Importe von annähernd 1 Mio. t). Das ist so viel wie seit 2004/05 nicht mehr. Damals war das Angebot sogar noch 1 Mio. t größer. Aber seitdem haben sich auch die Absatzkanäle weiter geöffnet (vgl. Übersicht).


Jahr für Jahr wächst beispielsweise unser Export von frischen Kartoffeln. Dazu zählen traditionell die Lieferung von Stärkekartoffeln in die Niederlande und die Belieferung der dortigen Nahrungsmittelhersteller. Letztere haben schon etliche Mengen bei uns geordert.


Darüber hinaus geht immer mehr Frischware nach Nordost- und Südosteuropa. Aufgrund der niedrigen Preise hat sich auch jetzt schon ein Lieferstrom in diese Richtung entwickelt. Und der Export nach Russland, der bereits 2010/11 den Markt belebt hat, wird ebenfalls kaum fehlen. Frankreich steht zwar auch Gewehr bei Fuß, um Exportmärkte im Osten und im Süden zu beliefern. Die Franzosen haben aber im laufenden Jahr wegen der niedrigen Produktpreise einen enormen Frachtkostennachteil.


Die Ausfuhr von Kartoffelprodukten ist ebenfalls eine Erfolgsgeschichte. Und das dürfte sich diese Saison fortsetzen, so dass umgerechnet in Frischgewicht mindestens 1,65 Mio. t Kartoffeln Deutschland verlassen. Zusammen mit den Ausfuhren von Frischware ergibt sich damit ein vorraussichtliches Ex­portvolumen von 3,45 Mio. t in der laufenden Saison. Ein Plus von gut 5 % gegenüber 2010/11.


Der Bedarf an Konsumkartoffeln, und zwar frisch wie verarbeitet, wird in Deutschland im Wirtschaftsjahr 2011/12 ebenfalls höher liegen als vor einem Jahr, wozu die wesentlich verschlechterten Sortierausbeuten insbesondere für den Frischmarkt beitragen. Etwa 5 Mio. t entfallen auf diese Verbrauchsschiene (fast 8 % mehr als 2010/11).


Enorm zulegen wird auch der industrielle Bedarf. Im letzten Jahr herrschte ein Mangel an Stärke, der zunächst noch aufgeholt werden musste. Die Verarbeiter haben 3,2 Mio. t Stärkekartoffeln kontrahiert, nachdem im Vorjahr nur ca. 2,2 Mio. t verarbeitet werden konnten. Hinzu kommen Brennereikartoffeln. Berücksichtigt man schließlich noch den Bedarf von rund 575 000 t Pflanzkartoffeln, so bleiben am Ende in der Bilanz gerade noch 516 000 t Futterkartoffeln. Das ist so wenig wie seit dem Dürrejahr 2006 nicht mehr.


Was bringt 2012?

Und das heißt: Der Markt 2011/12 hat in der zweiten Hälfte des Wirtschaftsjahres durchaus noch das Potenzial für steigende Preise – zuerst bei Speisekartoffeln. Allerdings wird bei schwachen Qualitäten wohl nicht viel davon bei den Erzeugern ankommen. Angesichts hoher Produktionskosten – z. B. Pflanzgut, aber auch Dünger – wird sich der eine oder andere denn auch überlegen, dem Kartoffelanbau den Rücken zu kehren. Mit anderen Feldfrüchten hat man es leichter.

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