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Droht der Schlachtkollaps?

Lesezeit: 5 Minuten

Die Schlachtviehmärkte kommen nicht zur Ruhe. Wegen Corona schiebt die Branche seit Monaten Schlachttiere vor sich her. Und im Spätherbst kommen noch mehr Tiere.


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Die Vermarktung von Schlachtschweinen und -rindern läuft seit Monaten nicht rund. Vielerorts können Viehhändler Tiere nicht zeitgerecht abnehmen, da die Schlachtunternehmen abwinken. Der Grund: Die Kapazitäten bei den Schlachtern reichen nicht. Das Nadelöhr ist dabei vor allem die Zerlegung. Hier werden besonders viele osteuropäische Fachkräfte gebraucht. Doch durch Corona funktioniert dieses System nicht mehr. In den nächsten Wochen könnte sich die Lage sogar noch zuspitzen.


Kein attraktiver Arbeitgeber


Ein Grund für den Personalmangel ist das angekündigte Verbot von Werkverträgen in der Fleischbranche. Westfleisch, Tönnies und Co. versuchen deshalb, tausende von externen Mitarbeitern zu integrieren, die bisher über Subunternehmen beschäftigt waren.


Das ist kein Selbstläufer, denn die Subunternehmen fürchten um ihr Geschäftsmodell und vermitteln ihre Fachkräfte lieber in andere Branchen wie die Logistik oder die Bauwirtschaft. Nachfrage gibt es offenbar genug, denn nach einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) lagern fast 90 Prozent aller deutschen Unternehmen mindestens einen Arbeitsprozess mittels Werkvertrag aus.


Zudem sind Fleischunternehmen aktuell keine attraktiven Arbeitgeber. Wer täglich befürchten muss, dass sein Betrieb Corona-bedingt stillsteht, sucht sich vielleicht etwas anderes. Jüngstes Beispiel ist die vorübergehende Schließung von Weidemark in Niedersachsen.


Problematisch sind außerdem die Hygienekonzepte, die wegen der Corona-Pandemie eingeführt wurden und die Kapazitäten begrenzen. So konnte Tönnies in Rheda-Wiedenbrück vor Corona pro Tag bis zu 24000 Schweine schlachten. Jetzt sind es nur noch 16000. Der Vion-Betrieb in Emstek verarbeitet im Normalbetrieb 12000 Schweine. Aktuell sind es nur 7000 Tiere am Tag. In der Branche schätzt man, dass die nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) festgelegten Kapazitäten in Deutschland derzeit durchschnittlich um etwa 20 bis 30 Prozent unterschritten werden.


Schlachtstau wird länger


Die begrenzten Kapazitäten lassen den Rückstau in den Ställen immer länger werden. Die Schlachtgewichte haben zuletzt mit rund 101 kg pro Schwein ein Rekordniveau erreicht. Die aktuellen Wochenschlachtungen in Deutschland schwanken zwischen 800000 und 870000 Tieren. Vor einem Jahr kratzten die Zahlen noch an der Millionenmarke. Der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) bezifferte den Überhang Mitte Oktober in einer Analyse für die Landwirtschaftsministerien auf über 400000 Schweine – Tendenz steigend. Dort sieht man zudem keine schnelle Lösung, sondern befürchtet, dass zum Jahresende noch mehr Personal fehlt.


Schwierigkeiten gibt es aber auch auf dem Rindfleischmarkt. Die Schlachtgewichte sind hier ebenfalls leicht erhöht. Das größere Problem sind hier allerdings die Engpässe in der Zerlegung. Auf dem europäischen Markt sind entbeinte Teilstücke derzeit Mangelware. So kosten grobzerlegte Teile wie das Vorderviertel vom Jungbullen im Fleischgroßhandel mit 3,60 bis 4,30 € pro kg so viel wie vor einem Jahr. Für das feinzerlegte Roastbeef muss man hingegen 2 € tiefer in die Tasche greifen. Es kostet 12,50 bis 13,50 € pro kg.


Die Lage dürfte sich in den kommenden Monaten weiter verschärfen. Sowohl bei den Schweinen als auch bei den Rindern erreichen die Schlachtzahlen die höchsten Werte für gewöhnlich im vierten Quartal (siehe Übersicht 1).


Es geht aber nicht nur um fehlende Kapazitäten. In der Wertschöpfungskette steigen die Kosten in der Verarbeitung von Fleisch derzeit dramatisch:


  • Regelmäßige Coronatests unter den Mitarbeitern,
  • Erhöhter Krankenstand bzw. Quarantäne,
  • Coronakonforme Transporte der Arbeitnehmer,
  • Ausfall durch behördliche Schließung,
  • Die geringere Auslastung erhöht die Festkosten pro Schlachteinheit.


Und im weiteren Verlauf dürften die Kosten weiter steigen. Das Verbot der Werkverträge Anfang 2021 lässt die Personalkosten in der Schlachtung und Zerlegung nach groben Schätzungen um bis zu 60% ansteigen. Gleichzeitig übernehmen die Unternehmen mehr Verantwortung für die Unterbringung der „neuen“ Kollegen. Auch das kostet.


Bis zu 80 Ct/kg höhere Kosten


Trägt man all diese Kostentreiber zusammen, müsste das Fleisch an der Ladentheke wohl 35 bis 80 Cent pro kg teurer verkauft werden. Tatsächlich haben sich die Verbraucherpreise seit dem Frühjahr aber kaum verändert. Auf der anderen Seite stehen die Erzeugerpreise für Schweinefleisch seitdem massiv unter Druck. Die höheren Kosten treffen somit vor allem die Tierhalter. Die Marktspanne, die sich aus der Differenz zwischen dem Verbraucher- und dem Erzeugerpreis ergibt, ist auf ein Rekordniveau von knapp 3,30 € pro kg gestiegen (siehe Übersicht 2).


Mittlerweile dürfte die Spanne sogar noch größer sein, denn der Preisverfall durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) ist in der Übersicht noch nicht berücksichtigt. Branchenkenner schätzen den Erlösrückgang für die Schlachtbetriebe durch die Importsperre der Drittländer auf 12 bis 17 Cent pro kg Schweinefleisch. Auch das geht bisher voll zu Lasten der Erzeuger.Dabei trifft es die Schweinehalter gleich doppelt. Neben den schmerzhaften Abschlägen bei der Notierung und Zuschlägen verlieren sie nun auch noch durch überschwere Tiere Geld.


Offensichtlich werden die Lasten, die durch Corona und ASP entstehen, bisher alles andere als fair verteilt.


andreas.beckhove@topagrar.com

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