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„Feste Lieferketten bringen 20% mehr Rendite“

Lesezeit: 6 Minuten

Der Schlachtkonzern Vion erzielt durch eine stärkere Zusammenarbeit in der Kette höhere Erlöse. Künftig sollen auch Fleischersatzprodukte Rendite bringen, erklärt Vion-Chef Ronald Lotgerink.


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Herr Lotgerink, was bedeutet die Coronakrise für Vion?


Lotgerink: Die Krise fordert uns in der Organisation der Betriebsabläufe. Wir müssen täglich schauen, wie wir die Arbeitskolonnen einteilen. Als Lebensmittelproduzent sind wir systemrelevant. Klar ist aber auch, ohne unsere Mitarbeiter stehen die Bänder still.


Sind Sie sicher, dass Sie auch in den kommenden Wochen noch ausreichend Mitarbeiter bekommen?


Lotgerink: Wir bewerten die Lage jede Woche neu. Stand heute sind negative Folgen nicht erkennbar. Alle Unternehmen der Branche arbeiten an individuellen Lösungen, um den Mitarbeitern die Jobs zu erhalten und die Produktion zu sichern.


Sollten Landwirte in Krisenzeiten ihre Vermarktung ändern?


Lotgerink: Auf keinen Fall! Wir brauchen gerade jetzt planbare Mengen und Qualitäten. Wer nun Tiere leichter, schneller oder auch schwerer abliefert, verunsichert den Markt zusätzlich.


Wie ist die Situation am Markt?


Lotgerink: Die Nachfrage hat sich grundlegend geändert. Unser Food Service, der die Gastronomie versorgt und einen Anteil von etwa 5% am Gesamtumsatz hat, ist komplett weggebrochen. Dafür setzen wir im Einzelhandel 30% mehr um, weil die Leute mehr Lebensmittel für zu Hause einkaufen. Sie kaufen derzeit mehr Hackfleisch als Edelteile. Das erschwert die Vermarktung des gesamten Schlachtkörpers.


Wie sieht es international aus?


Lotgerink: Im Export fallen ganze Absatzkanäle plötzlich weg. Nach Südeuropa liefern wir fast keine Ware mehr, weil das Virus Italien und Spanien lahmlegt.


Rindermäster werfen der Schlachtbranche vor, die aktuelle Unsicherheit auszunutzen, um die Preise zu drücken. Was sagen Sie dazu?


Lotgerink: Das ist falsch. Bei so gravierenden Verwerfungen muss sich der Markt erst neu finden. Wie gesagt bekommen wir die hochpreisigeren Teilstücke derzeit nicht ins Geld. Ich hoffe, dass es zum Sommer wieder besser läuft. Wichtig ist jetzt, dass die Lieferketten nicht abreißen. Wir laufen derzeit noch unter Volllast in den Schlachtbetrieben, und das ist gut so.


Abseits von Corona, wie laufen die Geschäfte bei Vion?


Lotgerink: Das vergangene Jahr war sehr gut. Unsere Schlachtzahlen sind zwar gesunken. Wir haben 2019 konzernweit 15,2 Mio. Schweine (-2%) und 844000 Rinder (-7,5%) geschlachtet. Unseren Nettogewinn konnten wir allerdings deutlich von 10 auf 26,7 Mio. € steigern. Auch der Umsatz stieg um 8,4% auf über 5 Mrd. €. 70% des Umsatzes macht Vion in Europa. Dieser Anteil wird weiter steigen.


Die höhere Wertschöpfung hat zwei wesentliche Gründe. Zum einen haben wir den Exportumsatz um 30% gesteigert, vor allem Richtung China. Und zum anderen konnten wir im Inland mit unseren geschlossenen Lieferketten punkten.


Was steckt hinter den Lieferketten?


Lotgerink: Wir bauen seit einigen Jahren feste Lieferverträge zwischen dem Landwirt und den Handelsketten auf. Die Vion sitzt als Koordinator mittendrin. Die Ketten sind transparent, sodass der Einzelhändler mit dem Herkunftsbetrieb auf der Fleischverpackung werben kann. Wir sind überzeugt, dass wir durch diese festen Partnerschaften die Rendite auf Dauer um 20% steigern können.


Gehört Ihr Robusto-Programm auch zu diesen Lieferketten?


Lotgerink: Ja genau. Dieses Programm läuft seit 2017 und liefert Premium-Schinken für den italienischen und spanischen Markt. Mäster müssen dafür die Genetik und Fütterung anpassen. Das Ergebnis sind Schinken, die sich durch ihre satte Farbe, eine gute Fettabdeckung und intramuskuläres Fett auszeichnen. Es lohnt sich für alle in der Kette.


Sie haben für 2019 geschlossene Lieferketten in Deutschland angekündigt. Wo stehen sie?


Lotgerink: Vion hat jetzt ca. 10% der Schweine unter Vertrag. Das Ziel für 2020 ist, die Menge auf 30% zu erhöhen. Wir wollten eigentlich schon weiter sein, aber wegen der hohen Preise sind die Landwirte zurückhaltend.


Wie viel mehr zahlt der Verbraucher denn für solche Konzepte?


Lotgerink: Ich schätze, dass die Konsumenten bereit sind, 10 bis 15% mehr zu bezahlen. Wir können in diesen engen Ketten zudem effizienter arbeiten und Kosten sparen. Am Ende ist ein 20% höherer Gewinn möglich.


Was planen Sie für 2020?


Lotgerink: Wir haben Einiges vor. In den Lieferketten wollen wir den Datenaustausch vom Erzeuger bis zur Ladentheke automatisieren. Dafür führen wir die Blockchain-Technologie ein. Außerdem investieren wir rund 35 Mio. € in die Nachhaltigkeit unseres größten Schweineschlachtbetriebes in Boxtel. Dort verkürzen wir die Lieferketten und sparen so eine Million Lkw-Kilometer ein. Außerdem wollen wir in unserer neuen Business Unit Retail noch stärker mit dem Einzelhandel zusammenarbeiten und neue Rind- und Schweinefleischprodukte etablieren.


Sie arbeiten auch intensiv an Fleischersatzprodukten. Richtig?


Lotgerink: Das stimmt. Diesen Bereich wollen wir stärken und haben unseren ehemaligen Rinderschlachtbetrieb in Leeuwarden umgebaut. Wir haben vor drei Wochen begonnen und wollen ab Juli richtig durchstarten.


Ihre Landwirte werden das aber nicht so gerne hören, oder?


Lotgerink: Die Bauern bleiben unsere Partner. Sie produzieren statt Fleisch Soja, Erbsen und künftig auch Bohnen. Auch hier wollen wir mit Erzeugern feste Ketten aufbauen, sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland.


Was kosten diese Produkte im Vergleich und wie groß ist der Markt?


Lotgerink: Aktuell sind sie noch teurer als Fleisch. Das wird sich aber ändern. Wenn die Produkte wie Fleisch schmecken und günstiger sind, wird der Konsum steigen. Uns kommt es aber nicht auf den Marktanteil an. Wir wollen Produkte entwickeln, die sich in der Kette rechnen.


Auch Vion profitiert seit Jahren vom Asienexport. Wie lange hält der Chinaboom noch an?


Lotgerink: Vor Corona bin ich von drei bis fünf Jahren ausgegangen, in denen China noch große Fleischmengen importiert. Nun wird es deutlich länger dauern, die chinesischen Schweinebestände wiederaufzubauen.


Und danach verabschieden Sie sich vom Weltmarkt?


Lotgerink: Nein, wir werden weiterhin Pfötchen und Schwänze nach China schicken, weil wir sie hier nicht brauchen. Das Problem ist, dass wir das fünfte Viertel zu Weltmarktpreisen verkaufen müssen, während unsere Kosten viel schneller steigen als in den USA oder Brasilien. Als Ausgleich müssen wir in Europa teurer verkaufen.


Sie rechnen mit einem starken Rückgang des Fleischkonsums um bis zu 30% in West- und Nordeuropa in den nächsten zehn Jahren. Warum?


Lotgerink: Das Konsumverhalten ändert sich stark. Unsere Kinder essen weniger Fleisch. Meine Töchter beispielsweise essen heute maximal drei bis vier Mal in der Woche Fleisch. Bei mir liegt fast täglich Fleisch auf dem Teller. Ich rechne mit einem Nachfragerückgang von 3 bis 4% pro Jahr.


Weniger Konsum heißt weniger Viehhaltung, oder?


Lotgerink: Die Tierbestände werden weiter sinken. 13% der niederländischen Schweinehalter nutzen gerade das Ausstiegsprogramm der Regierung. Auch Deutschland stockt ab, wenn auch langsamer.


andreas.beckhove@topagrar.com


marcus.arden@topagrar.com

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