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Größere Mengen, kleinere Preise?

Lesezeit: 9 Minuten

Die Getreidenotierungen haben während der letzten Wochen zeitweilig nachgegeben, denn die neue Ernte rückt näher. Optimisten hoffen aber, dass es nach dem Drusch schnell wieder aufwärts geht.


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Viele Landwirte haben zeitig im Frühjahr Vorkontrakte für die Getreideernte 2021 abgeschlossen. Und damit lagen sie aus heutiger Sicht absolut richtig. Die Preise hatten nach dem Jahreswechsel kräftig angezogen und auf der Erzeugerstufe im Tagesgeschäft ihren Zenit etwa Anfang März erreicht. Das färbte auf die Offerten für die Ernte 2021 ab. Für „neuen“ Weizen wurden an den nachfragestarken Zuschussstandorten zeitweilig 200 bis 220 €/t geboten, und „neue“ Gerste konnte z.B. in Exporthafennähe oder im Einzugsgebiet der Mischfutterfirmen für 180 bis knapp unter 200 €/t vorverkauft werden.


Mittlerweile bewegen sich die Preisvorstellungen der Ersterfasser für neuerntiger Ware netto, frei Lager etwa 20 bis 25 €/t unter dem oben genannten Niveau. Viele Abnehmer spekulieren auf eine pünktliche und vor allem gute Ernte 2021. Deshalb stehen sie bei den Einkaufspreisen auf der sinnbildlichen Bremse. Einige von ihnen übertreiben es dabei aber mal wieder maßlos und düpieren ihre landwirtschaftlichen Geschäftspartner mit regelrechten Abwehrgeboten. Vor allem beim Roggen schießen einige Händler im negativen Sinne sehr weit übers Ziel hinaus. Das könnte sie teuer zu stehen kommen.


Verbrauch legt kräftig zu


„Ich glaube nicht, dass der Getreidemarkt in der kommenden Saison überreichlich versorgt sein wird“, sagt ein nordwestdeutscher Marktanalyst. Etliche seiner Kollegen teilen diese Einschätzung – auch das amerikanische Agrarministerium (USDA) und der Internationalen Getreiderat (IGC). Beide erstellen Monat für Monat u.a. Berichte über die Lage an den weltweiten Getreidemärkten. Dabei weichen einzelne Statistiken und Vorhersagen hin und wieder durchaus voneinander ab. Aber die Kernbotschaften ähneln sich meistens. Das gilt auch für die jüngsten Berichte. Nach denen dürfte 2021/22 ein zunehmendes Angebot bei den meisten Getreidearten auf eine sogar noch stärker steigende Nachfrage treffen.


In seiner Prognose von Ende Mai 2021 bezifferte der IGC die globale Getreideerzeugung in der Saison 2021/22 auf insgesamt 2,292 Mrd. t. Das wäre ein neuer Rekord. Das gilt aber mit ca. 2,297 Mrd. t auch für den Verbrauch, den der IGC gegenüber seiner April-prognose um 11 Mio. t nach oben korrigiert hat. Die globalen Vorräte sinken gegenüber dem Vorjahr bis Mitte 2022 um 5 Mio. t auf 595 Mio. t.


Diese Menge entspricht knapp über einem Viertel des Jahresverbrauchs. Und bei einem Stock-to-use-ratio (Verhältnis von Vorräten zum Verbrauch) von mindestens 23 bis 25% sprechen die FAO und andere Organisationen, die die Welternährung im Blick haben, meistens von einer sicheren Versorgung. Das tun sie auch im Hinblick auf die neue Saison. Kritiker halten solche Einschätzungen allerdings aus folgenden zwei Gründen für voreilig:


  • Die Ertragsprognosen der meisten Analysten sind bislang relativ optimistisch. Bis zum Abschluss der weltweiten Ernte vergehen aber noch viele Monate, in denen widriges Wetter die Ertragshoffnungen zunichte machen kann oder die Qualitäten beeinträchtigt.9


  • Nur ein relativ überschaubarer Teil der o.g. Vorräte sind für den Weltmarkt greifbar. Weit über die Hälfte der Menge entfällt auch China, das mit seinen umfangreichen Importen schon während der vergangenen Monate den internationalen Getreide- und Ölsaatenhandel aufgeheizt hat. Peking wird weiterhin alles daran setzen, die eigene Versorgung zu sichern. Beispielsweise wegen der Bestrebungen, die wegen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) sehr stark dezimierten Schweinebestände im Reich der Mitte schnell wieder aufzustocken. Dafür wird Futter benötigt, z.B. Importgetreide.10


IGC erwartet 790 Mio. t Weizen


Angesichts des regen weltweiten Handels reagieren viele Börsianer denn auch auf die relativ hohen globalen Ernteschätzungen bei Weizen bislang zumeist nur mit einem Schulterzucken. Aus gutem Grund, schließlich wird auch immer mehr Weizen verbraucht.


Der IGC erwartet in der neuen Saison eine Ernte von insgesamt rund 790 Mio. t Weizen, 16 Mio. t bzw. gut 2% mehr als 2020/21. Allerdings gehen die Schätzungen je nach Region weit auseinander. Deutliche Zuwächse in der EU-27 (Näheres dazu später), Argentinien und der Ukraine stehen teils recht deutlichen Rückgängen in den USA, Russland, Kanada und Australien gegenüber.


Den Verbrauch während 2021/22 haben die Londoner Marktbeobachter gegenüber ihrer letzten Prognose um weitere 5 Mio. t auf insgesamt 787 Mio. t nach oben korrigiert. Das wäre ein Plus von 21 Mio. t gegenüber dem Vorjahr. Die Vorräte steigen nur um 3 Mio. t.


Mitte 2022 sichern die globalen Vorräte rechnerisch fast 37% des Jahresverbrauchs ab. Das wäre mehr als auskömmlich, allerdings sollen rund 56% der Überhangbestände in China und Indien liegen. Ohne diese Länder in der Bilanz liegt das Stock-to-use-ratio nur bei etwa ca. 24%.


Bei den maßgeblichen Weizenexporteuren, das sind Argentinien, Australien, Kanada, die EU-27, Kasachstan, Russland, die Ukraine und die USA, werden die Weizenvorräte während der nächsten zwölf Monate gegenüber der Saison 2020/21 sogar um 4 Mio. t abnehmen. Das spricht nach Ansicht vieler Analysten auch im weiteren Verlauf für relativ hohe Kurse – nicht nur, wenn China seine Importe weiter steigert.


Maiszahlen unterschiedlich


Bei Mais gehen die Prognosen der USDA- und der IGC-Beobachter derzeit etwas auseinander. Das USDA rechnet erstmals seit geraumer Zeit mit einer leichten Zunahme der knappen Vorräte. Der IGC geht hingegen von einem leichten Minus aus, denn die Londoner Beobachter erwarten in etlichen Anbauregionen Maisernten auf oder knapp über dem Niveau von 2020/21.


Mit 1,194 Mrd. t peilt die Erzeugung ein neues Allzeithoch an (60 Mio. t mehr als 2020/21). Sie dürfte aber auch auf einen neuen Verbrauchsrekord treffen, der laut IGC 6 Mio. t über der Erntemenge liegen dürfte. Diese Lücke muss aus den Vorräten geschlossen werden. Mitte 2022 liegt das Stock-to-use-ratio bei Mais knapp unter 22%, und ohne China, das dann gewaltige 174 Mio. t Mais bunkern soll, nur noch bei weniger als 10%. Kein Wunder, dass Gerüchte über eventuelle Ertragsminderungen seit einiger Zeit immer mal wieder zu kräftigen Preissprüngen bei den Terminkursen für Mais geführt haben. Leider sind diese nur zum Teil bei den Erzeugern angekommen, aber das kann sich ja noch ändern.


Wie viel erntet die EU?


Neue und vor allem deutlich niedrigere Erntevorhersagen als bisher könnten den Preisen in der Tat sogar schon kurzfristig neuen Auftrieb geben. Danach sieht es aber derzeit nicht aus. Das gilt auch für die EU. Da die meisten Anbauregionen in diesem Jahr mehr Regen abbekommen haben als in den zwei vorherigen, rechnen Analysten mit etwas höheren Erträgen als 2020 und mit einer deutlich höheren Getreideproduktion in der EU.


Coceral, das ist der Dachverband des europäischen Getreide- und Ölsaatenhandels, erwartet wegen ausgeweiteter Anbauflächen und besserer Hektarergebnisse in der EU-27 eine Gesamternte von gut 291 Mio. t (+13 Mio. t im Vergleich zum Vorjahr), davon ca.:


  • 130,9 Mio. t Weichweizen (+10%) und gut 8 Mio. t Durum (+7%),
  • 64,7 Mio. t Mais (+4%),
  • 55,4 Mio. t Gerste (±0%),
  • 8,2 Mio. t Hafer (-4%) und
  • knapp 8 Mio. t Roggen (-11%).


Vor allem die Weizenprognose ist Wasser auf die Mühlen derjenigen Erfasser und Verarbeiter, die Landwirte schon im Vorfeld der neuen Ernte auf sinkende Preise einstimmen wollen. Bislang hatten sie dabei nicht viel Erfolg, schließlich sollen mehr Erzeuger als sonst früh mit Teilmengen auf Nummer sicher gegangen sein. Im weiteren Saisonverlauf könnte der zusätzliche Weizen allerdings die Preise deckeln. Es sei denn, der EU-Getreideexport kommt ähnlich zügig in Fahrt wie 2020.


Bedarf wäre sicher vorhanden, und zwar auch bei vielen traditionellen Abnehmern der EU in Nordafrika, sowie im Nahen und Mittleren Osten. Außerdem sind z.B. die Franzosen im Laufe des Wirtschaftsjahres 2020/21 sogar mit chinesischen Abnehmern ins Geschäft gekommen und hoffen, dass dieser Absatzweg auch in der neuen Saison attraktiv bleiben wird.


Allerdings schläft unsere Konkurrenz nicht. Die Russen werden wohl ihre Exportzölle wieder senken und alles daran setzen, die in den vergangenen Monaten verlorenen Marktanteile zügig wieder zurückzugewinnen. Auch Anbieter aus der Ukraine und Kasachstan haben vor, früh große Mengen am Weltmarkt abzusetzen. Denn noch winken attraktive Preise, es ist aber nicht sicher, dass das dauerhaft so bleibt.


Aus dem gleichen Grund bemühen sich auch die international aktiven EU-Getreidehändler um Drittland-Exportkontrakte zur relativ zeitnahen Belieferungen und Abrechnung. Ob bzw. in welchem Umfang sie dabei Erfolg haben, werden aber wohl erst die Preisverläufe nach Abschluss der Getreideernte 2021 in der EU zeigen.


weggeben oder weglegen?


Wer Vorkontrakte abgeschlossen hat, kann die weitere Entwicklung gelassen abwarten. Was ist jedoch mit den Mengen, die nicht sofort verkauft werden? Was soll man einlagern? Wovon sollte man sich schnell trennen? Diese Fragen beschäftigen derzeit viele Landwirte.


Der Blick auf die Preiskurven der Saison 2020/21 (siehe Seite 104) hilft bei der Suche nach der richtigen Vermarktungsstrategie für 2021/22 leider nicht weiter. Damals stiegen die Preise nach einem schwachen Start in die Saison zuerst zwar stetig aber doch eher langsam. Ab November/Dezember 2020 ging dann aber regelrecht die Post ab, und die Notierungen zogen erst an den internationalen Terminbörsen und kurz danach auch am Kassamarkt fast explosionsartig an. Zeitweilig wurden auf der Erzeugerstufe für Exportweizen und -gerste Aufschläge bewilligt, die selbst Optimisten überraschten.


Dass es 2021/22 wieder so kommt, ist nicht abzusehen. Fakt ist aber: Wenn Sie Getreide einlagern wollen, dann vor allem hochwertige Partien. „Guter Weizen und Gerste mit passendem Hektolitergewicht“, werden vermutlich auch in der neuen Saison ihren Weg am Markt machen“, gibt sich ein westdeutscher Makler optimistisch. Solche Qualitäten seien nicht nur für Exporteure interessant, sondern auch für heimische Verarbeiter. Gleiches gilt nach seiner Überzeugung für Brotroggen mit Fallzahlen von mehr als 120 sec.


Diese Einschätzungen werden von etlichen Marktkennern geteilt. Die meisten von ihnen warnen allerdings auch davor, selbst attraktive Offerten in der Ernte kategorisch abzulehnen, um auf kräftig steigende Erlöse danach zu spekulieren. Und keine Frage: Je höher die Startpreise ausfallen, desto kleiner könnte in der Tat der Preisspielraum nach oben ausfallen.


Bleiben Sie am Ball!


Spekulieren Sie als Landwirt wirklich nur mit überschaubaren Mengen und kalkulierbarem finanziellen Risiko. Behalten Sie zudem unbedingt das aktuelle Marktgeschehen im Auge. Dabei unterstützen wir Sie im Internet z.B. auf der Seite www.topagrar.com/markt (gratis für Abonnenten von top agrar) oder auf www.agrarfax. de.


joerg.mennerich@topagrar.com


top agrar


Getreidemarkt 2021/22

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