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Initiative Tierwohl auf der Zielgeraden?

Lesezeit: 7 Minuten

Mehr Tierwohl kostet Geld. Bauern, Schlachter und der Lebensmittelhandel ringen seit Monaten um die Kriterien und den finanziellen Ausgleich. Jetzt ist die Initiative Tierwohl auf der Zielgeraden. Was erwartet die Schweinehalter?


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1. Was will die Initiative?


Bauern, Schlachter und der Lebensmittelhandel (LEH) wollen den Wünschen der Verbraucher nach mehr Tierwohl in Schweineställen nachkommen.


Auf freiwilliger Basis sollen Tierwohl-Maßnahmen vereinbart werden, die über den gesetzlichen Standard hinausgehen. Im Gegenzug sollen die Landwirte einen kostendeckenden Ausgleich erhalten, der – und das ist ganz wichtig – unabhängig vom aktuellen Schweinepreis gezahlt wird.


Mit der Initiative Tierwohl will die Branche der Politik zeigen, dass sie ohne rechtliche Daumenschrauben auf geänderte Verbraucherwünsche reagiert. Ziel ist es, die Tierwohl-Aspekte mit den wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Landwirte zu verknüpfen, um damit den Veredlungsstandort Deutschland mittel- und langfristig zu sichern.


Alternativ drohen einseitige rechtliche Verschärfungen der Tierschutzauflagen ohne finanziellen Ausgleich. Das würde die heimische Veredlung massiv schwächen. Das hat das vorzeitige Verbot der Käfighaltung von Legehennen in Deutschland deutlich gemacht.


2. Was unterscheidet die Initiative Tierwohl von Labeln?


Bisherige Label kamen und kommen nie aus der Nische heraus. Die Initiative Tierwohl verfolgt einen sektoralen Ansatz. Flächendeckend sollen Landwirte auf freiwilliger Basis durch einen finanziellen Ausgleich motiviert werden, höhere Tierwohl-Standards zu erfüllen. In der Fleischtheke werden die Produkte nicht extra ausgezeichnet. Die wichtigsten Vorteile:


  • keine Marktspaltung,
  • kein zusätzlicher Platzbedarf in den Supermärkten,
  • keine teuren Werbemaßnahmen.


Die einzige Botschaft an den Verbraucher lautet: „Die Branche tut etwas!“


3. Welche Kriterien werden diskutiert?


Geplant ist ein Paket aus drei Blöcken (siehe Übersicht 1). Die Blöcke A und B bilden das Grundpaket, das jeder teilnehmende Betrieb erfüllen muss. Darüber hinaus kann er weitere Kriterien aus dem Block C wählen.


Konkret muss ein Mäster in Block A sieben verpflichtende Basiskriterien erfüllen, u.a. Stallklimacheck, bebeißbares Beschäftigungsmaterial anbieten und Tageslichteinfall garantieren. Darüber hinaus muss er mindestens ein Wahlpflicht-Kriterium aus Block B umsetzen. Das kann der Verzicht auf die chirurgische Kastration oder das Kupieren der Ferkelschwänze sein. Zur Wahl stehen auch mehr Platz oder die Einrichtung eine Komfortliegefläche. Wer möchte, kann noch weitere Kriterien aus Block B und C erfüllen. Mögliche Maßnahmen aus Block C sind zum Beispiel Strukturierung durch in der Bucht angebrachte Wände, lichtreduzierte Ruhebereiche oder Abferkelboxen ohne permanente Fixierung der Sau.


Wichtig: Das gesamte Paket befindet sich erst in der Endabstimmung, sodass einzelne Kriterien noch angepasst werden können.


4. Darf weiter kastriert und kupiert werden?


Ja. Beide Punkte sind zwar Teil des Kriterienkatalogs – aber als freiwillige Maßnahmen aufgelistet. Wer auf die chirurgische Kastration und das Kupieren der Schwänze verzichtet, bekommt dafür einen Bonus. Den Initiatoren ist bewusst, dass zumindest beim Thema Schwanzkupieren noch keine praxis-nahen Lösungen in Sicht sind.


5. Wie berechnet sich der Bonus?


Die Höhe der Bonuszahlung hängt allein davon ab, welche Kriterien der Landwirt auswählt. Betriebe, die die Basiskriterien und mindestens ein Kriterium aus Block B erfüllen, erhalten einen festen Bonus für Block A, plus dem individuellen Bonus für das Kriterium aus Block B, der je nach Kriterium variiert. Darüber hinaus erhält der Landwirt zusätzliche Beträge für weitere Kriterien aus Block B und C, die er erfüllt.


6. Wie hoch ist der Bonus?


Der Bonus soll die tatsächlichen variablen Mehrkosten abdecken. Die genaue Höhe steht noch nicht fest. Beispiel: Wer seinen Schweinen 20 % mehr Platz anbietet, müsste nach groben Berechnungen der Betriebswirtschaftler einen Bonus von ca. 7 € pro Tier erhalten. Für die Erfüllung der Basiskriterien sind ca. 2 € pro Tier vorstellbar, heißt es.


Das Grundpaket (sieben Basis-Kriterien und ein Wahlpflicht-Kriterium) bringt dem Landwirt in diesem Fall also 9 € je Tier. Kommen weitere Kriterien hinzu, würde sich der Bonus entsprechend erhöhen.


7. Profitieren auch die Ferkel­erzeuger?


Das ist noch offen. Wahrscheinlich ist, dass schrittweise vorgegangen wird und das System zunächst nur in der Mast erprobt wird. Für Ferkelerzeuger und -aufzüchter würde dann zeitverzögert ein vergleichbares Bonitierungssystem erarbeitet. Das wird natürlich die Kosten deutlich erhöhen.


8. Können auch ausländische Schweinehalter teilnehmen?


Wir wirtschaften auf einem euro-päischen Binnenmarkt und können uns deshalb nicht abschotten. Wie bei QS werden auch bei der Initiative Tierwohl keine Schweinehalter ausgeschlossen. Jeder Betrieb, der die Tierwohl-Kriterien erfüllt, ist grundsätzlich teilnahmeberechtigt. Einzige Voraussetzung: Die dort erzeugten Tiere müssen auf den deutschen Markt gelangen.


9. Wie oft wird kontrolliert?


Diese Frage ist noch offen. Die Tierschützer fordern angeblich jährliche Audits, die jeweils zu unterschiedlichen Jahreszeiten stattfinden sollen. Zudem sollen die Prüfer jährlich wechseln, um die Neutralität sicherzustellen. Ein solches System würde allerdings hohe Kontrollkosten verursachen. Deshalb wird auch diskutiert, die Audits in Kombination mit den QS-Kontrollen stattfinden zu lassen.


10. Woher kommt das Geld?


Finanziert werden soll das Bonussystem durch den LEH, der versuchen dürfte, sich die Kosten vom Verbraucher zurückzuholen. Wie viel die Händler in den Tierwohl-Topf einzahlen müssen, hängt von ihrem Fleischumsatz oder Frischfleischabsatz ab. Durch die Koppelung der Beiträge an den Fleischabsatz verhindert man, dass sich Händler mit preiswertem Fleisch aus dem Ausland eindecken und das System unterlaufen. Derzeit sollen vor allem die Discounter wie Aldi und Lidl geschlossen hinter Initiative Tierwohl stehen. Rewe und Edeka sollen ebenfalls eine feste Zusage gegeben haben.


Eine Clearingstelle berechnet und verwaltet die Beiträge. Sie ist unabhängig und leitet das Geld an teilnehmende Landwirte weiter. Die Warenströme und Marktpreise sollen sich durch die Initiative nicht ändern (s. Übersicht 2).


11. Wie hoch ist der Finanz­bedarf?


Bei einem Bonus von 9 € pro Schwein und 55 Mio. Schlachtschweinen würden jedes Jahr rund 500 Mio. € benötigt. Nicht alle Betriebe werden mitmachen und die Akzeptanz des Systems wird erst schrittweise steigen. Die Ini-tiatoren kalkulieren mittelfristig mit rund 40 % Marktanteil bzw. rund 22 Millionen „Bonus-Schweinen“. Dafür müssten gut 200 Mio. € jährlich bereitstehen. Kommen die Ferkelerzeuger hinzu, müsste nachfinanziert werden.


12. Finanzierung gesichert?


Garantien gibt es nicht. Auch für den LEH ist die Teilnahme letztlich freiwillig. Aber auch der Handel steht in der Tierwohlfrage unter Druck. Bislang gibt es keine Ansagen des Handels, den Tierwohl-Topf nach oben zu deckeln. Andererseits muss der LEH das Geld über den Fleischverkauf wieder einspielen. Das dürfte nur gelingen, wenn alle großen Ketten mitmachen und sich an der Finanzierung beteiligen.


Das hat aber Grenzen. Einen Nachfragerückgang bei Schweinefleisch wird der LEH nicht riskieren. Es wird deshalb wichtig sein, die Initiative gut zu kommunizieren und für Akzeptanz zu sorgen. Nur dann lassen sich die notwendigen Mittel zusammenbringen, die zur dauerhaften Finanzierung des Tierwohl-Topfes notwendig sind.


13. Was sagt das Kartellamt?


Das Kartellamt wird dazu befragt. Die Verantwortlichen wollen kein System installieren, das sofort nach dem Start von den Kartellwächtern wieder einkassiert wird. Es gebe bisher keine kartellrechtlichen Probleme, heißt es.


14. Wann geht es los?


Die Verhandlungen befinden sich auf der Zielgeraden. Mitte September soll das Ganze unterschriftsreif sein. Ab Januar 2014 könnte die Zertifizierung der ersten Betriebe beginnen.


15. Kann die Initiative noch scheitern?


Noch ist nichts unterschrieben. Allen Beteiligten der Kette scheint aber der Ernst der Lage bewusst zu sein. Denn wenn der Gesetzgeber die Tierwohl-Zügel weiter anzieht, steht der Produktionsstandort Deutschland und die Versorgung mit deutschem Schweinefleisch auf der Kippe. Im Gegensatz dazu bietet eine von der Wirtschaft getragene Initiative Tierwohl folgende Vorteile bzw. Chancen:


  • Die Land-(Wirtschaft) kann selbst beurteilen, was machbar ist und wie es effizient umgesetzt werden kann.
  • Durch den Kostenausgleich bleiben deutsche Betriebe gegenüber auslän-dischen wettbewerbsfähig.
  • Der Strukturwandel wird, anders als bei der Einführung der Gruppenhaltung von Sauen, nicht angeheizt.


Die Verfechter des Konzeptes hoffen nun, dass der Tierwohl-Antritt gelingt. Immerhin geht es für deutsche Schweinehalter um einen dreistelligen Millionenbetrag! M. Arden/A. Beckhove

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