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Ist Dinkel wirklich das neue Supergetreide?

Lesezeit: 5 Minuten

In den vergangenen Jahren hat der Dinkelanbau kräftig zugenommen. Dieses Getreide gilt als gesund und passt in viele Fruchtfolgen. Beobachter warnen allerdings vor überzogenem Optimismus.


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Viele Landwirte sind auf der Suche nach neuen, attraktiven Betriebszweigen und nach Wegen, wie sie gleichzeitig den immer höheren Umwelt- und Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht werden können. Ein Baustein dabei ist nach Ansicht von Experten, die Fruchtfolge auf dem Acker zu erweitern. In diesem Zusammenhang fällt derzeit relativ häufig das Stichwort „Dinkel“. Wie aufnahmefähig und wie lukrativ ist dieser Markt? Wo lauern Fallstricke?


Dinkel ist wirklich beliebt


Fakt ist: Die Verbraucher werden kritischer bei ihrer Ernährung, und Dinkel ist von vielen zum neuen Superfood auserkoren worden. Ernährungsphysiologen heben hervor, dass in dieser Weizengattung (teils wird Dinkel auch als Urform des Weizens bezeichnet) mehr Mineralstoffe und Vitamine zur Verfügung stehen, als in anderem Brotgetreide. Zudem wird Dinkelprodukten eine gute Bekömmlichkeit zugeschrieben. Die Nachfrage ist denn auch stark gestiegen – für Mehl, Flocken oder Brot und Brötchen. Allerdings hat auch das Angebot deutlich zugelegt, und zwar so stark, dass Skeptiker vor weiteren, kräftigen Steigerungen warnen.


Der Anbau ist in Deutschland während der vergangenen Jahre in der Tat stetig gestiegen. Aktuell wird die Dinkelfläche auf etwa 100000 ha beziffert. Das ist auf den ersten Blick nicht gerade sehr viel. Die Weizenfläche beträgt 2,9 Mio. ha und die von Roggen rund 700000 ha. Aber allein zwischen 2015 und 2020 haben die deutschen Mühlen die Dinkelverarbeitung verdoppelt (vgl. Übers). Ca. 30% des Dinkels ist Öko- und 70% konventionell erzeugte Ware.


Weitere Anbauländer im konventionellen Bereich sind Polen, Belgien und die Schweiz. Doch dort sind die Mengen deutlich geringer, um als Konkurrenz wahrgenommen zu werden. Öko-Dinkel wird zudem in Frankreich, Tschechien und Österreich produziert.


Tolerant und Anspruchslos


Dass auch konventionelle Ackerbauern vermehrt auf den „Dinkelzug“ springen, ist übrigens auch Folgendem geschuldet: Mit der Ackerbau- und der Farm-to-Fork-Strategie werden hohe Forderungen an die Landwirtschaft gestellt. Ein zentraler Punkt ist dabei z.B. die Erhöhung der Biodiversität. Gleichzeitig wird eine erhebliche Senkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln sowie synthetischen Düngern gefordert.


Unter diesen Bedingungen wächst der Dinkel unproblematisch und umweltstabil. Er ist tolerant wie Weizen, was den Saatzeitpunkt betrifft. Zudem zeigt er wenig Ansprüche wie Roggen und lässt sich daher recht unproblematisch in viele Fruchtfolgen integrieren. Dinkel gilt als eine anspruchslose Kultur, die auch auf schwächeren Standorten erfolgreich angebaut werden kann. Er ist sehr frohwüchsig und lässt sich relativ extensiv führen. Seine Frohwüchsigkeit könnte sogar dazu beitragen, Probleme mit dem Ackerfuchsschwanz zu verringern. Der Dünger- und Pflanzenschutzaufwand liegt vielfach unter dem Niveau der anderen gängigen Getreidearten. Damit kommt der Dinkelanbau auch den Forderungen der Verbraucher und Politiker entgegen.


Der Preis entscheidet


Allerdings muss man dafür seine geringere Ertragsfähigkeit in Kauf nehmen. Diese liegt 10 bis 15% unter der von Weizen. Das lässt sich aber verschmerzen, wenn der Erlös stimmt. Dieser kann je nach Marktsituation durchaus bei bis 500 €/t (konventionell) bzw. 1000 €/t (Bioware) liegen. Das ist jedoch leider nicht die Regel. Zumeist orientieren sich die Dinkelerfasser am Preis für Matif-Weizen plus einer Prämie. Wichtig ist, dass die Qualitätsvorgaben der Erfasser bzw. Verarbeiter erfüllt werden. Die Mindestfallzahl beträgt z.B. 240 sec. Bei Abweichungen nach unten drohen starke Preisabzüge.


Zudem scheinen einige Abnehmer Probleme zu haben, den Dinkel nach der Erfassung mit attraktiven Margen weiterzuverkaufen. (Anm. der Redaktion: Uns haben in diesem Herbst Beschwerden von Dinkelanbauern aus dem Südwesten erreicht, dass Händler zuvor mündlich abgesprochene Abrechnungskonditionen nach der Ernte nicht eingehalten haben.). Deshalb ein wichtiger Rat, den übrigens alle Landwirte beherzigen sollten: Achten Sie darauf, dass Sie Verhandlungsergebnisse später bei Schwierigkeiten auch beweisen können, entweder durch schriftliche Vereinbarungen oder glaubhafte Zeugen. Im Nachhinein ist das meistens nicht mehr möglich.


Zu schön, um wahr zu sein?


Es gibt auch andere Punkte, über die sich Landwirte im Klaren sein sollten:


  • Anbauberater geben z.B. zu bedenken, dass der Dinkel dem Weizen sehr ähnlich ist. Vielleicht sogar zu ähnlich, um wirklich von einer weiteren Fruchtfolge zu sprechen. Vorsicht ist zudem geboten, was Fußkrankheiten betrifft, denn dafür ist auch Dinkel anfällig
  • Durch den Spelz können sich Probleme bei den Arbeitsabläufen ergeben. Sei es bei der Aussaat oder auch bei der Ernte. Die Körner mit den Spelzen (=Vesen) nehmen viel Platz ein und können Rohre und Schläuche leicht verstopfen. Insbesondere das Einlagern benötigt einen deutlich höheren Raumbedarf als bei anderen Getreidearten.
  • Wenn die Ernte zu lange hinausgezögert wird, nimmt die Fallzahl des Dinkels deutlich ab. Das kann zu Problemen mit den Abnehmern führen. Im Extrem könnte die Abnahme verweigert werden. Und wenn es ganz schlecht läuft, müssen Erzeuger Deckungskäufe tätigen bzw. bezahlen. Darüber sollten Sie vor Vertragsabschluss mit Ihrem Abnehmer sprechen und entsprechende Regelungen fixieren. Manche Mühlen zeigen dabei jedoch Entgegenkommen.
  • Da es sich beim Dinkel um einen relativ kleinen Markt handelt, schwanken die Preise je nach Angebots- und Nachfragesituation stark. Die Erlöse im konventionellen Bereich können durchaus mal bei 130 €/t und dann wieder bei gut 500 €/t liegen.


Wenn es sehr schlecht läuft, also der Markt gesättigt ist und die Mühlen/Erfasser plötzlich abwinken, drohen sogar massive Erlöseinbußen. Denn überschüssiger Dinkel ist allenfalls über den Futtertrog oder als Einstreu zu verwerten, und zwar zu niedrigen Preisen.


Klären Sie also unbedingt vor dem Anbau alle Vermarktungsfragen. Dazu gehört übrigens auch, zu vereinbaren, wer wie und zu welchen Kosten die Spelze entfernt. Übrigens: Eine interessante Kooperation zwischen Bauer und Bäcker haben wir ihnen in der 9/2021 ab Seite 142 vorgestellt.


joerg.mennerich@topagrar.com

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