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Kartoffeln: Kleine Ernte, stolze Preise?

Lesezeit: 6 Minuten

Wegen der Dürre könnten Kartoffeln in der Saison 2022/23 knapp werden. Das spricht für attraktive Erlöse, allerdings muss dafür auch die Qualität stimmen.


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Als Anfang August die Haupternte begann, gerieten die Erzeugerpreise für Kartoffeln etwas unter Druck. Das war der ferienbedingt ruhigen Nachfrage geschuldet. Mittlerweile haben sich die Notierungen wieder stabilisiert. Stellenweise ziehen sie sogar an, und das könnte sogar erst der Auftakt zu einer sehr spannenden Saison 2022/23 sein. Denn das Angebot fällt voraussichtlich klein aus.


Mehr Fläche, weniger Ertrag


Vor einigen Monaten sah es noch ganz anders aus: Nachdem 2021 als Reaktion auf die Pandemie der Kartoffelanbau in Deutschland – und in anderen europäischen Ländern – kräftig eingeschränkt worden war, wurden die Auspflanzungen im Jahr 2022 wieder ausgedehnt. Vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge wuchs das Areal in Deutschland um 9000 ha auf insgesamt 266800 ha (vgl. Übersicht).


Niedersachsen, auf das knapp 46% aller deutschen Kartoffelflächen entfallen, meldete ein Plus von 6% gegenüber dem Vorjahr. Kräftigen Zuwachs beim Areal gab es mit plus 5% auch in Nordrhein-Westfalen. Dort ist der Kartoffelanbau mit 39100 ha nun fast so groß wie in Bayern, das in diesem Jahr auf 39500 ha kommt.


Aufgrund dieser Zahlen orakelten einige Analysten, es drohe ein größeres Angebot mit wenig Preisspielraum nach oben. Dabei haben sie übersehen, dass die deutsche Anbaufläche trotz der Ausdehnung immer noch ca. 7000 ha unter der von 2020 liegt.


Außerdem haben sich die Flächenanteile des Anbaus für die verschiedenen Verwertungsschienen erneut verschoben. Es gibt dazu zwar keine absolut zuverlässigen Erhebungen, aber der Trend geht bei uns offenbar hin zu mehr Verarbeitungs-, aber weg von Speise- und Stärkekartoffeln.


Dürre- und Hitzeschäden


Die Anbauverschiebungen sind aber nur eine Erklärung dafür, dass sich der Markt jetzt anders darstellt als erwartet. Der Hauptgrund ist das Wetter. Auf überwiegend pünktliche bis frühe Auspflanzungen unter sehr guten Voraussetzungen folgten in der ersten Aprilhälfte Perioden mit Nachtfrösten. Dann besserte sich das Wetter. Ende Juni hatten die Knollen sogar einen leichten Vegetationsvorsprung. Allerdings war es schon zu trocken, und dann kam auch noch Hitze hinzu.


Vor allem die Sommer- und Haupternte stellte das Wachstum ein. Verarbeitungskartoffeln, die sonst im August ihre Hauptwachstumsphase haben, reagierten mit geringerem Zuwachs als gewohnt auf das Wetter. Das gilt sogar für Flächen unter Beregnung. Für viele Bestände wurde es regelrecht gefährlich. Hohe Unterwassergewichte gingen mit hoher physiologischer Alterung einher. Ein Neuaustrieb hätte fatale Folgen für die Qualität haben können. Die Abreife wurde durch Wasserentzug und Behandlung bei Speiseware beschleunigt und Verarbeitungsrohstoff früh mit Maleinsäurehydrazid behandelt.


Fakt ist: In diesem Jahr weisen die Kartoffeln sehr hohe Stärkegehalte auf. Das macht eine qualitätsschonende Rodung schwer. Das Hauptproblem sind aber die enttäuschend niedrigen Erträge. Oft ist von 20% weniger als im Vorjahr die Rede. Multipliziert man die geschätzten Erträge in den einzelnen Bundesländern mit den Anbauflächen, werden in Deutschland im Jahr 2022 keine 10 Mio. t Kartoffeln gerodet. Nach jüngsten Hochrechnungen werden es sogar nur knapp über 9,5 Mio. t.


Auch kleine EU-ernte


Anbautrends und Ertragslage sehen in vielen Ländern der EU nicht viel anders aus als bei uns. In Westeuropa hat der Konsumkartoffelanbau etwas zugelegt – auch in Polen. Im Südosten und auf dem Balkan sind die Flächen eher etwas geschrumpft und in Spanien und Italien fast stabil geblieben. Nach vorläufigen Daten liegt das Areal in der EU-27 bei 1,44 Mio. ha. Das liegt leicht über der Vorjahresfläche. Für den Markt ist aber entscheidend, wie die Erträge ausfallen.


Noch bewegen sich die Schätzungen auf ähnlichem Niveau wie vor einem Jahr. Die Frage ist aber, was im August und September noch zuwächst, und in diesem Punkt sieht es verbreitet eher schlecht aus. Extremstes Beispiel mit noch mehr Hitze und extremerer Trockenheit als in Deutschland ist Frankreich. Auch der Norden Italiens hat sehr gelitten. Beregnungsverbote wurden ausgesprochen und haben das Ende der Vegetationsperiode eingeläutet. Der Balkan ist auch vertrocknet, frühe Anfragen nach Lieferungen in Deutschland waren die Folge. Besser als der Durchschnitt könnten Küstenregionen im Norden der Niederlande, Skandinavien oder der Norden Polens davongekommen sein. Nach bisherigen Schätzungen könnte sich die EU-Ernte auf knapp über 43 Mio. t. summieren. Das wäre ein Minus von rund 7 Mio. t gegenüber dem Jahr 2021.


Knapp versorgte Märkte


Keine Frage: Auch eine kleine Ernte kann den Bedarf decken – so wie im Jahr 2018. Was sich dann ändert, sind eher der Preis, das Exportvolumen, die Verwendung in alternativen Bereichen und der Grad der Aussortierungen bzw. der Aufwand, aus sonst nicht mehr akzeptierten Ladungen bei der Aufbereitung mehr herauszuholen.


Schon jetzt sind die Speisekartoffelpreise in Deutschland die höchsten in Europa. Das dürfte für den Rest der Saison so bleiben. Ansonsten würden nämlich zu große Mengen abwandern, und es gibt bereits Nachfragen aus unterschiedlichsten Richtungen.


Anders als sonst könnte auch Frankreich nicht die Überschüsse für den Export nach Ost- und Südosteuropa haben. Ob das so kommt, ist zwar noch offen, denn verlässliche Ertragsergebnisse gibt es bisher nicht. Auf jeden Fall würde das eine zusätzliche Preisstütze für unseren Markt bedeuten.


Auch bei Verarbeitungsware rechnen Beobachter mit einer engen Versorgungsbilanz. Am Terminmarkt wurde Frittenrohstoff mit dem Lieferzeitpunkt April 2023 schon für 29 €/dt gehandelt. Vieles spricht dafür, dass wie im Jahr 2018 auch in dieser Saison alle Verarbeitungsknollen (Schäl- und Stärkeware, Ware für die Herstellung von Trockenprodukten, Chips- und Frittenkartoffeln) in die Verwertung mit den höchsten Erlösen streben. Anbauer, die sich (zu) früh auf einen Abnehmer und feste Preise festgelegt haben, werden sich es sich denn auch vermutlich im kommenden Jahr gut überlegen, ob sie das wieder tun.


Ein Hochpreisjahr


Die gute Nachricht ist: 2022/23 wird wohl ein Hochpreisjahr. Ob das auch „Rekordgewinn“ bedeutet, steht aber auf einem anderen Blatt. Explodierende Betriebsmittelkosten bei der Produktion und dem Lagerhalten knapsen an den Erlösen bzw. Deckungsbeiträgen. Das Gleiche gilt für schwache Ertrags- und vielleicht auch Qualitätsergebnisse. Viele Erzeugerinnen und Erzeuger klagen bereits über sehr kleine Knollen. Diese fallen schon beim Roden wieder zurück auf die Äcker oder sind nur mit Preiszugeständnissen abzusetzen.


Abnehmer sollten es bei den Preisabzügen aber nicht übertreiben und dadurch ihre bäuerlichen Lieferanten verprellen. Das Betriebsergebnis muss am Ende stimmen, sonst wandern flexible Erzeuger zu alternativen Feldfrüchten ab. Getreide- und Rapsanbau waren 2022 schließlich wesentlich risikoärmer in puncto Vorkosten, Produktion, Witterungseinfluss und Lagerung. Außerdem sieht es nicht danach aus, als ob schon 2023 eine nachhaltige Verbesserung der globalen Nahrungsmittelversorgung nach einem – nicht absehbaren - Kriegsende in der Ukraine ansteht und sich damit die Preisaussichten für Feldfrüchte generell verschlechtern.


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