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Kartoffelstäbchen in der Coronakrise

Lesezeit: 5 Minuten

Die Coronakrise mit ihren Einschränkungen hat den Pommes frites-Absatz weltweit einbrechen lassen. Die Börsenkurse sind auf ein historisches Tief gefallen. Rufe nach Hilfe ertönen.


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Ausgerechnet die Fritten! Das Grundnahrungsmittel in Kantinen, Restaurants und Fast Food-Betrieben leidet wie kaum ein anderes Lebensmittel unter den Folgen der Corona-Epidemie. Weil Verbraucher weltweit in diesem Frühjahr über Monate weniger bis gar nicht mehr „Außer Haus“ essen können, ist der Absatz der frittierten Kartoffelstäbchen seit Ende März drastisch eingebrochen. In der heimischen Küche heizen die wenigsten Verbraucher die Fritteuse oder den Backofen für Pommes frites an.


Zwangsweise steht damit in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und in Deutschland die Wertschöpfungskette „Verarbeitungskartoffel“ quasi still: Die Nachfrage nach Pommeskartoffeln ist nach Branchenangaben mindestens halbiert, teils um zwei Drittel reduziert. Werke haben ihre Produktion gestoppt, Kartoffeln stauen sich in den Lagern, sowohl in den Werken als auch bei den Landwirten, die Teile der letztjährigen Ernte als „freie“, also nicht vertraglich gebundene Ware noch vermarkten müssen.


ganze Branche steht still!


Über die Pommeshersteller schlägt die Krise damit auf die Kartoffelanbauer durch, die so teils noch auf unverkauften Kartoffeln aus der letzten Ernte sitzen und zugleich schon wieder für die neue Ernte gepflanzt haben. Von einer echten Pommes-Krise spricht denn auch Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied. Die Läger seien voll mit Kartoffeln, die eigentlich zu Pommes frites verarbeitet werden sollten. Allein die deutschen Bauern säßen auf einem Berg von mindestens 350000 t.


Doch der Markt ist quasi zusammengebrochen: Die Börsennotierung an der Terminbörse EEX in Leipzig ist von knapp unter 20 €/dt zum Jahresbeginn auf unter 3 €/dt abgestürzt (s. Übersicht). Bis Mitte Mai hatten sich die Kurse noch nicht vom Corona-Schock erholt. In Belgien und den Niederlanden wurden die offiziellen Notierungen für Pommesware sogar ganz ausgesetzt.


„Der Markt ist tot!“ Ebenso kurz wie drastisch ist die Einschätzung eines Börsenmaklers, der auch Kartoffelkontrakte am Terminmarkt handelt. Einen solchen Absturz habe er in seiner langjährigen Tätigkeit noch nicht erlebt, und er sehe bislang schlichtweg keinerlei Anzeichen auf Entspannung. Er geht wie andere Branchenbeobachter davon aus, das in Nordwesteuropa rund 2 Mio. t Kartoffeln in den Lägern liegen, die längst hätten verarbeitet werden sollen. Zum Vergleich: Die ganze Kartoffelernte Deutschlands beträgt 10 Mio. t. Je nach Region sollen von dem Überhang 70 bis 80% vertraglich gebunden sein, d.h. in irgendeiner Form von den Landwirten preislich abgesichert. Diese Vertragsware wollen die Verarbeiter abnehmen. „Das ist immer wieder zu hören, eventuell kann sich aber der Termin nach hinten verschieben“, erklärt ein Marktkenner aus dem Rheinland.


Deutsche Verarbeiter können flexibler reagieren


Was mit den bislang unverkauften Mengen passiert, ist unklar: Wenn die Nachfrage wieder anzieht, dürfte zunächst Vertragsware verarbeitet werden. Ab Juli/August drängen außerdem frühe neuerntige Verarbeitungskartoffeln auf den Markt. „Viel länger dürften die Knollen aus 2019 dann aber auch nicht lagerfähig sein“, erklärt er das Dilemma.


Eine alternative Verwertung in Biogasanlagen bzw. Ethanolerzeugung und in der Rindviehfütterung bietet sich an. Bei aktuellen Tagespreisen von 1,50 bis 3 €/dt sind Kartoffeln im Trog „preiswürdig“, zumal Kühe einwandfreie Knollen recht gerne fressen. „Aber in der Summe können in diese Richtungen wohl auch nur einige Zehntausend Tonnen abfließen“, relativiert der Marktbeobachter. Denkbar sei darüber hinaus auch die Verwertung in der Stärkeindustrie, die in letzter Zeit von guter Nachfrage profitiere.


Einen eventuell etwas einfacheren Weg aus der Krise sieht der Experte allerdings für die heimischen Verarbeiter und Anbauer innerhalb der Verarbeitungskette: „Die meisten deutschen Pommesproduzenten stellen auch noch andere Kartoffelerzeugnisse wie z.B. Chips her. Das unterscheidet sie von den hochspezialisierten Pommes frites-Werken in Belgien und Holland und könnte hier eine Chance sein.“ Denn andere verarbeitete Kartoffelprodukte wie Püree, Rösties usw. werden in der heimischen Küche normalerweise sehr gerne verarbeitet.


Wie geht es weiter?


Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe kam es zu ersten Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Gastronomie und Restaurants durften in mehreren EU-Ländern wieder öffnen. Die Nachfrage nach Kartoffelprodukten zog zuletzt leicht an, und auch die Terminkurse gewannen, wenn auch zunächst minimal. Ein zunehmender Bedarf an Rohware wird vermutlich zunächst aus Vertragsware gedeckt. Vor allem freie unverkaufte Kartoffeln drohen jetzt in die kommende Saison überzulaufen, könnten über den Sommer nicht mehr lagerfähig bleiben oder müssen alternativ vermarktet werden.


Inzwischen richten sich die Blicke auf die kommende Saison. Auf ganz Nordwesteuropa gerechnet, haben die Anbauer die Kartoffelfläche um nur etwa 5% auf gut 583000 ha reduziert. Viele hatten das Pflanzgut längst bestellt, als Corona kurz vor dem Start der Pflanzarbeiten zuschlug. Entscheidend werden jetzt die Wachstumsbedingungen, zumal es bisher verbreitet zu trocken war.


Immer öfter sind aus der Branche Rufe nach Hilfe zu hören. In den Niederlanden unterstützt Den Haag bereits. Auch wurde zuletzt auch eine Private Lagerhaltung (PLH) kontrovers diskutiert, da sie das Problem nicht löst, sondern nur verschieben würde.


christian.brueggemann@topagrar.com

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