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Lagern Sie Ihr Getreide ein!

Lesezeit: 9 Minuten

In den letzten Jahren brachen die Getreidepreise zu Beginn der Ernte ein. In diesem Jahr könnte es anders kommen. Was heißt das für die Vermarktung? Jetzt verkaufen oder warten?


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Stimmt schon. 2015 und 2016 habe ich mit Vorkontrakten zu lange gewartet. Und als dann alle Mähdrescher liefen, konnte ich beim Handel bei Preisverhandlungen keinen Blumentopf mehr gewinnen.“ Wie dieser niedersächsische Ackerbauer haderten in den letzten Jahren auch viele seiner Berufskollegen aus anderen Regionen mit dem Start in die nächste Vermarktungssaison. Kurz vor dem Erntebeginn zogen die Kurse stark an – viele Anbauer glaubten, das würde so weitergehen – doch dann folgte ein regelrechter Absturz. Kein Wunder, dass sich Landwirte jetzt fragen: Kommt es wieder so?


Markt entspannt sich:

Analysten geben auf diese Frage keine oder nur ausweichende Antworten. Jetzt rechnen aber selbst normalerweise eher skeptische Beobachter nicht mit einem so krassen Preisverfall zur Ernte wie im Vorjahr (vgl. Übersicht rechts). Sie sehen zudem gute Chancen, dass Lagerhalter 2017/18 auf mehr als ihre Kosten kommen. Die weltweite Ernte soll das Rekordergebnis der letzten Saison etwas verfehlen, während der Verbrauch nach den jüngsten Prognosen zumindest stabil bleiben dürfte, heißt es.


Dies deckt sich mit den Einschätzungen des Internationalen Getreiderates (IGC), der seinen Sitz in London hat. Dieser erwartet 2017/18 eine weltweite Getreideernte (o. Reis) von 2,05 Mrd. t. Das wären fast 70 Mio. t oder 3% weniger als 2016/17. Den Verbrauch sieht der IGC hingegen bei nahezu unveränderten 2,09 Mrd. t. Es gibt laut IGC eine rechnerische Versorgungslücke von gut 34 Mio. t. Die Versorgungslücke, so die Londoner Experten, könne aber problemlos aus den hohen Vorräten gedeckt werden (479 Mio. t am Saisonende).


Diese Bestände würden die weltweite Versorgung im Falle des Falles 84 Tage sichern. Das ist auf den ersten Blick ein ausreichendes Sicherheitspolster. Allerdings liegen große Mengen in China und Indien. Diese Länder verfolgen in erster Linie das Ziel, die eigene Bevölkerung zu versorgen bzw. Preissprünge abzupuffern. Wenn man dieses Getreide aus den Vorräten herausrechnet, erscheint die weltweite Versorgungsbilanz nicht mehr sehr reichlich.


Bei den einzelnen Getreidearten kann die Entwicklung allerdings sehr unterschiedlich sein:


  • Der IGC rechnet in der neuen Saison mit einer globalen Weizenerzeugung von 736 Mio. t. Das wäre immer noch die dritthöchste Ernte aller Zeiten. Gegenüber 2016/17 wäre es aber ein Minus von 18 Mio. t. Der Verbrauch soll dagegen wieder bei 738 Mio. t liegen (±0%), und Mitte 2018 summieren sich die Vorräte laut IGC auf insgesamt 239 Mio. t.


Bei einem Sicherheitsnetz von rund einem Drittel des internationalen Jahresverbrauchs könnten sich die FAO und andere Organisationen, die sich mit der Lebensmittelversorgung der Weltbevölkerung beschäftigen, normalerweise beruhigt zurücklehnen. Ohne Chinas und Indiens steigende Vorräte von voraussichtlich gut 99 Mio. t (+9%) bzw. knapp 11 Mio. t (+8%) ergibt sich ein anderes Bild. Die weltweit führenden Weizenexporteure sollen in zwölf Monaten mit 68 Mio. t sogar etwa 14% weniger Weizen lagern als jetzt.


  • Auch beim Mais lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Weltweit, so der IGC, sollen im neuen Wirtschaftsjahr rund 1,03 Mrd. t geerntet werden. Das wären 39 Mio. t oder 4% weniger als 2016/17. Den Verbrauch schätzen die Beobachter hingegen auf über 1,05 Mrd. t – ein neues Allzeithoch und eine Steigerung um 10 Mio. t gegenüber der Vorsaison. Die Vorräte gehen in den kommenden zwölf Monaten um 13% auf 197 Mio. t zurück. Das Verhältnis von Vorrat zum Verbrauch (Experten sprechen vom stock to use-ratio) sinkt von jetzt 22% auf 19%. Das ist schon recht mager aber trotzdem nur die halbe Wahrheit.


Fakt ist: China hortet nach wie vor sehr viel Mais. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Peking jetzt etliche Mengen für den Verkauf freigegeben hat und Experten Mitte 2018 im Reich der Mitte „nur noch“ mit Maisvorräten von knapp 85 Mio. t (-17%) rechnen. Das wären immer noch über 40% der globalen Lagerbestände. Alle führenden Exporteure zusammen haben im nächsten Sommer hingegen nur noch 69 Mio. t im Bestand, glaubt der IGC. Und eventuell ist diese Zahl sogar noch zu hoch gegriffen. Kritiker bemängeln z.B., man habe die US-Maisflächen zu hoch angesetzt. Falls es hier Minus-korrekturen gibt, fällt die nächste Versorgungsbilanz also noch enger aus.


EU-Ernte überschätzt?

Dass die weltweite Produktion von Weizen und Mais etwas abnimmt, begründet der IGC mit Rückgängen in den USA, Kanada, Australien und auch bei Schwarzmeer-Anrainern. Das könnte uns im weiteren Verlauf noch in die Karten spielen, nämlich in Form von Exportchancen. Diese brauchen wir, falls sich die aktuellen Ernteprognosen für die EU bestätigen. Die Vorhersagen wurden jüngst nach unten korrigiert, aber noch rechnen Beobachter in der Gemeinschaft mit einer Ernte auf oder auch knapp über Vorjahresniveau.


Coceral, der Dachverband des europäischen Getreide- und Ölsaatenhandels, beziffert die neue Ernte der EU-28 auf 297,6 Mio. t. Das läge 1 Mio. t über dem Niveau von 2016. Ein kräftiges Plus in Frankreich (12,8 Mio. t oder 23,5% mehr als im Vorjahr) wird allerdings durch witterungsbedingte Rückgänge in einigen anderen Staaten nahezu wettgemacht. Spaniens Getreide ist zumindest stellenweise auf dem Halm vertrocknet. Die Erträge sollen dort etwa 30% unter denen des letzten Jahres liegen. Und selbst das, so einige Beobachter, könnte noch zu optimistisch sein. Eventuell müssen die Ernteprognosen für die EU also noch weiter gesenkt werden.


Bei den einzelnen Getreidearten gibt es ohnehin Unterschiede. Coceral rechnet EU-weit mit etwa:


  • 142 Mio. t Weichweizen (+5%) und ca. 8 Mio. t Durum (-17%),
  • 60 Mio. t Mais (-1%),
  • 57 Mio. t Gerste (-4%),
  • 11 Mio. t Triticale (+3%),
  • 7,8 Mio. t Roggen (-3%) und
  • 7,6 Mio. t Hafer (-6 %).


Hinsichtlich der erwarteten Qualitäten geben sich die meisten Beobachter sehr zuversichtlich. Denn die Bestände sind verbreitet gut durch den Winter gekommen, und es gibt bislang kaum Pilzinfektionen sowie andere Probleme.


Das kann sich allerdings im weiteren Verlauf noch ändern, z.B. bei einer langen Regenperiode in der Ernte. Das ist jedoch reine Spekulation. Das Gleiche gilt für die Auswirkungen fehlender Niederschläge im Norden, Nordosten und Teilen des Westens Deutschlands. Experten rechnen in den betroffenen Gebieten mit allenfalls durchschnittlichen Erträgen und Problemen bei der Kornfülle. Das spielt aber bei den Kassapreisen bislang noch keine Rolle.


Schon auf Ernte-Niveau?

Bei uns wurden zuletzt Erntepreise besprochen (siehe Seite 104), die sich stellenweise auf dem aktuellen Kassa-Niveau im Tagesgeschäft bewegen, teils aber auch 10 bis 15 €/t darunter. „Zumindest Letzteres ist jedoch nichts als ein Stochern im Trüben“, sagt ein norddeutscher Marktkenner. Er sieht bis zum Beginn der Ernte sogar wieder Luft nach oben, vor allem dann, wenn sich diese spürbar verzögern sollte. Die verfügbaren Vorräte sind in der Tat fast bundesweit mittlerweile sehr klein. Einige Verarbeiter sollen bereits sondieren, wie sie ihre Rohstoffdecke aufbessern können.


Export stagniert noch:

Das Drittlandgeschäft läuft dagegen derzeit auf Sparflamme. Die Linie von 2015/16 werden wir in der laufenden Saison ohnehin weit verfehlen. Daran ändert auch der fulminante Start der Weizenausfuhren im letzten Winter nichts. Brüssel beziffert die Drittlandexporte von Juli 2016 bis Ende Mai 2017 auf 34,25 Mio. t Getreide (inklusive Mehl und Malz in Getreideäquivalent). Das waren 25% weniger als im Vorjahreszeitraum. Es wurden insgesamt z.B. lediglich 24,4 Mio. t Weizen (-21%) und sogar nur 4,95 Mio. t Futtergerste (-50%) exportiert.


Klar: Diese Zahlen sind eine Steilvorlage für diejenigen Händler, die Landwirte auf möglichst niedrige Startpreise zur neuen Ernte einstimmen wollen. Aber jetzt werden die Karten in puncto Export neu gemischt. Etliche Mitbewerber, u.a. Russland und die Ukraine sowie Exporteure aus Übersee, ernten voraussichtlich weniger Getreide als im Vorjahr. Der Verkaufsdruck aus diesen Regionen dürfte also geringer ausfallen und früher abnehmen als sonst. Gleichzeitig haben traditionelle Importeure wie Ägypten, Marokko, Algerien, Saudi Arabien usw. weiterhin erhebliche Versorgungslücken zu stopfen. Experten rechnen denn auch mit einer kräftigen Steigerung der EU-Getreideexporte im weiteren Verlauf. Die Rede ist bei Weizen von plus 14% und bei Gerste sogar von plus 30%.


Gute Qualitäten weglegen!

Direkt in der Ernte wird von den beschriebenen Exporthoffnungen wohl wenig zu spüren sein. Bei normalen Erntebedingungen könnte es bei Angebotsspitzen stellenweise sogar kräftigen Preisdruck geben. Diesen kann man nur umgehen, wenn man jetzt noch schnell Vorkontrakte abschließt oder sein neues Getreide erst einmal einlagert. Wer kein eigenes Lager hat, könnte seine Ernte auch bei seinem Erfasser „parken“.


Es macht allerdings wenig Sinn, alle Getreidearten und -qualitäten „wegzulegen“. Die Offerten für Braugerste und Roggen wurden zuletzt so spürbar angehoben, dass wohl vorerst wenig Spielraum für weitere Aufschläge vorhanden ist. Brotroggen macht seinen Weg, aber bei alternativen Verwertungsschienen könnte es haken. „Für Bioethanolwerke wird der Roggen einfach zu teuer“, sagt ein Marktkenner. Einlagern, so seine Empfehlung, sollten Erzeuger:


  • Futtergerste mit mindestens 62 bis 63 kg/hl und ohne Qualitätsbeeinträchtigungen. Ab dem Spätherbst rechnen Experten mit vermehrten Ausfuhren in Drittländer und eventuell auch nach Spanien. Außerdem geht das Angebot bei uns zurück. Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) rechnet in Deutschland mit 10,6 Mio. t Gerste (-2%).
  • Brotweizen mit 220 bis 230 sec Fz und 12 bis 13% Protein. Diese Qualität wird beim internationalen Handel vorausgesetzt. Gute Aussichten auf Preissteigerungen nach der Ernte werden aber auch einwandfreiem Futterweizen bescheinigt. In den letzten Jahren kam der Futtergetreidemarkt nach der Erntedelle oft schneller wieder auf die Beine als der für Mühlenware. Der DRV sieht unsere Weizenernte bei etwa 25 Mio. t (+1,6% geg. Vj).


Sobald im Herbst die Anschlusskäufe der Mühlen und Mischfutterwerke beginnen, wird es spannend. Spätestens dann kommen die Preise in Bewegung. Besonders, wenn sich die Exporthoffnungen wirklich erfüllen.


Damit Sie den richtigen Verkaufstermin erwischen, müssen Sie allerdings den Markt im weiteren Verlauf genau im Auge behalten. Nutzen Sie unsere aktuellen Markt- und Preisinfos im Internet auf www.topagrar.com/markt. Für Abonnenten ist dieser Service kostenlos. Das gilt auch für die wöchentlichen Markt-Newsletter.Jörg Mennerich

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