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Landwirte in der Ukraine trotzen der Krise

Lesezeit: 5 Minuten

Die Ukraine ist ein Land im Ausnahmezustand. Auch die Landwirte leiden unter dem Konflikt mit Russland. Trotzdem ist die Landwirtschaft ein Stabilitätsanker für das zerrissene Land. Warum, weiß Wibke Baars von Agritel*.


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Die „Kornkammer Europas“ hat ackerbaulich gesehen ideale Voraussetzungen: Die fruchtbaren Schwarzerdeböden und die großen Strukturen bringen ukrainischen Ackerbauern riesige Wettbewerbsvorteile. Die 16 größten Betriebe des Landes bewirtschaften mittlerweile mehr als 3,5 Mio. ha Ackerland (Durchschnitt: ca. 220000 ha). Das flächenstärkste Unternehmen, die Agrarholding UkrLandFarming, kommt allein auf 654000 ha. Doch Größe ist in Krisenzeiten kein Vorteil.


Ackern in der Krise.

Auch wenn es der Konflikt in der Ostukraine nicht mehr in die deutschen Schlagzeilen schafft – der Waffenstillstand ist brüchig: Immer wieder kommt es zu Kämpfen zwischen der ukrainischen Armee und den Rebellen. An normales Wirtschaften ist auf den landwirtschaftlichen Betrieben vor allem in den umkämpften Regionen Donezk und Luhansk nicht zu denken.


Aber auch abseits dieser Gebiete stehen die ukrainischen Landwirte vor Problemen. Denn die Krise hat das Finanzsystem destabilisiert:


  • Die Zinsen gingen durch die Decke. Banken verlangen für neue Kredite nun 25% Zinsen pro Jahr. Dadurch ist die Liquidität vor allem auf den Großbetrieben ziemlich angespannt.
  • Die galoppierende Inflation macht Betriebsmittel teurer. Die ukrainische Währung „Griwna“ verlor in einem Jahr mehr als die Hälfte ihres Wertes. Ausländische Waren wie z.B. Saatgut oder Dünger sind nahezu unerschwinglich.


Unter diesen Bedingungen sind langfristige Planungen und Investitionen kaum möglich.


Dennoch zeigt sich die Landwirtschaft in der politischen und wirtschaftlichen Krise bisher erstaunlich robust. Die meisten Landwirte bestellen weiter unbeirrt ihre Felder. Man hat den Eindruck, als würden die ukrainischen Landwirte für jedes Problem eine Lösung finden, seien die Umstände auch noch so widrig. So verzichten die Ackerbauern aus Kostengründen weitgehend auf Dünger und Pflanzenschutzmittel. Und beim Saatgut setzen sie notgedrungen auf die eigene Vermehrung.


Noch sind die Ergebnisse überraschend stabil: Derzeit wird die Getreideernte 2015 auf insgesamt 57 Mio. t geschätzt, womit sie nur leicht unter den Zahlen der letzten beiden Rekordjahre läge. Die von Natur aus sehr fruchtbaren Schwarzerdeböden (Löß) machen es möglich.


Dem Export stünden somit rund 32 Mio. t Getreide zur Verfügung – knapp die Hälfte davon ist Weizen. Trotz der zum Teil kriegsähnlichen Zustände bleibt die Ukraine also ein Schwergewicht im internationalen Handelsgeschehen.


Dabei ist die angediente Ware trotz der suboptimalen Düngung nicht schlecht: 43% des ukrainischen Weizens hatten 2015 sogar Brotqualität. Mit durchschnittlichen Proteinwerten von 11,75% und Feuchtigkeitswerten von gut 12% können es die Ukrainer mit den Franzosen durchaus aufnehmen und sichern sich damit ihren Platz unter den wichtigsten Zulieferern, beispielsweise für Ägypten. Die Schwarzmeerexporteure müssen sich auch jetzt nicht hinter den traditionellen Exportnationen wie Frankreich oder Deutschland verstecken. Wobei sie allerdings oft nur über den Preis ins Geschäft kommen.


Hafenplätze bleiben aktiv.

Erstaunlich ist zudem, dass die Logistik in der Krise so schlagkräftig bleibt. So stiegen beispielsweise mit Beginn der Auseinandersetzungen im Frühjahr 2014 die Getreidepreise weltweit sprunghaft an, weil die Analysten glaubten, dass die Schwarzmeerhäfen schließen und die Exporte versiegen würden. Doch die Kämpfe im Osten der Ukraine beeinträchtigten die Häfen in Mykolajiw und Odessa kaum. Die Frachtschiffe wurden weiter ohne größere Zwischenfälle beladen, sodass die Ukraine in der Kampagne 2014/15 mit 11,5 Mio. t Weizen ihr zweitbestes Exportergebnis der Geschichte erzielte (siehe Übersicht).


Auch 2015/16 läuft der Exportmotor auf Hochtouren. Bis Ende Januar führten die Ukrainer bereits 11 Mio. t Weizen, 9 Mio. t Mais und 4 Mio. t Gerste aus. Bei der Gerste entspricht dies fast der gesamten verfügbaren Ware, weil sie dem geernteten Weizen Platz machen musste. Das ist nicht ungewöhnlich, denn der Ukraine fehlen schlicht und einfach Trocknungs- und vor allem Lagerungsmöglichkeiten. Landesweit gibt es Silokapazitäten von knapp 47 Mio. t, davon liegen lediglich 5 Mio. t in Hafennähe. Gerade zu Beginn einer neuen Kampagne setzen die ukrainischen Exporteure deshalb regelmäßig die internationalen Börsen unter Druck. Dabei gilt: Je größer der Platzmangel, desto größer der Preisdruck beim Getreide.


Seit einigen Jahren versucht man zwar mit privaten und staatlichen Investitionen die Engpässe bei der Lagerung aufzulösen. Aber besonders bei der Infrastruktur im Landesinneren gibt es noch erheblichen Nachholbedarf. So ist das Straßennetz mit einer Gesamtlänge von 166000 km relativ klein. Das halb so große Deutschland kommt zum Vergleich auf 645000 km. Zudem lässt der Zustand der Straßen in der Ukraine oft kaum Geschwindigkeiten über 30 km/h zu, was den Abtransport des Getreides aus den Produktionsregionen erschwert.


Es geht noch mehr!

Dabei ist das Potenzial der Ukraine mit seinen fruchtbaren Schwarzerdeböden längst nicht ausgeschöpft. Experten halten eine Getreideproduktion von über 70 Mio. t bis zum Jahr 2020 durchaus für möglich. Dafür müssten ukrainische Landwirte die Erträge jedoch deutlich steigern: Statt gut 3 t/ha Getreide wie heute wären wohl bis zu 5 t/ha im Schnitt nötig. Ob das klappt, ist fraglich:


  • Der ukrainischen Landwirtschaft fehlt wegen der klimatischen Bedingungen die Kontinuität. Das kontinentale Klima sorgt für trockene und sehr heiße Sommertage, während die Winter lang und hart sind. Die Auswinterungen und Trockenheitsschäden sind in der Regel deutlich gravierender als im milden Klima Westeuropas.
  • Außerdem belastet der Konflikt mit Russland den Fortschritt der ukrainischen Landwirtschaft.


Was möglich ist, zeigt aber der Ölsaatenmarkt. Vor allem die Sojabohne erlebt seit einigen Jahren einen regelrechten Boom: Die Produktion in der Ukraine hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als versiebenfacht und lag 2015 bei 4,4 Mio. t. Damit ist das Land zum mit Abstand größten Sojaproduzenten in Europa geworden.

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