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„Man muss auf Augenhöhe verhandeln können“

Lesezeit: 6 Minuten

Der Bio Kartoffel Erzeuger Verein (BKE) schafft Transparenz für über 200 Anbauer. Im Interview schildert Geschäftsführerin Monika Tietke, warum sich die Zusammenarbeit für alle lohnt.


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Frau Tietke, warum haben Sie den Bio Kartoffel Erzeuger Verein gegründet?


Tietke: Wir wollten vor allem Transparenz schaffen und Erzeuger in eine gute Handelsposition setzen. Durch die Öffnung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) für Bioprodukte sind die Wege zudem anonymer geworden. Deshalb brauchen wir zusätzliche Informationen. Es gibt zwar sehr gut funktionierende Erzeugergemeinschaften, aber viele Biobetriebe fühlen sich auch nach der Ernte für ihre Produkte verantwortlich. Deshalb haben wir den BKE gegründet.


Wie hat der Handel auf die Gründung des BKE reagiert?


Tietke: Der Handel hat uns erstmal gar nicht beachtet, denn die Vermarktung für den LEH läuft über Packbetriebe. Die Packer haben weniger positiv reagiert, weil wir Abläufe und Strukturen hinterfragt haben. Die meisten Packbetriebe haben aber gemerkt, dass ein Erzeugerzusammenschluss auch Vorteile hat. Wir können Informationen an die Bauern weitergeben, die sonst die Packstelle jedem einzelnen mitteilen müsste.


Was sind das für Informationen und wer liefert sie?


Tietke: Daten zur Marktlage bekommen wir beispielsweise von der AMI, der GfK und den Handelsbeteiligten. Wir bündeln sie und informieren unsere Landwirte alle 14 Tage. Das ist die eine Richtung. Wir bekommen aber auch Informationen von unseren Landwirten. So haben wir einen Überblick über Anbaufläche, Erntemenge und Qualität. Wir wissen auch, welche Mengen in die Direktvermarktung gehen und damit für den LEH keine Rolle mehr spielen. Dieses Wissen hat zu diesem Zeitpunkt noch kein anderer.


Wie sieht der Markt derzeit aus?


Tietke: Wir haben einen leichten Flächenrückgang, aber eine deutliche Verschiebung von Speise- zu Verarbeitungsware. Im Ökolandbau ist aber die Vermarktung nicht mehr das Problem. Uns beschäftigen eher ackerbauliche Probleme wie Drahtwurm, Rhizoctonia und natürlich Phytophthora.


Was bringt die Markttransparenz für Erzeuger und Handel?


Tietke: Dass man wirklich auf Augenhöhe verhandeln kann, weil man sich nicht durch irgendwelche subjektiven Informationen beeinflussen lassen muss. Wenn man den Handel, die Vermarktungswege und die Preisentwicklungen kennt, kann man als Erzeuger ganz anders in Handelsgesprächen auftreten.


Was ist neben einer Berichterstattung über Mengen und Preise noch wichtig, um Transparenz herzustellen?


Tietke: Zu unseren Aufgaben zählt zum Beispiel auch, dem Einzelhandel Fragen zu stellen und bestimmte Strukturen zu hinterfragen. Hier ist beispielsweise die Neubewertung von Qualitäten wichtig. Zu Beginn ging es nur um die Optik bzw. die Schalenfarbe der Kartoffel. Wir sind jetzt viel weiter. Die meisten Handelsketten haben ihre Spezifikation modifiziert und sehen z.B. in der Produktsicherheit einen wichtigen Aspekt. Und wer den heimischen ökologischen Landbau unterstützten will, der akzeptiert eine leichte Verformung oder die nicht ganz so helle Schalenfarbe. Das entwickelt sich positiv.


Der konventionelle Rohwarenhandel steigt in den Biobereich ein. Ist das Fluch oder Segen?


Tietke: Das kann ich noch nicht abschließend beurteilen. Ich schaue mir die Entwicklung immer erst einmal an. Wir haben aber schon Gespräche mit Händlern geführt. Und unsere Landwirte sind über den Markt so gut informiert, dass sie selbstbewusst auftreten können. Kartoffeln sind im konventionellen Handel aber derzeit nicht das Schwerpunktthema. Es geht jetzt meiner Meinung nach zunächst um den Getreidemarkt.


Wie wichtig ist hierbei die Kommunikation untereinander?


Tietke: Sehr wichtig! Wir teilen viele Informationen mit unseren Partnern. Zum Beispiel lassen wir stichpunktartig die Bestände beproben, damit wir zu einem frühen Zeitpunkt wissen, wo es mit der Ernte hingeht. Das können wir gezielt mit den Handelspartnern besprechen. Damit hat sich der Spotmarkt zu einem strukturierten Handel entwickelt. Auch neue Akteure müssen wir hier miteinbeziehen. Wer Informationen von uns bekommen möchte, ist immer willkommen. Dabei geht es aber stets um Biokartoffeln und Mitglieder in Anbauverbänden.


Ein Wunsch von Umstellern auf Ökolandbau ist es, nicht mehr in anonyme Märkte zu liefern. Gelingt das?


Tietke: Wir haben traditionell sehr viel mehr Einblick in die Märkte als manch konventioneller Kollege. Zumindest kann ich das für Kartoffeln, Schweine und Milch sagen, wo es transparente Strukturen gibt. Ansonsten ist der Lieferweg in den LEH auch für uns anonym. Wir wissen beispielsweise nicht, an welche Handelskette unsere Biokartoffeln verkauft werden. Letztlich ist das aber auch nicht der entscheidende Punkt. Wichtiger ist, dass man vertrauensvoll mit einem Händler zusammenarbeitet und das Beste aus den Kartoffeln macht. Da haben wir im Biokartoffelbereich Vorteile, weil die Ware nach wie vor knapp ist. Der Handel setzt vorrangig auf deutsche Ware und fragt immer wieder bei uns nach, warum sie nicht mehr deutsche Kartoffeln bekommen können.


Wie sollten sich Biobetriebe in der Vermarktung künftig aufstellen?


Tietke: Das ist eine spannende Frage. Ich überspitze jetzt mal: Es gibt Landwirte, die gucken immer noch, wo kriege ich zwei Cent mehr und springen von Händler A zu Händler B. Gleichzeitig kommen immer neue Biobetriebe dazu, sodass Vermarktungspartner leichter andere Erzeuger finden. Es ist deshalb wichtig, im Biohandel weiter auf Loyalität und Verbindlichkeit zu setzen. Die klassischen Naturkosthersteller leiden schon jetzt darunter, dass ihnen die großen Handelsketten die Rohstoffe wegziehen. Das werden wir aber nicht verhindern können. Die Frage ist, wie eng eine Lieferantenbindung ist. Wir empfehlen: Schaut euch die Vermarktung und die Abrechnungen über einen längeren Zeitraum an und beurteilt nicht nur den einen Zug Roggen, den ihr vielleicht für 300 € mehr verkaufen könnt. Die Verlässlichkeit, die wir von Handelspartnern erwarten, müssen wir auch selbst erbringen.


Was bedeutet „Verbindlichkeit und Loyalität im Handel“ für die Erzeuger konkret?


Tietke: Es muss der Grundsatz gelten: Geschäfte sind nur gut, wenn beide etwas davon haben. Als wir den BKE gegründet haben, herrschte vor allem Misstrauen: „Der Einzelhandel drückt die Preise, die Packer betrügen die Erzeuger und die Bauern wollen auch den letzten Mist noch für viel Geld verkaufen.“ Hier hat es auf allen Ebenen einen Sinneswandel gegeben. So setzt der Handel mittlerweile auf heimische Bioprodukte. Oder es werden in Absprache mit den Packbetrieben auf der Erzeugerseite Sorten, Reifegrade und Mengen abgestimmt. So schafft man Transparenz und Vertrauen.


Das Interview führte Niklas Wawrzyniak(bioland-Fachmagazin).


andreas.beckhove@topagrar.com


andreas.beckhove@topagrar.com


Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht im bioland-Fachmagazin 07/2019.

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