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Milchparadies Kanada

Lesezeit: 7 Minuten

Deutsche Erzeuger können von kanadischen Milchpreisen nur träumen: Pro Kilo Milch gibt es dort derzeit umgerechnet 45 Cent und das bei niedrigeren Kosten. top agrar hat Familie Loewith in der Provinz Ontario besucht.


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Europäischen Milcherzeugern muss Kanada derzeit wie ein Paradies vorkommen. Durch eine strenge Marktregulierung hat sich das zweitgrößte Land der Erde vom Rest der „Milchwelt“ abgekoppelt. Einer dieser Profiteure ist Familie Loewith, die eine Milchfarm in Lynden in der kanadischen Provinz Ontario betreibt. Es ist ein Vorzeigebetrieb, der sich nicht nur auf den guten Milchpreisen ausruht.


Die Einwanderer:

Ontario liegt an der Grenze zu den USA und ist für die Agrar- und Ernährungsbranche äußerst lukrativ. Die Region ist landwirtschaftlich hoch produktiv, nicht nur bei Milch, und hat riesige Metropolen wie New York, Chicago, Toronto oder Montreal quasi vor der Haustür. Binnen eines Tages lassen sich mit dem Lkw problemlos über 140 Mio. Verbraucher erreichen (siehe Übersicht 1).


Ob das den Ausschlag dafür gab, dass die tschechoslowakische Familie Loewith Ende der 30er-Jahre nach Kanada auswanderte und 1947 eine Farm in der Nähe der Großen Seen kaufte? Wohl kaum. Vorteilhaft war aber schon damals das für kanadische Verhältnisse milde Klima. Kein Wunder, dass hier ein Drittel der kanadischen Milch erzeugt wird (siehe Übersicht 2).


Es ist ein echter Familienbetrieb, denn neben den Brüdern Carl (68) und Dave (63) ist auch Carls Sohn Ben (41) in den Betrieb eingestiegen. Die Familie hat die Farm über Jahrzehnte konsequent weiterentwickelt, sodass dort heute rund 430 Milchkühe in modernen Ställen stehen. Das ist auch für kanadische Verhältnisse ein Großbetrieb. Die durchschnittliche Herdengröße liegt bei gut 80 Tieren. Auch die Milchleistung kann sich sehen lassen. Mit einem Herdenschnitt von über 13000 kg pro Kuh und Jahr gehören die Loewiths zu den Besten im Lande. Der kanadische Durchschnitt liegt derzeit bei gut 8500 kg/Kuh.


Neben den drei Familien-Arbeitskräften arbeiten zwei weitere Personen voll und zehn Angestellte in Teilzeit auf dem Hof. Die Teilzeitkräfte sind vor allem fürs Melken eingeteilt, denn auf der sogenannten „Summitholm Farm“ wird dreimal täglich in einem vergleichsweise kleinen 12er-Parallelmelkstand für viereinhalb Stunden gemolken. Die langen Melkzeiten haben System: „Unsere Melker würden für zwei Stunden Melken nicht aus der Stadt zu uns kommen“, erklärt Senior Carl.


Insgesamt bewirtschaftet Loewith 325 ha, auf denen je zur Hälfte Mais und Luzerne angebaut wird. Fast alle Arbeiten hat er an Lohnunternehmer vergeben. „Wir verdienen unser Geld im Stall“, stellt der Milchviehhalter klar.


Zwölf 100000-Liter-Kühe.

Der Betrieb züchtet seine Holsteintiere vor allem auf Leistung und Langlebigkeit. Mit Erfolg: Lediglich 11% der Tiere scheiden „unfreiwillig“ aus, sodass die Zuchtziele schneller erreicht werden können. Mit Stolz berichtet Loewith, dass die Summitholm Farm weltweit die meisten 100000-Liter-Kühe gezüchtet hat. Allein in der aktuellen Herde stehen 12 „Dauerbrenner“. Der aktuelle Herdendurchschnitt liegt bei 4,2 Laktationen und einer Gesamtmilchleistung von 56000 l pro Kuh.


Das Rezept für diesen Erfolg beruht aber nicht nur auf der Zucht. Die Gesunderhaltung der Tiere hat bei Loewith stets Vorrang. So setzt er beispielsweise in den Liegeboxen auf Sand. „Das Beste für die Gelenke“, ist der Kuhexperte überzeugt. Dafür nehme er die Nachteile beim Verschleiß und bei der Entmistung gerne in Kauf, erklärt er.


Seine Futterrationen sind für Kanada typisch: Im Wesentlichen setzt er beim Grundfutter auf Mais- und Luzerne-Silage, und im Kraftfutter steckt vor allem Sojaschrot und Körnermais. Bei der Fütterung sieht er für seinen Betrieb aber noch etwas Luft nach oben. „Unsere Silagequalität könnte besser sein“, räumt Loewith ein. Auch mit der Zellzahl seiner Milch ist er noch unzufrieden. Sie liegt bei 175000 bis 200000.


Der selbstkritische Landwirt mag es, wenn Leute Dinge offen ansprechen. „Ich kann nur besser werden, wenn jemand mir sagt was ich falsch mache!“, ist er überzeugt. Auch deshalb tauscht er sich gerne mit Berufskollegen aus, denen er seinen Betrieb bereitwillig zeigt. Immer wieder hat er ausländische Agrarstudenten zu Gast, die bei ihm mitarbeiten – auch aus Deutschland.


Marktregulierung extrem!

Loewith hat dadurch Kontakt zu Milcherzeugern auf der ganzen Welt. Er weiß, dass er aktuell auf der Sonnenseite des Marktes steht. Rund 70 kanadische Dollar pro 100 kg Milch erlöst er aktuell, was mehr als 45 €-Cent je kg Milch entspricht.


Loewith ist Mitglied bei der Genossenschaftsmolkerei Gay Lea, die an sieben Standorten etwa 540 Mio. l Milch verarbeitet. Sie ist die Zweitgrößte Kanadas und gehört etwa 1200 Milchviehhaltern. So wie die meisten Molkereien in Kanada hat auch Gay Lea keinen eigenen Fuhrpark. Landwirte sind i.d.R. Mitglieder bei Speditions-Genossenschaften, die die Milch abholen und an verschiedene Molkereien liefern.


Die hohen Preise verdankt Loewith der strengen Marktregulierung in Kanada, die im Wesentlichen auf drei Säulen beruht:


  • Ein hoher Außenschutz, der nur minimale Mengen an Milchprodukten ins Land lässt.
  • Eine Milchquote, die an den nationalen Bedarf angepasst wird und überliefernde Landwirte bestraft.
  • Nationale Stützpreise, die jährlich angepasst werden und sich an den tatsächlichen Produktionskosten orientieren.


Rund 1,70 € pro kg Quote:

Es läuft rund bei Loewith. „Aktuell bleibt nach allen Kosten ein Gewinn von umgerechnet etwa 7 bis 10 €-Cent pro kg Milch“, freut er sich. Wie gut es der kanadischen Milchbranche geht, kann man an den Quotenkosten ablesen. Aktuell zahlen Milchviehhalter in Ontario fast 17000 € für das Recht, ein kg Butterfett pro Tag liefern zu dürfen. Das entspricht in etwa einem Quotenpreis von rund 1,70 €/kg Milch. In einigen Provinzen liegen die Quotenpreise sogar noch höher.


Bis sich eine solche Investition lohnt, vergehen Jahre. Viele Erzeuger sehen die Quote aber nicht als Wachstumsbremse, sondern eher als eine Art Altersvorsorge mit stabilem Wert.


Damit das Quotensystem überhaupt funktioniert, bekommen Molkereien die Milch von einem Milchboard zugeteilt. In Ontario heißt das „Dairy Farmers of Ontario“ (DFO). Es koordiniert die Quoten- und Milchverteilung innerhalb der Provinz. Loewith verkauft seine Milch somit nicht an die Molkerei Gay Lea, sondern an das Milchboard. Erzeuger wissen deshalb nicht, wer nun ihre Milch verarbeitet. Da jeder Betrieb in Ontario den gleichen Preis erhält, ist es den Landwirten auch egal, wer die Milch am Ende verarbeitet.


Damit auch die Provinzen ihre Milchmengen untereinander abstimmen können, gibt es zudem noch eine nationale Kommission „Canadian Dairy Commission“ (CDC). Die CDC setzt einmal im Jahr die Stützpreise für Magermilchpulver und Butter in Kanada fest, die sich an den Produktionskosten orientieren sollen. Zudem ermittelt CDC den Milchbedarf Kanadas und legt fest, ob die Höhe der Milchquote angepasst werden muss.


Die kanadische Milchmarktregulierung ist in der Branche, aber auch in der Gesellschaft akzeptiert und wird lediglich von einigen wachstumswilligen Landwirten kritisiert.


International steigt allerdings der Druck auf Kanada, und der Sonderstatus des Landes wackelt etwas. Bei dem Freihandelsabkommen CETA, das die EU und Kanada Ende 2014 unterzeichnet haben, wurden u.a. höhere Importkontingente vereinbart. Demnach könnte die EU ab 2017 deutlich mehr Käse zu ermäßigten Zollsätzen nach Kanada exportieren. Das DFO kalkuliert den Einkommensverlust für die kanadischen Milcherzeuger durch diesen erhöhten Zugang auf immerhin 150 Mio. $ pro Jahr.


Marktverwerfungen sind durch das Abkommen aber nicht zu befürchten. Aktuell werden etwa 6 bis 8% des Verbrauchs durch Importe bestritten. Durch CETA erhöhen sie sich um weitere 2,25%-Punkte. Auch bei der Welthandelsorganisation (WTO) kommt die kanadische Milchmarktordnung immer mal wieder aufs Tablett. Bisher gelingt es der Regierung in Ottawa jedoch, über geringe Zugeständnisse, z.B. beim Marktzugang, das Prinzip der Preisstützung aufrechtzuerhalten.


Trotzdem ist Familie Loewith etwas besorgt und befürchtet, dass der Außenschutz nach und nach bröckeln könnte. Auf die Unternehmensstrategie der Summitholm Farm hat das aber ohnehin keinen Einfluss: „Wir setzen weiter auf hohe Milchleistung und gesunde Kühe. Das hat sich schon immer gerechnet!“, stellt Carl Loewith klar.Andreas Beckhove

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