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Mit Bio besser durch die Krise?

Lesezeit: 8 Minuten

Die Ausgaben privater Haushalte in Deutschland für Biolebensmittel sind während des Lockdowns stärker gestiegen als der Gesamtmarkt. Kommt Bio besser mit Corona klar?


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Biolebensmittel sind längst kein Nischenprodukt mehr für gutsituierte SUV-Fahrer. Bio ist raus aus der Nische und zieht inzwischen Käufer aus allen sozialen Schichten an. Offenbar treffen Biolebensmittel bei vielen Verbrauchern einen Nerv, da sie häufig mit den Themen Regionalität, Tierwohl, Gesundheit und Nachhaltigkeit verbunden werden. Diese Kriterien spielen bei der Kaufentscheidung neben dem Preis eine immer größere Rolle.


Dabei hat der kleine Bioladen von nebenan jedoch starke Konkurrenz bekommen: ,,Die Kunden kaufen heute überall, im Supermarkt und Discounter, in Biosupermärkten, Bioläden und Wochenmärkten“, weiß Prof. Jens Vogelgesang von der Uni Hohenheim aus seiner repräsentativen Studie. Dieses bestätigte sich jetzt auch wieder in der Coronakrise.


Aber zum Megatrend kommt noch hinzu: Die Ausgaben privater Haushalte in Deutschland für Biolebensmittel sind in Coronazeiten deutlich stärker gestiegen als im Gesamtmarkt. Dies gilt besonders für Fleisch, Geflügel, Obst, Mehl und Gemüse aus ökologischer Erzeugung, haben die Marktforscher von GfK in ihrem Haushaltspanel festgestellt. Denn der Außer-Haus-Verzehr ist während des Lockdowns regelrecht weggebrochen, und viele Familien haben wieder verstärkt zu Hause gekocht. Dabei griffen die Verbraucher wohl häufiger zu Bioware.


Damit hat „Bio“ insgesamt in den vergangenen Monaten einen regelrechten Nachfrageboom erfahren. Doch wie ist die Entwicklung in den einzelnen Segmenten? Und vor allem: Hält dieser Trend weiter an?


Großes Plus bei Biofleisch


Besonders profitiert von der Coronakrise hat der Biofleischabsatz. Nach Angaben der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) legte der Absatz über alle Fleischarten im April und Mai 2020 in Deutschland gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 70% zu. Dabei ist der Absatz von Bioschweinefleisch um 68% gestiegen, während Biorindfleisch 64% und Biogeflügelfleisch 28,5% häufiger in den Einkaufswagen kamen.


Damit kauften die Haushalte in Deutschland während des Corona-Lockdowns mehr Biofleisch als je zuvor, was sich spürbar auf die ganze Wertschöpfungskette auswirkte: „Die Schweineverkäufe sind im März und April teilweise um 10 bis 20% gestiegen“, erklärt Diana Schaack (AMI). Dies gelte sowohl für Verbandshaltung als auch für Tiere nach EU-Ökoverordnung, so die Expertin.


Der Ökomarkt ist viel weniger von den Schwankungen des Weltmarkts betroffen. Dies ist auch den langfristigen Abnahmeverträgen geschuldet, die am Ökomarkt üblich sind. Folge: Die konventionellen Schweinepreise brachen im Frühjahr um rund 20 Cent/kg SG ein und stagnierten vor dem ASP-Fund über Monate bei rund 1,47 €/kg. Die Erzeugerpreise für Bioschweine blieben dagegen zu Beginn der Krise stabil bei 3,78 €/kg. Inzwischen sind die Notierungen sogar noch leicht gestiegen.


Begehrt für die heimische Küche ist auch Biogeflügel. Nach schon großen Wachstumsraten im Vorjahr setzte sich der Trend in Coronazeiten weiter fort: Der Absatz von Biohähnchen ist im ersten Quartal 2020 um 27% auf 1660 t gestiegen. Dabei zeigt sich, dass auch hier die Direktvermarktung stark an Bedeutung gewinnt. So hat sich die Einkaufsmenge von Biogeflügel ab Hof und auf den Wochenmärkten im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt.


Abzuwarten bleibt, wie sich die Einkaufsmengen verändern, wenn Restaurants, Gemeinschaftsverpflegungen und das Hotelgewerbe wieder vollständig geöffnet haben.


Milch zeitweise knapp


Die Corona-Pandemie hat auch am Milchmarkt Spuren hinterlassen. Mit den rückläufigen Exportmengen sind die Kontraktpreise für Milchpulver und Butter am Terminmarkt teilweise unter Druck geraten. Auch haben die Grenzschließungen den Absatz von Milchprodukten in andere EU-Länder (z.B. Italien) deutlich erschwert.


Weitaus robuster zeigte sich auch hier der Ökomilchmarkt, der mit einem deutlich größeren Anteil des Endkundengeschäfts und der geringeren Exportabhängigkeit spürbar besser durch die Krise gekommen ist. Mit 47 Cent pro kg erzielen Biolandwirte für ihre Milch laut amtlicher Statistik aktuell 14 Cent mehr als ihre konventionellen Berufskollegen (33 Cent). Von einer corona-bedingten Preisschwäche kann keine Rede sein. In Anbetracht der Nachfrage ist eine stabile Preisentwicklung zu erwarten, da aktuell nichts auf einen Angebotsüberhang hindeutet. Aufgrund der regen Nachfrage sprachen einige Molkereien bereits Anwärter ihrer Wartelisten an, um die Produktion zu erhöhen.


Allerdings ist nicht garantiert, dass die Nachfrage nach Biomilchprodukten so weiter steigt, wie dies zuletzt der Fall war. Entscheidend dürfte der weitere Konjunkturverlauf sein. Sollte eine Rezession einsetzen, wäre ein erheblicher Kaufkraftverlust zu erwarten. Experten rechnen aber eher damit, dass Bio, Gesundheit, Regionalität und Nachhaltigkeit in der Gesellschaft weiter einem stabilen Megatrend folgen, der sich auch in Zeiten einer Rezession fortsetzen dürfte.


Biogemüse knapp und teuer


Wie alle anderen Frischeprodukte hat auch der Obst- und Gemüsebereich mit Corona einen beispiellosen Nachfragesog erfahren. So stieg die Nachfrage nach Biogemüse im LEH zu Beginn der Krise gegenüber dem Vorjahr direkt um ein Viertel an. Aufgrund der höheren Preise stiegen die Ausgaben sogar um 30%. Besonders Salate, Frischgemüse und die Kohlarten waren anfangs stärker gefragt und sind es auch jetzt immer noch. Zeitweise blieben die Auslagen leer. Denn beim Biogemüse zeigte sich eine weitere Corona-Auswirkung direkt: In vielen Anbau- und Verarbeitungsbetrieben fehlten und fehlen Saisonarbeitskräfte. Störungen in den Lieferketten durch Grenzschließungen und verzögerte Zollabfertigungen kamen anfangs hinzu.


Besonders angespannt war und ist die Versorgungssituation im Kohlsortiment. Blumenkohl, Kohlrabi, Brokkoli und Spitzkohl sind überaus knapp und teuer. Dies ist u.a. dem Umstand geschuldet, dass in dieser Saison weder aus Frankreich noch aus Spanien und Italien genügend Importe nach Deutschland gelangen. Die Folge: 2019 kostete Biobrokkoli im Juni ab Hof/Wochenmarkt noch 5,98 Euro/kg. In der aktuellen Saison erzielt Kohlgemüse in Hessen einen Durchschnittspreis von 8,41 Euro/kg (+40%).


Auch der Absatz von Biokartoffeln hat mit Ausbruch der Pandemie um ca. 13% zugelegt, im Laufe des Frühjahrs kamen dann aber doch Frühkartoffeln aus den traditionellen Herkunftsländern auf den Markt. Das entspannte die Versorgungssituation etwas. Die Verbraucherpreise für festkochende Sorten lagen im Juli ab Hof/Wochenmarkt in der Direktvermarktung meist um 3,25 €/kg (Sorte Linda). In den Packbetrieben bedeutet dies Erzeugerpreise von ungefähr 83 €/dt franko. Inzwischen deckt die heimische Ernte den Bedarf wieder. Saisonüblich sind weiter rückläufige Tendenzen zu erwarten. Aufgrund der Nachfrage nach Bioware dürften die Abschläge in diesem Jahr aber moderat ausfallen.


Bedarf an Bioeiern wächst


Auch der Absatz von Bioeiern ist während des Corona-Shutdowns merklich gestiegen. Der Wunsch der Verbraucher nach Bio und Regionalität schlägt hier besonders zu Buche. Sowohl im LEH als auch im Direktvertrieb waren erhebliche Umsatzsteigerungen zu verzeichnen.


Und dies, obwohl der Wegfall des Außer-Haus-Verzehrs in der Gastronomie und in Großküchen etwas anderes hätte vermuten lassen. Von letzterem war allerdings eher konventionelle Ware betroffen. In vielen Fällen konnte die rege Nachfrage nach Bioeiern im Lebensmitteleinzelhandel nicht immer bedient werden, da die Warenbestände hierfür nicht ausreichten.


Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts ist die Erzeugung von Bioeiern 2019 zwar um fast 7% gestiegen. Trotz einer steigenden Anzahl an Biolegehennen-Betrieben ist in Deutschland eine Sättigung des Bioeiermarkts aktuell nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Weil viele Verbraucher im Sommerurlaub im Inland geblieben sind, dürfte die Nachfrage über den Sommer noch stärker gestiegen sein.


In Hessen erzielen Bioeier der Gewichtsklasse M im Direktabsatz aktuell 34 Cent (konv. Freiland: 25 Cent). Ab Erzeugerpackstelle erlösten die hessischen Bioeier zuletzt durchschnittlich rund 25 Cent (konventionell Freiland: 18 Cent).


Dinkel und Hafer zeitweise ausverkauft


Hamsterkäufe ließen zu Beginn der Corona-Pandemie die Nachfrage nach Getreideprodukten wie Mehl, Flocken oder Müsli regelrecht explodieren. Davon profitierte auch der Biogetreidemarkt erheblich. Zeitweise waren die Verarbeitungsmengen in den Monaten März und April so hoch, dass sich bei Dinkel und Hafer bereits eine Rohstoffknappheit andeutete. Auch beim Getreide führte fehlendes Verpackungsmaterial zeitweise zu Stopps in der Verarbeitung. Seit den Sommermonaten und spätestens mit der neuen Ernte hat sich die Marktsituation aber wieder weitgehend normalisiert. Die Verarbeitungsmengen liegen im mehrjährigen Vergleich aber immer noch deutlich über der Vorjahreslinie.


Was die Erträge der diesjährigen Ernte betrifft, so gilt auch für Biogetreide, was für den konventionellen Anbau gilt: Keine Rekordernte, aber auch keine Dürrekatastrophe. Die AMI schätzt die Ernte oberhalb der 1 Mio. Tonnen-Marke. Mengenzuwächse dürften - wie in den Jahren zuvor - aus einer gestiegenen Anbaufläche resultieren. Für die Preisbildung könnte am Ende entscheidend sein, inwiefern Umstellungsware künftig gemäß Öko-Verordnung in den Mischfutterrationen eingesetzt werden darf. Die erneute Verschiebung der neuen EU-Ökoverordnung stellt damit für die Erzeuger einen gewissen Risikofaktor dar.


Weiter voll im Trend


Wie geht es weiter? Fraglich ist, ob sich dieser Trend auch dann fortsetzt, wenn die Weltwirtschaft in eine Rezession gerät und die Einkommen der Verbraucher verbreitet schrumpfen. Die Mehrzahl der Marktexperten rechnet aber eher damit, dass viele Verbraucher auch weiterhin verstärkt auf Bio und Nachhaltigkeit achten werden.


Immer mehr jüngere Konsumentengruppen wollen zudem aktiv zur Lösung drängender Umweltprobleme beitragen und Aspekte wie Tierwohl fördern. Biolebensmittel scheinen diese Kriterien – aus Sicht vieler Verbraucher – häufig besser zu erfüllen. Der Skandal um die Wilke-Wurstwaren und die gehäuften Corona-Ausbrüche in der Fleisch- und Schlachtbranche dürften diesen Trend in Deutschland nochmals verstärken.


christian.brueggemann@topagrar.com


Unser Autor


Nikos Förster, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

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