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„Online“ allein reicht nicht!

Lesezeit: 6 Minuten

Online-Handelsplattformen schossen in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden. Doch dieser Boom ist beim Umsatz im Agrarhandel noch nicht angekommen. Wie geht es weiter?


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Die Zahl der Agrarhandelsplattformen steigt und ihr Potenzial ist riesig. Doch noch ist der stationäre Handel mit seinen engen Geschäftsbeziehungen zu den Landwirten der Maßstab. Dr. Dorothee Schulze Schwering von der Uni Göttingen hat den Markt analysiert und meint, dass stationärer und digitaler Handel miteinander verschmelzen müssen, um erfolgreich zu sein.


Digitale Vertriebskanäle wie Onlineshops, digitale Agrarhandelsplattformen, Kundenportale oder Bestellapps wirbeln den klassischen Agrarhandel seit einigen Jahren mächtig durcheinander. Allein in den letzten fünf bis sechs Jahren sind mehr als 15 neue Agrarhandelsplattformen in den Markt eingetreten – vielfach als Start-up (siehe Übersicht).


Aber auch etablierte Handelsunternehmen und Genossenschaften setzen zunehmend auf den Onlinehandel wie z.B. myfarmvis von der Agravis, myAgrar als Tochter der ATR Landhandelsgruppe, die genossenschaftliche Plattform akoro oder die bereits fusionierten Plattformen House of Crops und unamera die gleich vier etablierte Agrarhändler hinter sich stehen haben.


Dabei unterscheiden sich die Plattformen in ihrem Angebot. Einige Unternehmen handeln ausschließlich Agrarerzeugnisse, wie z.B. Weizen oder Raps. Andere bieten vor allem Betriebsmittel an, wie z.B. Pflanzenschutz- und Futtermittel, und wieder andere handeln beides. Ebenso lassen sich zwei wesentliche Modelle im Onlinehandel finden:


  • Der klassische Onlineshop, bei dem ein Anbieter auf viele Abnehmer trifft (z.B. ag.supply, myAgrar).
  • Die Handelsplattform als Vermittler, bei der Anbieter und Nachfrager zusammengebracht werden, wie z.B. Agrando oder Cropspot.


Mehr Angebot, wenig Umsatz


Trotz der vielen Onlineangebote im Agrarhandel ist der Umsatz noch gering. Laut Schätzungen des Beratungsunternehmens McKinsey macht der europäische Handel mit landwirtschaftlichen Produkten rund 138 Mrd. € aus, wovon nur etwa 150 bis 200 Mio. € online umgesetzt werden. Glaubt man den Prognosen steht die Branche aber vor einem rasanten Wachstum. Denn schon 2025 sollen rund 10 Mrd. € digital erwirtschaftet werden. Das soll sowohl den Ackerbau als auch die Tierhaltung betreffen.


Die bisherige Zurückhaltung der Landwirte beim Online-Agrarhandel zeigt sich auch in Studien der Uni Göttingen. Demnach kaufen nur rund 18% der deutschen Landwirte regelmäßig Betriebsmittel online ein. Elektronische Käufe gibt es vor allem bei standardisierten und bekannten Produkten (z.B. Werkzeuge, Ersatzteile), während beratungsintensive Gebrauchs- und Erfahrungsgüter wie Futtermittel, Pflanzenschutz- oder Düngemittel weiterhin stationär gekauft werden. Fragt man nach der bevorzugten Bezugsquelle für diese Betriebsmittel, geben nur rund 5% der Landwirte „Online“ an.


Beispiel: Futtermittel


Warum digitale Anbieter noch nicht durchstarten, lässt sich beim Produkt Futtermittel gut nachvollziehen. Laut des Verbands für Tiernahrung (DVT) gaben Landwirte 2020 für zugekaufte Futtermittel etwa 8,5 Mrd. € aus. Ein riesiger Markt, der nach Göttinger Studienergebnissen selten über das Internet bedient wird: Der Onlineanteil liegt nur bei knapp 10%. Unter den deutschen Landwirten sind die Vorlieben klar verteilt: 98% favorisieren traditionelle Einkaufskanäle bei Futtermitteln (Studie 2017).


Hinzu kommt, dass das Online-Angebot von Futtermitteln noch begrenzt ist. So boten Anfang 2020 von 40 betrachteten deutschen und niederländischen Futterherstellern nur knapp die Hälfte eine digitale Bestellmöglichkeit an und dies häufig nur sehr begrenzt. Die Ursachen sind vielfältig:


  • Das große Handelsvolumen von Futtermitteln macht die Logistik kompliziert.
  • Hersteller nutzen betriebsindividuelle Futtermischungen als Alleinstellungsmerkmal, um die Kunden mit intensiver persönlicher Beratung eng zu binden.
  • Volatile Rohstoffpreise, individuelle Rationsgestaltungen und Koppelgeschäfte verhindern Produkt- und Preistransparenz. Beides lehnt der Handel ab, denn es erhöht den Wettbewerbsdruck.
  • Bei den meisten Landwirten fehlt die „mentale Bereitschaft“ für Onlinegeschäfte, wie eine Studie der Uni Göttingen zeigt.
  • Landwirtschaftliche Kunden erwarten Offline und Online eine ähnliche Angebotstiefe, Produktanordnung und Präsentation sowie Zahlungsmodalitäten. Es muss messbare Vorteile geben (z.B. Zeit- und Kostenvorteile), um das Fehlen eines persönlichen Kontakts auszugleichen. Das „gute alte“ Telefon ist bisher überzeugender.
  • In vielen Unternehmen fehlen Ressourcen (u.a. Finanz- und Humankapital), um digitale Angebote voranzutreiben.
  • Über Jahrzehnte gewachsene Vertriebsstrukturen und die traditionelle Einstellung des Managements bremsen digitale Veränderungen. Vertriebsmitarbeiter fühlen sich von der Digitalisierung sogar bedroht.
  • Das Onlineangebot ist wenig attraktiv. So ist beispielsweise oftmals das Futterangebot auf Eimer- oder Sackware begrenzt. Der „amazonisierte“ Kunde verbindet mit dem Internet aber eigentlich ein größeres Produktangebot.


Digitaler Wandel geht weiter


Trotz dieser zahlreichen Herausforderungen wird der digitale Agrarhandel nicht wieder verschwinden. Die angebotenen Systeme werden in den nächsten Jahren anwenderfreundlicher, kompatibler mit anderen Systemen und dürften dann auch echte Mehrwerte für die Landwirte liefern. Zudem ist durch die Coronapandemie die digitale Zurückhaltung der Unternehmen und Landwirte zurückgegangen. Ersten McKinsey-Analysen nach sei die Präferenz für den Online-Einkauf von Betriebsmitteln durch die Pandemie um mehr als 30% gestiegen.


Digital heißt mehr Service


Doch wie wollen Agrarhändler die zahlreichen Hürden im Futtermittelsektor überwinden? Derzeit versuchen sie, den Zugang über digitale Kundenportale zu erleichtern. Dabei können individuelle Preis- und Produktinformationen mit Hilfe von Warenwirtschaftssystemen (ERP) digitalisiert werden.


Das kann allerdings nur der Einstieg in eine digitalere Zukunft sein. Aus Landwirtssicht bringt der Onlinehandel immerhin eine bessere Erreichbarkeit des stationären Handels. Bei einem 24/7-Service könnten Tierhalter beispielsweise nachts aus dem Abferkelstall heraus bestellen.


Die nächste Digitalisierungsstufe könnte dann eine Füllstandsmessung im Futtersilo bringen. Schon jetzt gibt es Apps, die über Sensoren im Silo den Füllstand ablesen und an den Nutzer melden (z.B. KAMA-Silo App). Es werden aber auch schon Systeme erprobt, die vollautomatisch bestellen. Dabei sind die Sensoren in den Futtersilos mit den internen Systemen von Futtermittelherstellern gekoppelt.


Weitere Automatisierungen und künstliche Intelligenz (KI) könnten dann sogar die Zusammensetzung individueller Futtermischungen ermöglichen. So gibt es erste Ansätze, um mittels KI von der Tieraktivität auf die Futterbedürfnisse zu schließen. Wenn die Systeme soweit optimiert sind, dass sie voll automatisiert Daten erfassen, werden sie Entscheidungen erleichtern oder sogar eigenständig treffen können.


Sind Einkauf und dessen Abwicklung ins Digitale verschoben, können sich die Unternehmen mehr Zeit für die eigentliche und vor allem individuelle Beratung nehmen. Diese kann durch die gewonnenen Daten des Betriebs noch fundierter erfolgen als bisher. Landwirte wollen und müssen auf den persönlichen Kontakt zum Geschäftspartner daher nicht verzichten. Die teure Arbeitszeit sollte aber dort eingesetzt werden, wo sie bisher nicht standardisiert bzw. digitalisiert werden kann.


Neue Angebote ausprobieren!


Klar ist aber auch: Eine Online-Präsenz allein reicht nicht, um zufriedene Kunden zu haben. Um digital erfolgreich zu sein, müssen Hersteller vor allem die Bedürfnisse der Landwirte erkennen, und das Onlineangebot attraktiver machen. Als Ergänzung zum stationären Geschäft wird sich Online zunächst vor allem für Sack, Eimer- und Big-Pack-Ware weiter etablieren. Ohne echten Mehrwert wird sich Online jedoch nicht durchsetzen.


Landwirte sollten sich für Digitales stärker öffnen und neue Handelsoptionen immer mal wieder ausprobieren. Dadurch lässt sich auch der Preiswettbewerb beim Handel etwas anheizen. Landwirtschaftliche Betriebsleiter müssen aber gleichzeitig damit rechnen, dass persönliche Serviceleistungen künftig gebührenpflichtig werden.


Ihr Kontakt zur Redaktion: andreas.beckhove@topagrar.com

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