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Rindfleisch: Wehe wenn der Ire kommt!

Lesezeit: 7 Minuten

Rindfleisch ist begehrt wie nie, freut sich der Tönnies-Manager Egbert Klokkers. Im Interview warnt er aber vor übertriebenen Preisvorstellungen und vor dem harten Brexit.


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Herr Klokkers, wie läuft die Rindfleischsparte bei Tönnies?


Klokkers: Für uns läuft es gut. Ein Meilenstein war sicherlich die Übernahme des Rinderschlachthofs in Badbergen im letzten Jahr. Jetzt können wir Gas geben.


Sind die Pläne für den angekündigten Neubau nun hinfällig?


Klokkers: Ja. Badbergen wird unsere Rindfleisch-Zentrale. Dort dürfen wir 5000 Tiere pro Woche schlachten und investieren deshalb mittelfristig einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.


Es heißt, Sie wollen dort auch automatisch klassifizieren. Stimmt das?


Klokkers: Der neue Standort bietet viele Spielräume. Auch die automatische Klassifizierung bei Rindern ist dabei sicherlich ein spannendes Thema. Entschieden ist jedoch noch nichts.


Warum ist Rindfleisch derzeit so gefragt?


Klokkers: Dafür gibt es drei Gründe: Erstens sind die Deutschen kaufkräftiger, und die Verbraucherpreise für Rindfleisch sind gesunken. Zweitens ist Rindfleisch beliebt und enorm vielseitig. Der Verbraucher gönnt sich gerne etwas Besonderes, und das kommt vermehrt in den Topf oder auf den Grill. Und drittens treiben muslimische Einwanderer den Absatz vor allem von preiswerten Produkten nach oben.


Wie nachhaltig ist der Hype?


Klokkers: Es ist zumindest kein Strohfeuer. Der Trend ist stabil. Was in einer Rezession passiert, wird sich zeigen.


Wer profitiert eigentlich am meisten?


Klokkers: Im Besonderen sicherlich der Milchviehhalter, der für sein Kalb mehr erlöst. Aber auch der Bullenmäster profitiert von einem stabil wachsenden Markt, auch wenn er den höheren Erlös meistens für das neue Kalb oder den Fresser wieder ausgibt.


Und der Schlachthof profitiert nicht?


Klokkers: Natürlich. Unsere Spannen passen im Moment, aber wir stehen im Wettbewerb. Da gibt es Grenzen.


Edelrindfleisch liegt im Trend. Wie wichtig ist dieses Geschäft für den Markt?


Klokkers: Das verschafft dem Produkt ein gutes Image. Zudem können sich Einzelhändler mit Rindfleisch-Spezialitäten gut profilieren. Am Ende bleibt es aber eine Nische. Trotzdem unterstützen wir solche Qualitätsfleischprogramme. Wir liefern beispielsweise Dry-Aged-Ware von Kempten aus. Das sind ca. 100 bis 150 Tiere pro Woche.


Das diskutierte Mercosur-Abkommen brächte mehr südamerikanisches Rindfleisch in die EU. Ist das eine Gefahr?


Klokkers: Das ist noch nicht absehbar. Ich persönlich denke aber, dass es für Deutschland keine große Gefahr ist. Es sind vor allem Brasilianer, die mit Rindfleisch in die EU wollen. Dabei geht es um Verarbeitungsware, die uns in Großbritannien und Italien Konkurrenz machen könnte. In Deutschland sehe ich wenig Chancen für Brasilien.


Wie würde sich ein harter Brexit auf den Rindfleischmarkt auswirken?


Klokkers: Das träfe uns viel härter als Mercosur. Dann wird Großbritannien praktisch zum Drittland und es ginge kaum noch deutsche Ware nach Großbritannien. Viel schlimmer ist aber, dass die Iren ihren Hauptabsatzmarkt verlieren würden. Sie bringen ihre Ware dann zu uns – deutlich preisreduziert. Da geht es nicht nur um fünf Cent pro kg. Ich hoffe, dass wir auch dauerhaft den aktuellen Handelsstatus mit den Briten beibehalten können.


Warum haben Sie eigentlich so eine Angst vor der irischen Konkurrenz?


Klokkers: Ich habe keine Angst vor den Iren, ich habe Respekt. Das gilt aber für jede Konkurrenz. Die Iren haben es allerdings geschafft, mit ihrer „Kerrygold-Idee“ eine Marke zu schaffen, die ein wohliges Gefühl beim Kunden auslöst. Grüne Wiesen und die weite Welt kommen bei jedem Händler derzeit gut an. Dieses Image hat die irische Marketinggesellschaft Bord Bia mit viel Geld geschaffen. Und das zahlt sich nun in höheren Preisen aus.


Warum gibt es keine deutsche „Bord Bia“?


Klokkers: Wir hatten sie. Diese Organisation hieß CMA und hätte Ähnliches aufbauen können. Bei der Qualität können wir mit argentinischem oder irischem Rindfleisch mithalten.


Wie sieht für Sie das perfekte Schlachtrind aus?


Klokkers: Mit dem Fleckviehbullen sind wir schon gut aufgestellt. Bei der Färse ist es oft eine Glaubensfrage. Der eine schwört auf Simmentaler der nächste auf Charolais. Eigentlich brauchen wir einen Mix an Tieren. Auch ein schwarzbunter Bulle kann vernünftige Rouladen liefern, für ein Roastbeef oder Steak fehlt ihm allerdings die Marmorierung.


Die Zahl der Fleckviehrinder sinkt langsam aber stetig. Sorgen Sie sich auf Dauer um Ihren Rohstoff?


Klokkers: Nein. Die Landwirtschaft findet darauf Antworten. Schon jetzt werden regelmäßig Fleischrassen mit HF-Tieren gekreuzt.


Sind höhere Gewichte eine Antwort auf sinkende Schlachtungen?


Klokkers: Auf keinen Fall. Das optimale Schlachtgewicht bleibt bei 380 bis 480 kg. Darüber werden die Teilstücke einfach zu schwer.


Warum sind schwere Teilstücke ein Problem?


Klokkers: Bei Schlachtgewichten von über 500 kg ist z.B. das Rumpsteak nicht mehr 300 g, sondern 500 g schwer. Das gleiche Problem stellt sich bei der Roulade, die viel zu groß wird. Das will kein Kunde haben. Hinzu kommt, dass die Verpackungsgrößen genormt sind und solche Portionen gar nicht fassen können. Es soll im Laden ja auch gut aussehen.


Bullenmäster sagen aber, sie können auch schwere Bullen gut verkaufen.


Klokkers: Es gibt eine Kundschaft dafür, die ist aber begrenzt. Fakt ist, die durchschnittlichen Schlachtgewichte der Bullen liegen um die 440 kg. Das Fleisch muss verkaufbar bleiben. Das ist übrigens auch eine Frage des Preises.


Was stört Sie an den aktuellen Preisen?


Klokkers: Die werden künstlich hoch gehalten. Einige am Markt schlachten derzeit mehr als sie brauchen. Wir liegen 35 Cent über dem Vorjahr. Wo wollen wir denn hin?


Warum sollten Schlachter mehr als nötig schlachten?


Klokkers: Die Betriebe möchten ihre Schlachthaken besser auslasten. Wir haben derzeit zu viele Haken für zu wenig Rinder.


Kann man im Verkauf nicht mehr rausholen, z.B. mit „ohne Gentechnik“?


Klokkers: Bisher gibt es kaum Anfragen dazu. Trotzdem wird die deutsche Schlachtkuh in drei bis fünf Jahren diesen Standard flächendeckend erfüllen, da die Molkereien seit Jahren die GVO-Freiheit von Milch propagieren. Der Handel wird dafür aber nicht mehr zahlen.


Warum denn nicht?


Klokkers: Der Lebensmitteleinzelhandel sieht die Schlachtkuh als Nebenprodukt der Milcherzeugung. Damit ist sie aufschlagsfrei.


Können Sie den Trend zur Regionalität als Großkonzern bedienen?


Klokkers: Mit unseren dezentralen Standorten kann das wohl keiner besser als wir. Wenn es gewünscht wird, liefern wir Fleisch von der Nordsee, aus den Alpen, vom Niederrhein oder aus dem Herzen Westfalens.


Macht diese Zerstückelung des Marktes überhaupt Sinn?


Klokkers: Für den Handel schon, weil er sich darüber profiliert. Jeder sucht sich eine Nische. Und ich sehe auch noch kein Ende. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Theoretisch können Sie alles auf dem Steak ausflaggen z.B. vom Jungbullen, in Mecklenburg-Vorpommern geboren, aufgewachsen in Westfalen auf Stroh mit vier Quadratmeter Platz, tägliche Strohdusche und GVO-freies Futter mit 50%igen Eigenanteil.


Ist Tierwohl bei Rindfleisch ein Thema?


Klokkers: Ein hochaktuelles Thema. Denken Sie an das Schlachtverbot von trächtigen Rindern oder die Anbindehaltung. Politik und Handel positionieren sich und wir auch. Wir haben nun eine Online-Plattform, um über den Tierschutz bei der Schlachtung zu informieren.


Handeln Sie auch Biorindfleisch?


Klokkers: Wir sind einer der größten Biorindfleisch-Anbieter. Der Absatz steigt langsam aber stetig.


Was machen die Preise im Sommer?


Klokkers: Die Preise bleiben wohl über dem Vorjahr. Wir müssen im Sommer aber runter. Trotz Barbecue-Hype ist Rindfleisch vor allem im September bis März gefragt. Dort bleibt das Preishoch. Die Schlachtkuh wird angebotsbedingt stabil bleiben.


Kontakt:


andreas.beckhove@topagrar.com

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