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Schweine mit Vertrag vermarkten

Lesezeit: 5 Minuten

Darum gehts: Abnahmeverträge machen sich auf dem deutschen Schweinemarkt breit. Dennoch dürfte es für Mäster weiterhin eine Wahl geben. Doch was ist der bessere Weg? Zwei Betriebsleiter erklären ihre Position: Selbe Region, ähnliche Betriebsgröße und dennoch völlig unterschiedliche Standpunkte.


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Ich sehe für unseren Betrieb viele Vorteile durch einen festen Liefervertrag. Mein Vater hat bereits vor über 20 Jahren einen Abnahmevertrag mit dem genossenschaftlichen Schlachtunternehmen Westfleisch abgeschlossen. Der damalige Grund war eine bereits gut funktionierende Partnerschaft auf Augenhöhe, ein fairer Vermarktungspreis und eine gesicherte zeitgerechte Abnahme der Tiere. Ich habe diese Vermarktung aber nicht nur aus Tradition weitergeführt, sondern weil ich davon überzeugt bin.


Durch den Vertrag kann ich meine Tiere zu einem Mehrwochenpreis verkaufen. Wir haben auf unserem Betrieb zwei Altersgruppen und sind somit nicht jede Woche am Markt. Das Risiko mit vielen Schlachtschweinen in ein Preistief zu fallen, ist bei uns daher recht groß und wird durch den Schnittpreis über vier Wochen deutlich gesenkt.


Ich glaube nicht, dass ich in den letzten Jahren durch einen festen Preiszuschlag auf die Notierung Nachteile bei der Vermarktung hatte. Ich muss nicht ständig „pokern“, ob ich die Schweine noch halte oder doch eher verkaufe, um im fallenden oder steigenden Markt den besten Preis zu erzielen.


Für den Vertrag spricht zudem, dass wir seit 2014 Ebermast betreiben. Auf unserem Betrieb funktioniert sie sehr gut, und ich halte sie für sehr zukunftsfähig. Die Verbraucher sehen Eingriffe beim Tier sehr kritisch und werden die Kastration auf Dauer wohl nicht akzeptieren. Für die Ebermast brauche ich aber die gesicherte Abnahme, die mir nur der Vertrag wirklich garantieren kann.


Im Jahr 2020 war der zu normalen Zeiten geschlossene Vertrag mit der entsprechenden Abnahmegarantie natürlich ein sehr großer Vorteil. Bei uns kam es zu keinem größeren Schweinestau. In Kombination mit dem bei Westfleisch angehobenen optimalen Schlachtgewichtsbereich waren auch die erhöhten Gewichte für uns kein Problem und haben nicht zu finanziellen Nachteilen geführt. So war auch die zeitgerechte Abnahme der Ferkel von unserem Sauenhalter gesichert.


Ich halte das Vertragsmodell auch für zukunftsweisend. Wir werden mit dem gesamten Betrieb an der dritten Phase der Initiative Tierwohl (ITW) teilnehmen, was mit einem Abnahmevertrag deutlich einfacher erscheint. Das Schlachtunternehmen ist bei uns auch gleichzeitig der QS-Bündler. Das erleichtert aus meiner Sicht die Rückverfolgbarkeit vom Ferkelerzeuger, über das Futter bis hin zum Schlachthof und zur Ladentheke. Da sehe ich die feste Vermarktung klar im Vorteil.


Für unseren Betrieb wird der Abnahmevertrag voraussichtlich sogar noch an Bedeutung gewinnen, da wir uns mit einer teilweisen Umstellung auf Außenklimahaltung beschäftigen. Unser Ziel ist es, mit einer gesicherten Abnahme in Markenfleischprogrammen einen höheren Preis für Tierwohl-Schweine erlösen zu können.


Im Endeffekt ist die Vermarktung über Verträge aber auch eine Typ-Frage. Ich glaube, dass Betriebsleiter, die gerne frei vermarkten und sich nicht fest binden wollen, auch weiterhin die Möglichkeit dazu haben. Wer hingegen eher der „Sicherheitstyp“ ist, sollte einen gut verhandelten Vertrag auf Augenhöhe unterschreiben.


Ich bin es gewohnt, meine Entscheidungen selbst zu treffen. Diese Unabhängigkeit ist mir auch betrieblich sehr wichtig. Die freie Vermarktung bei Schweinen hat aus meiner Sicht den Vorteil, dass die Vermarktungspartner sich nicht darauf verlassen können, dass sie meine Tiere weiterhin bekommen. Sonst könnten sie die Konditionen zum meinem Nachteil beliebig verändern. Das heißt nicht, dass bei uns jede Woche jemand anderes die Schweine abholt. Aber wir sind immer offen für bessere Angebote, wobei es dabei nicht nur um die Höhe der Vorkosten oder Zuschläge geht.


Wir haben ein sehr aufregendes Jahr in der Schweinevermarktung hinter uns, und ich kann sagen, dass es mir ebenso gut oder schlecht gelungen ist, die Schweine zeitnah zu vermarkten wie vielen, die einen Vermarktungsvertrag unterschrieben hatten.


Dabei habe ich grundsätzlich nichts gegen Verträge. Ich mache jedes Jahr längerfristige Verträge für Futter, Düngemittel oder andere Betriebsmittel. Möglich, dass ich irgendwann auch einen Vermarktungsvertrag für Schlachtschweine unterschreibe. Bisher sehe ich für uns aber keine Vorteile.


Eine Grundvoraussetzung wäre für mich, dass ich bei jeder relevanten Änderung am Abrechnungssystem (z.B. Maskenänderung) sofort den Vertrag kündigen kann. Außerdem müsste die Abnahme der angemeldeten Schweine zu einem vereinbarten Termin garantiert und nicht nur „in Aussicht gestellt“ sein.


Die Zahl der Schweine, die frei vermarktet werden, ist im zurückliegenden Jahr dennoch aus verschiedenen Gründen deutlich geschrumpft. Die Ebermast und die Mast der Immunokastraten ist ohne Vertrag fast nicht möglich, weil es nur wenige Abnehmer gibt, denen man fast hilflos ausgeliefert ist. Auch die dritte ITW-Phase hat dazu beigetragen. Die großen Unternehmen drängen oder setzen voraus, dass man bei ITW-Teilnahme Verträge unterschreibt. Bei den mittelständischen Schlachtern ist oft der Viehhandel als Vertragspartner für die Landwirte zwischengeschaltet. Die Schlachter drängen uns zudem in Verträge, da sie sich den „Rohstoff“ Schwein bei einem zurückgehenden Angebot sichern wollen. Sie haben die Krise im letzten Jahr genutzt, um Druck auf die Schweinehalter aufzubauen!


Insgesamt sehe ich diese Entwicklung hin zu immer mehr vertraglich gebunden Schweinen sehr kritisch. Wir machen uns immer mehr vom Wohlwollen der Vermarkter abhängig und schwächen die Notierung der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG). Es gibt immer weniger Schweine, die frei handelbar sind, sodass die großen Konzerne die VEZG über die Erzeugergemeinschaften und den Viehhandel unter Druck setzen können.


Abgesehen davon ist die Voraussetzung für jeden Vertragsabschluss gegenseitiges Vertrauen. Es war nicht vertrauensbildend, die Mehrkosten, die beispielsweise in der Coronakrise entstanden sind, einfach an die Schweinehalter weiterzugeben. Viele Schlachtunternehmen aber auch Vermarkter haben aber genau das getan.


Am Ende ist es auch eine Frage des „Typs“, ob ich mich regelmäßig mit diesen Marktfragen beschäftigen will, oder nicht. Natürlich liege ich mit meinen Markteinschätzungen nicht immer richtig. Im Schnitt fahre ich damit aber besser.


andreas.beckhove@topagrar.com

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