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So leiten Sie Ihren Preis ab

Lesezeit: 7 Minuten

Weizen, Raps, Milch, Zucker: Immer mehr Agrarprodukte werden an Termin- oder an klassischen Getreide- und Produktenbörsen gehandelt. Wie Sie vom Börsenkurs zu Ihrem Erzeugerpreis kommen, erklärt Bernd Irps, LWK Schleswig-Holstein.


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Früher war nicht alles besser, aber manches einfacher, z.B. die Preisfindung bei Getreide, Raps, Zucker und Milch. Brüssel gab Eckwerte vor, die Schwankungen hielten sich in vergleichsweise engen Grenzen, und viele Erzeuger konzentrierten sich mehr auf ihre Produktionstechnik als auf ausgefeilte Vermarktungsstrategien. Heute geht das nicht mehr!


Die Erzeugerpreise schwanken immer stärker und weichen je nach Abnehmer selbst an vergleichbaren Standorten teils massiv voneinander ab. Die Funktion als Leitpreise haben mittlerweile die Kurse internationaler Terminbörsen übernommen und in einigen Regionen auch die Notierungen klassischer Getreide- und Produktenbörsen.


„Matif plus oder minus…“

In Vorkontrakten, die weit vor der Ernte abgeschlossen werden, verweisen Händler z.B. auf Kurse der Pariser Terminbörse Matif. Oder sie legen Preise umsatzstarker Standorte, wie Hamburg, Würzburg, Mannheim usw. zugrunde. Auch im Tagesgeschäft leiten Marktbeteiligte Kassapreise von diesen „Leitnotierungen“ ab. Meistens wird der Unterschied angegeben (vgl. Übers. 1).


Wenn es z.B. heißt, die Hamburger Prämie zur Matif läge bei minus 1 €, bedeutet das, der reale Kassapreis liegt 1 € unter dem Matif-Kurs. Aus z.B. 163 €/t der Matif würden somit 162 €/t franko Hamburg. Diese Differenz zwischen Börsenkursen und Preisen am realen Kassamarkt wird als Basis bezeichnet.


Diese Basis ist übrigens nicht nur für die Preisfindung auf der Großhandelsstufe von Bedeutung. Wer seine Basis kennt, ist auch als Landwirt bei Verkaufsgesprächen eindeutig im Vorteil, da viele Ersterfasser bei ihrer Preisgestaltung dem Schema „Börse plus/minus Betrag X“ folgen. Außerdem lässt sich so auch schnell erkennen, ob die Offerten des Abnehmers zur Realität passen oder nicht.


Aber wie ermittelt man die eigene Basis? Diejenigen, die über langfristige Aufzeichnungen verfügen, haben es relativ leicht: Stellen Sie diese Preise den vergleichbaren Börsenkursen gegenüber und ermitteln Sie die Differenz. Eingebürgert hat sich der Rechengang „Kassa minus Börse ergibt die Basis“. Ist diese positiv bekommen Sie Aufschläge, ist die Basis hingegen negativ, dann bewegen sich Ihre speziellen Erlöse unter dem Börsenniveau.


Es macht übrigens gar keinen Sinn, auf Preisreihen Dritter zurückzugreifen. Denn es gibt keine allgemeingültige Basis. Diese schwankt nicht nur je nach aktueller Marktsituation, sondern sogar je nach Verhandlungsgeschick. Es spielt im Prinzip sogar eine Rolle, wie wichtig Sie Ihrem Handelspartner sind. Falls Sie noch keine Preisaufzeichnungen haben, sollten Sie also umgehend damit beginnen, um möglichst bald Ihre spezielle Basis zu ermitteln.


So rechnet man:

Zum Teil können Sie diese Basis auch ausrechnen. In Übersicht 2 haben wir dazu den Erzeugerpreis von der Hamburger Großhandelsnotierung abgeleitet. Die klassischen Getreide- und Produktenbörsen sind zwar nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, die Preise seien mangels realem Handel oft zu sehr aus der Luft gegriffen und eher handelslastig.


Das trifft aber nicht auf alle Standorte zu. Die Hamburger Notierung spiegelt die Realität recht gut wider und dient in Norddeutschland stellenweise auch als Messlatte bei der Ableitung von Erzeugererlösen. In anderen Bundesländern gibt es ebenfalls Produktenbörsen, an denen man sich orientieren könnte.


Angenommen, Sie wollen Ihren Weizenpreis vom Hamburger Großhandels-preis ableiten, dann gehen Sie so vor:


  • Sie wählen einen notierten Termin, der Ihrem Verkaufszeitpunkt am nächsten kommt. In unserem Beispiel wollen wir von der Großhandelsnotierung für September 2016 einen Erzeugerpreis ex Ernte 2016 ableiten.
  • Ziehen Sie von der Ausgangsnotierung eventuelle Gebühren für die Ein- und Auslagerung ab. Gleiches gilt für Lagerkosten, Schwund und Verzinsung, falls der reale Verkaufstermin nicht dem in der Notierung angegebenen Liefertermin entspricht.
  • Falls der Weizen von Ihnen oder Ihrem Landhändler nach Hamburg gebracht werden muss, fallen Transportkosten an. Diese steigen mit zunehmender Frachtentfernung.
  • Falls es sich nicht um ein sogenanntes Streckengeschäft handelt, sollten Sie zudem eventuelle Handelsspannen berücksichtigen – Ihr Ersterfasser vor Ort will schließlich auch etwas verdienen.


In unserem Beispiel wird so aus den ursprünglichen 166,75 €/t franko Hamburg an einem frachtnahen Betriebsstandort ein abgeleiteter Erzeugerpreis von gut 153 €/t. Bei höheren Frachtkosten sind es 4 €/t weniger.


Und beim Matif-Kurs?

Wir hätten übrigens auch vom Matif-Kurs bis auf die Erzeugerstufe zurückrechnen können. Der Rechengang ist gleich. Allerdings hätte dies weitere Korrekturen er-fordert, z.B. um Qualitätsunterschiede auszugleichen. Außerdem gibt es hier keine allgemeingültigen Faustzahlen.


So werden bei uns normalerweise die Preise für Standard-Brotweizen mit 220 bis 230 sec. Fallzahl und mindestens 12% Protein notiert. An der Matif wird hingegen einfach nur „Mahlweizen“ ohne Vorgaben zum Proteingehalt und zur Fallzahl gehandelt. Diesen Qualitätsunterschied muss man bei der Preis-ableitung von der Matif durch einen Aufschlag ausgleichen. Dafür gibt es allerdings keine festen Werte. Ist deutscher B-Weizen gefragt, muss man mit höheren Werten rechnen als in Zeiten mit einem reichlichen Angebot.


Schwierig ist es in vielen Fällen auch, den genauen Betrag festzulegen, der die zusätzlichen Transportkosten bei der Ableitung vom Terminbörsen-Kurs ausgleicht. Erfüllungsort des Weizenkontraktes der Matif ist „Hafensilo Rouen“. Normalerweise müsste man für die Fracht bis Rouen eine mehr oder weniger ausgeprägte Preiskorrektur nach unten vornehmen. An sehr umsatzstarken Handelsplätzen, wie Hamburg, Rostock, dem Mittellandkanal, der Donau-Häfen usw. kann man das vernachlässigen. Wenn man aber an absatzschwachen, marktfernen Standorten Deutschlands wirtschaftet, werden dagegen teils happige Transportkosten fällig, und zwar zusätzlich zu den Kosten, die für den Transport vom Erzeuger bis zum Großhandel oder Ersterfasser anfallen.


Die Basis schwankt:

Nicht nur die Vielzahl an Faktoren macht es schwer, die genaue Differenz bzw. Basis zwischen Terminbörsenkursen und den realen Kassapreisen bis runter auf die Erzeugerstufe abzuleiten. Man muss zudem immer wieder neu rechnen bzw. vergleichen (vgl. Kasten oben). Denn die Basis schwankt erheblich.


Im Mittel lag der Preisunterschied zwischen Matif und der Erzeugerstufe in Schleswig-Holstein im langjährigen Vergleich bei minus 7,25 € pro t Brotweizen. Der Erzeugerpreis bewegte sich aber auch schon mal 22 €/t oberhalb der Pariser Notierung bzw. 28,55 €/t „unter Matif“. Beim Raps traten bei einem Schnitt von minus 9 €/t sogar Abweichungen von plus 33,75 bis minus 34,25 €/t auf. Wie kommt das?


Eine Erklärung ist: Wenn die Ernte läuft, sieht sich der Handel in einer sehr guten Verhandlungsposition und steht auf der Erzeugerstufe mit beiden Füßen auf der Preisbremse. Zeitweilig auch erheblich stärker als nötig. Gegen Ende der Saison und wenn plötzlich wieder Weizen, Raps usw. gebraucht wird, werden die Kassapreise dafür stärker aufgebessert als es Matif und Co. widerspiegeln. An exportstarken Standorten, wie den norddeutschen Seehäfen, merkt man an der Basis denn auch sofort, ob der deutsche Export läuft oder nicht.


Außerdem neigen die Terminbörsen gerne zur Übertreibung. Die Preisausschläge sind hier also oft erheblich ausgeprägter als beim realen Handel. Auch das müssen Sie im Hinterkopf haben, wenn Sie Ihren Preis z.B. von der Matif ableiten. Dafür bieten die Börsenkurse allerdings auch einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Notierungen: Es gibt sie täglich. Man kann also relativ schnell erkennen, ob die Börse an einem Tag mal aus dem Ruder gelaufen ist oder nicht. Genau das ist der Grund, warum immer mehr Marktbeteiligte sich bei ihrer Preisgestaltung direkt an Terminbörsen-Kursen anlehnen.-me-

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