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Steht der Weizenmarkt vor einem Umbruch?

Lesezeit: 8 Minuten

Der Weizenmarkt ist nicht so überversorgt, wie es scheint. In den kommenden Jahren könnte das Angebot sogar knapp werden. Das gilt besonders für Spitzenqualitäten. Ein Blick in die Zukunft.


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Keine Frage: Weizen gehört zu den bedeutendsten Getreidearten. Er eignet sich als Nahrungsmittel, Futter sowie für die industriellen Verwertung und wird weltweit auf knapp 221 Mio. ha angebaut. Die globale Produktion beträgt den Schätzungen des US-Agrarministeriums (USDA) zufolge 773 Mio. t. Weizen liegt damit hinter Mais auf Platz 2 der Getreide-Rangliste.


Obwohl der Verbrauch stetig steigt, werden die internationalen Vorräte bis zum Ende der Saison 20/21 auf eine Rekordmenge von 316 Mio. t anwachsen. Damit zeichnet sich auf den ersten Blick eine sehr komfortable Versorgungslage ab. Auf den zweiten Blick entpuppt sich das allerdings als Trugschluss. Und in den kommenden Jahren könnte das Angebot sogar knapp werden, wenn der Verbrauch seine bisherigen Steigerungsraten beibehält, die Produktion an Grenzen stößt und weiterhin große Teile der Lagerbestände dem Weltmarkt vorenthalten werden.


Vorräte ungleich verteilt


Über die Hälfte der oben genannten Rekordvorräte entfallen auf China. Ende 2020/21 sollen dort mehr als 160 Mio. t Weizen lagern. Das Land geht aber seinen eigenen Weg. Die Versorgung der eigenen Bevölkerung hat absolute Priorität. Chinas Weizenvorräte stehen dem Weltmarkt somit kaum zur Verfügung.


Ohne diese Mengen (vgl. Übersicht rechts) belaufen sich die globalen Bestände nur auf knapp 150 Mio. t Weizen. Das Verhältnis der Vorräte zum Verbrauch (Stock-to-use-ratio genannt) beträgt deshalb nicht mehr rund 40%, sondern nur noch 25%. Die Vorräte wären unter Berücksichtigung des aktuellen Verbrauchs also nach knapp drei Monaten aufgezehrt.


Dieses Sicherheitsniveau liegt zwar noch oberhalb der Linie, unter der sich die FAO und andere Organisationen, die sich mit der Lebensmittelversorgung beschäftigen, Sorgen machen. Bei Weizen ist das der Fall, wenn der Stock-to-use-ratio unter 25% sinkt. Bei den Hauptexporteuren (EU, Russland, Ukraine, USA usw.) liegt das Verhältnis allerdings schon unter 20%.


Das erklärt auch, warum Staaten wie Russland oder die Ukraine während der Coronakrise Exportbeschränkungen beschlossen haben. Die Sorge vor Versorgungsengpässen und Preissteigerungen sind dort groß. Ein Explodieren der inländischen Nahrungsmittelpreise soll vermieden werden.


Noch knapper zeigt sich die Situation in Europa. Hier gewährleisten nach den Schätzungen des USDA für 2020/21 die Vorräte lediglich für etwas über einen Monat die Versorgung. Eine beunruhigende Zahl, wenn man bedenkt, dass die Weizenerzeugung durch klimatische und auch durch politische Herausforderungen künftig großen Schwankungen unterliegen wird.


Anbau tritt auf der Stelle


In einigen Exportländern stagniert der Weizenanbau bereits:


  • In den USA ist die Anbaufläche für die kommende Saison auf 17,9 Mio. ha geschrumpft. Das ist das kleinste Areal seit Aufzeichnungsbeginn. Die Ernte prognostiziert das USDA jetzt auf 51,1 Mio. t, also auf 1,2 Mio. t weniger als im Vorjahr. Viele Farmer setzen lieber auf Sojabohnen.
  • In Argentinien dämpfen Exportzölle seit dem 1.1.2020 das Interesse der Farmer am Weizenanbau.
  • In Europa sind die jüngsten Anbaurückgänge vor allem den schwierigen Witterungsbedingungen geschuldet. In Frankreich sowie im Vereinigten Königreich waren die Böden zur Aussaat aufgrund von Nässe nicht befahrbar. Laut Coceral, dem Dachverband des europäischen Getreide- und Ölsaatenhandels, war die Anbaufläche beider Länder insgesamt etwa 850000 ha kleiner als im Vorjahr. Die Briten verzeichneten einen Rückgang um ca. 25%.


Erträge steigen langsamer


Wie wird es langfristig weitergehen? Über die eventuelle witterungsbedingten Flächenrückgänge oder Anbauverschiebungen kann man nur spekulieren. Sicher ist hingegen, dass sich der Anbau und die Produktivität nicht ins Unendliche steigern lassen.


Wegen des Flächenverbrauches durch Bebauung sowie der steigenden Ansprüche des Naturschutzes ist in Europa sogar eher ein Minus bei den Weizenflächen zu erwarten. Gleichzeitig ist gerade in den sogenannten „entwickelten Ländern“ entsprechend des Gesetzes des abnehmenden Ertragszuwachses künftig nur noch mit geringen Ertragssteigerungen zu rechnen.


Auch das Wetter könnte dafür sorgen, dass die Weizenproduktion künftig nicht mehr mit dem steigenden Verbrauch Schritt halten kann. Nach Meinung vieler Klimaforscher müssen wir mit häufigeren extremen Wettersituationen rechnen. Und deren Auswirkungen werden in der Landwirtschaft deutlich zu spüren sein.


Trockenheit und hohe Temperaturen rufen bei Weizen Ertragseinschränkungen hervor. Nach Berechnungen von Wissenschaftlern der Mendel-Universität Brünn könnten bis zum Ende des Jahrhunderts bis zu 60% der weltweiten Anbauflächen wiederholt und im schlimmsten Falle gleichzeitig von Dürren betroffen sein. Selbst wenn der globale Temperaturanstieg, wie im Pariser Abkommen angestrebt, auf 2 Grad Celsius begrenzt werden könnte, werde eine Zunahme extremer Trockenheit in den weltweit wichtigen Weizenanbauregionen denkbar, heißt es in Fachkreisen.


Die Folgen wären globale Schwankungen der Erntemengen mit entsprechenden Auswirkungen für die Preisentwicklung. Insbesondere in Europa werden diese Ereignisse zu spüren sein, denn hier wird ein Drittel der globalen Weizenmenge erzeugt. Als Lösungsansatz bietet sich die Züchtung hitze- und trockenheitsresistenter Sorten an. Trockenresistente Sorten werden z.B. bereits in Spanien angebaut. Allerdings beeinträchtigt die kürzere Wachstumsperiode das Ertragspotenzial. Es ist also fraglich, ob der Verbrauch durch diese Sorten ausreichend gedeckt werden kann. Nach Ansicht eines Wissenschaftlers der Arbeitsgruppe „Weizen“ an der Uni Hohenheim kann die Ernährungssicherheit im Klimawandel nicht garantiert werden.


Verschärfte Auflagen


Eine weitere Hürde, die die Steigerung der Weizenproduktion zunehmend erschwert, sind die politischen Auflagen. Klima-, Natur- und Artenschutz bringen immer weitere Gesetze und Richtlinien mit sich. Als Beispiele sind hier die Düngeverordnung sowie der Green Deal mit der Farm-to-Fork- und Biodiversitätsstrategie zu nennen.


Die Zielsetzung (Nachhaltigkeit, weniger Umweltbelastungen usw.) wird auch von den Landwirten begrüßt. Allerdings dürfen die Ernährungssicherheit und die Produktion heimischer Grundnahrungsmittel nicht in den Hintergrund geraten bzw. sollten mindestens den gleichen Stellenwert erhalten.


Die Bedeutung dieser Themen wurde uns in der Coronakrise knallhart vor Augen geführt. Die Bevölkerung geriet zeitweise fast in Panik, was irrationale Vorratskäufe, also sogenannte Hamsterkäufe, zur Folge hatte. Doch durch das Funktionieren der regionalen Lieferketten sowie die ausreichende Versorgung mit heimischen Lebensmitteln hat die heimische Landwirtschaft sehr zur Entspannung der Situation beigetragen. Leider hat die aufflackernde positive Haltung gegenüber den Landwirten nicht lange gehalten.


Welchen Weizen anbauen?


Tatsache ist: Die politischen Vorgaben und Beschränkungen bei der Anbautechnik sowie der Verwendung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln könnten die Weizen- und insbesondere die Qualitätsweizenproduktion beeinträchtigen. Es drohen Ertragseinbußen und Probleme, die Qualitätsansprüche zu erfüllen.


Die oben zuvor genannten Faktoren werden die künftigen Warenströme sowie die Preisentwicklung am Weizenmarkt entscheidend beeinflussen. Ein steigender Verbrauch wird einem knapperen Angebot, insbesondere an Qualitätsware, gegenüberstehen. Was bedeutet das speziell für die Anbauentscheidung der deutschen Erzeuger?


Export fordert viel Protein


Der Weizen wird seine hohe Bedeutung im Marktfruchtbau auch in Deutschland sicherlich behalten. Unser Qualitätsweizen kann schließlich mit seinen hohen Rohproteingehalten am Exportmarkt punkten, und die heimischen Mühlen und andere Verarbeiter wollen auch versorgt werden. Doch die Anbauentscheidung hängt auch davon ab, in welcher Region sich der jeweilige Betrieb befindet. Problematisch wird ein Anbau in den roten Gebieten, also Regionen mit einer vermeintlich sehr hohen Nährstoffbelastung.


Insbesondere der Anbau von Qualitätsweizen wird dort kaum noch möglich sein. Die gewünschten Rohproteingehalte lassen sich wegen der immer eingeschränkteren Düngemöglichkeiten fast nicht mehr realisieren. Beobachter erwarten deshalb ein sinkendes Angebot und höhere Preiszuschläge für Qualitätsware. „Sehr gute Qualitäten werden knapper und vermutlich auch teurer“, äußert sich ein Experte eines Saatzuchtunternehmens.


Der Anbau von hochwertigen A- und E-Weizenqualitäten, die bislang aus Erzeugersicht oft zu mäßig honoriert werden, kann damit für die Landwirte, deren Flächen sich nicht in roten Gebieten befinden, langfristig finanziell attraktiver werden. Zumindest solange die hohen Proteingehalte von Mühlen und Importeuren gefordert und auch honoriert werden. Sollten hingegen die Abnehmer künftig verbreitet mehr auf Basis der Backeigenschaften abrechnen und geringere Proteingehalte tolerieren, könnte sich die Situation ändern.


Sortenreine Erfassung


Dafür wäre allerdings eine sortenreine Erfassung nötig, denn die Bestimmung der Qualitätskriterien ist zeitaufwendiger und nicht direkt beim Abliefern durchführbar. Daher bleibt die Frage, ob alle Beteiligten sich diesen Änderungen stellen möchten und können. Während große Mühlen, wie z.B. die Saalemühle oder die Dresdener Mühle, in Verbindung mit Vertragsanbau diesen Weg bereits gehen, ist das besonders für kleinstrukturierte Erfasser kaum möglich. Und für den Export wird aus den genannten Gründen der Rohproteingehalt wahrscheinlich auch langfristig das Hauptkriterium bleiben.


joerg.mennerich@topagrar.com


Unsere Autorin


Stephanie Stöver-Cordes, Kaack Terminhandel GmbH

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